Mehr Leben

Ein Kind wird geboren. Es schreit, schreit nach Leben. Alle jungen Eltern wissen, wie unangenehm das Geschrei kleiner Kinder sein kann. Aber es dient dem Leben. Hinter dem Schreien der Kinder wohnt das Verlangen nach Nahrung und Liebe, nach Wärme und Zuwendung. Alle Menschen haben diese Sehnsucht nach Leben und Liebe, Anerkennung und Zuneigung.

Ich war neun Monate alt, lag in meinem Stubenwagen im Wohnzimmer und schrie laut. Mutter war in der Küche beschäftigt und konnte nicht herbeikommen. Meinem älteren Bruder wurde das Schreien lästig. So redete er auf mich ein: „Baby leise sein!“ Als seine Ermahnungen nichts nützten, nahm er ein dickes Sofakissen und drückte es mit beiden Händen fest auf mein Gesicht. Noch ein schwaches Wimmern, dann war es still. Das Baby war leise, im Zimmer war Totenstille. Gerade in diesem Augenblick kam meine Mutter herein, riss das Kissen weg, nahm mich auf den Arm, drückte mich an sich, und die Atmung setzte wieder ein. Ich schrie und lebte. Dann stillte mich meine Mutter, und ich wurde ruhig.

Menschen haben Hunger nach Leben und Durst nach Liebe. Sie sind wund an Leib und Seele. Sie rufen und schreien in ihren Ängsten und Sorgen nach Hilfe. Wie oft werden die Sehnsüchte nicht gestillt, sondern stillgemacht, nicht erfüllt, sondern mit sanfter Gewalt zum Schweigen gebracht. Jesus möchte unser Lebensverlangen wirklich stillen. Unter seiner Fürsorge und Liebe kommen wir wirklich zur Ruhe. Das eine ist Totenstille, das andere Lebensruhe.

Jesus ist wie eine gute Mutter. Er lässt unseren Schrei nach Leben und Liebe gelten und will uns mit seiner Barmherzigkeit wirklich stillen und uns mit seiner Kraft zur Ruhe führen.

Ist unser Leben nur stillgemacht, dann breitet sich Totenstille aus. Ist unser Leben bei Jesus gestillt, wächst eine tiefe Geborgenheit des Lebens.

Der kleine Weg zum Himmel

Theresia von Lisieux, auch die „Kleine Theresia“ genannt, wurde nur 24 Jahre alt. Und ihr kurzer Lebensweg war frei von allem Krampf und angestrengter Verbissenheit. Schon als kleines Kind wollte sie ganz für Gott da sein. Immer wieder findet sich in ihren Schriften das Wort von dem kleinen Weg: „Ich darf trotz meiner Kleinheit nach der Heiligkeit streben. Mich größer machen ist unmöglich. Ich muss mich ertragen, wie ich bin, mit all meinen Unvollkommenheiten. Aber ich will das Mittel suchen, in den Himmel zu kommen, auf einem kleinen Weg, einem recht geraden, recht kurzen, einem ganz neuen kleinen Weg. Ich möchte einen Aufzug finden, der mich zu Jesus emporhebt. Denn ich bin zu klein, um die beschwerliche Treppe der Vollkommenheit hinaufzusteigen. Der Fahrstuhl, der mich zum Himmel emporheben soll, deine Arme sind es, o Jesus! Dazu brauche ich nicht zu wachsen; ich muss klein bleiben, ja mehr und mehr es werden!“ (Theresia von Lisieux 1873-1897)

Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.
Offenbarung 3,8