Nimm das Leben ernst!

Auf einem Kalenderblatt lese ich einen Spruch, der mir zu denken gibt. Dort heißt es fettgedruckt: „Nimm das Leben nicht so ernst, denn du kommst, am Ende ja doch nicht lebend davon!“ Das bedeutet: „Nimm das Leben leicht und locker, genieße die Tage, denk nicht an morgen und die andern, denn am Ende steht ja ohnehin der Tod!“ Viele Menschen meinen, sie könnten auf diesem Weg der Leichtigkeit mehr Lebensfreude und sorgenfreie Tage haben.

Aber die Erfahrung zeigt, wer leichtfertig mit sich, den anderen, dem Leben umgeht, wird oft schwermütig und traurig. Wer aber das Leben, sich selbst, die anderen, seine Zukunft ernst nimmt, kann viel Freude entdecken und empfangen.

„Lasst uns essen und trinken, feiern und genießen, denn morgen sind wir tot!“, das ist der direkte Weg ins Aus und den Untergang. Wenn wir aber das Leben und den, der es uns gab, lieben und ernst nehmen, wird es der Weg zur Lebenserfüllung und Vollendung sein.

Darum würde ich auf einen Kalender schreiben: „Nimm das Leben und Gott, dich und die anderen, deine Herkunft und Zukunft, nimm Gottes Wort und seine Liebe ganz ernst, und du kommst immer lebend davon!“

„Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht!“

(I. Johannes 5,12)

Eine Summe Freude

„Wie mit den Lebenszeiten, so ist es auch mit den Tagen,
keiner ist uns gut genug, keiner ist ganz schön,
und jeder hat, wo nicht seine Plage, doch seine Unvollkommenheiten.
Aber rechne sie zusammen, so kommt eine Summe Freude und Leben heraus!“
(Friedrich Hölderlin)

Ein Trost des Alters besteht darin, dass wir uns auf die Summe Freude unseres Lebens besinnen: auf die vielen erfüllten Tage, Begegnungen, Erfahrungen, das bewusst Genossene und das tapfer Erlittene, was gelungen ist und wir geschafft haben, wo wir aus Fehlern gelernt und am Scheitern gereift sind. Nichts, was ein Leben wirklich ausmacht, hat gefehlt, Lachen und Weinen, Erfüllung und Enttäuschung, Gewinnen und Verlieren, Freude und Leid, Hoffen und Bangen, Sich-Finden und Sich-Trennen, Stärke und Schwäche, Jugend und Alter, Gesundheit und Krankheit, Gemeinsamkeit und Einsamkeit. All das hat es in meinem Leben gegeben und gehört nun zu meiner Geschichte. Und in allem war Gottes Gegenwart zu erfahren, zu glauben, zu bewahren.
Zu dem Trost des richtig gelebten Lebens kommt dann noch die Hoffnung auf eine letzte Erfüllung des Lebens in Ewigkeit. So hat das Alter einen doppelten Trost: richtig leben vor dem Tod und ewig leben nach dem Tod. Und beides aus Gottes großer Güte.
Denn das Bitterste am Sterben wäre, nicht richtig gelebt zu haben und nicht ewig leben zu können!

Gott, du hast mich von Jugend auf gelehrt, und noch jetzt verkündige ich deine Wunder. Auch im Alter, Gott, verlass mich nicht, und wenn ich grau werde.
Psalm 71,17f