Bild des Lebens

Es war einmal ein kleiner Junge, der wollte das Leben malen. Er nahm das Braun der Erde und das Blau des Himmels, brachte das Grün der Bäume und die Buntheit des Sommers dazu, malte das Gold eines Herbstes und die weiße Ruhe des Winters, vermischte sie mit dem betörenden Duft des Frühlings, schüttete die Pracht der Sonne darüber aus und ließ es von den Geheimnissen der Winde durchwehen. So malte er ein Bild des Lebens, das er liebte.

Das Bild atmete Freude aus. Es tönte wie ein herzhaftes Lachen, schmeckte nach Glück und fasste sich an wie Wahrheit. Der Junge fand sein Bild so schön und lebendig, dass er es Gott schenken wollte. Gott lächelte, als er das Bild sah. "Mein Junge, dein Bild ist wunderbar. Ich will dir helfen, dass es vollkommen wird." Und Gott schenkte ihm den Glauben.

Da verwandelte sich das Bild des Jungen. Er malte die Glut der Hingabe, das Feuer der Jesusliebe, die Begeisterung von Gott in das Bild. Es behielt die Freude, wurde aber tiefer und reifer, bekam einen überirdischen Glanz und reichte in die letzten Geheimnisse des Lebens hinein. Der Junge wurde zum Mann, und wieder legte er Gott sein Lebensbild hin.

Gott nickte zustimmend, aber er gab ihm das Bild zurück und schenkte ihm das Leid. Da tupfte der Mann auf das Meer der Freude die Tränen von Menschen, malte an den wunderbar bunten Regenbogen einen kleinen schwarzen Rand, zeichnete in die grünen Hoffnungsbäume den Trauerflor, mischte mitten in den bunten Sommer die Kränkungen und Verwundungen seines Herzens, fügte zur Sonne der Liebe die Nacht des Leides, ergänzte Wonne mit Qual und Lachen mit Weinen. Das Bild wurde durch die Töne der Schwermut und Trauer noch echter und schöner.

Still ging der Mann zu Gott. "Herr, nimm mein Bild, ich habe es mit Herzblut und Schmerzen gemalt." Gott sah ihn gütig an "Ich habe noch ein letztes Geschenk für dich, das schwerste." Und er schenkte ihm die Einsamkeit.

Noch einmal wandelte sich das Bild. Es wurde stiller. Alles Aufgeregte, Schreiende wurde gemildert. Sanfte, einfache, demütige Farben begannen zu leuchten. Menschenstimmen, Zeitgeister, Tagesformen wurden umgestaltet in ruhige Worte des Lebens, Weisheit des Himmels und Sehnsucht nach Ewigkeit. Nun erst konnte man den ganzen Zauber des Lebens erkennen. Da nahm Gott das Bild zu sich und sprach: "Nun ist es ausgereift. Wir werden es in meinem Reich zum ewigen Leben erwecken."

"Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unsres Herrn und Heilands Jesus Christus!"

(2. Petrus 3,18)

Überzeugende Fragen

Eine alte englische Legende erzählt, dass die ersten christlichen Missionare, die in England das Evangelium verkündigen wollten, beim König um Erlaubnis zum Predigen nachsuchen mussten. Der König versammelte seine Ratgeber in der Königshalle. Beim offenen Feuer unterhielten sich die Weisen bis tief in die Nacht. Da kam aus der Dunkelheit ein Vogel in die Halle geflogen, flatterte eine Weile unter der Decke des Thronsaales umher und flog auf der anderen Seite wieder hinaus in die Nacht. Einer der Ratgeber fragte den König: "War das nicht ein Zeichen des Himmels? So geht es doch mit uns Menschen. Aus der Dunkelheit kommen wir in die Halle des Lebens, fliegen eine Zeitlang darin herum und fliegen wieder hinaus in die Nacht. Woher kommen wir? Wozu leben wir? Wohin gehen wir? Das sind die drei großen Fragen des Lebens. Wenn uns die fremden Männer darauf gute Antworten geben können, sollten wir sie hören!"

Das Leben beginnt nicht mit einfachen Antworten, sondern mit überzeugenden Fragen. Solange Menschen leben, werden sie diese drei Fragen nicht los, die Frage nach der Herkunft, dem Sinn und der Zukunft des Menschen. Das sind überzeugende Fragen. Und genau darauf gibt uns die Bibel wunderbare Antworten.

Ich komme von Gott, bin sein Gegenüber und Partner auf Erden, bin von ihm gewollt und geliebt und zu ihm hin geschaffen. Darum ist der Sinn meines Lebens, diese Gemeinschaft mit Gott zu finden und auszuleben. Ich bin dafür ins Leben gekommen, um zu Gott hin zu wachsen und zu reifen. Die Beziehung zu Gott, die hier im Glauben und Beten beginnt, soll einmal vollendet werden. Darum gehe ich als Christ nicht in die Nacht, sondern durch die enge Tür des Todes in das ewige Leben zu Gott. Von Gott, für Gott, zu Gott sind die großen Antworten auf die überzeugenden Fragen des Menschen.

"In seiner Liebe hat Gott uns dazu verordnet, dass wir seine Kinder seien durch Jesus Christus!"

(Epheser 1,5)

Aber

Das traurige Aber ist wie ein dunkler Schatten über dem Leben. Wir haben viel gewollt, aber wenig gehofft. Wir haben fröhlich geschafft, aber sind bitter enttäuscht. Wir haben selig geträumt, aber sind erschrocken aufgewacht. Wir haben das Glück gesucht, aber das Leid gefunden. Wir haben riesige Pläne gemacht, aber manche Pleiten erlebt. Wir sind weit gefahren, aber in die Enge geraten. Wir haben hoch gebaut, aber sind tief gefallen. Wir nahmen wichtige Ziele ins Auge, aber blieben mit nichtigen Dingen zurück. Wir haben den Wohlstand geschafft, aber das Unwohlsein hat uns geschafft. Wir haben die Köpfe voll, aber die Herzen sind leer. Wir nahmen viele Sachen in die Hand, aber der Hunger nach Leben blieb ungestillt. Wir wollten den Frieden, aber der Streit hörte nicht auf. Wir schrien unsere Sehnsucht nach Liebe heraus, aber die Einsamkeit holte uns wieder ein. Wir hatten den Lebenswillen, aber machten die Sterbenserfahrung. – Das wehmütige, traurige Aber ist wie ein dunkler Schatten über uns.

Das trotzige Aber ist der vergebliche Versuch, dem Schatten zu entkommen. Eigentlich müßte ich anders leben, aber ich will es nicht. Im Grunde müßte ich mich umdrehen, aber ich renne einfach weiter. Letztlich bräuchte ich einen Bezugspunkt über mich hinaus, aber ich bleibe bei mir stehen. Eigentlich müßte ich meinen Konkurs eingestehen, aber ich wirtschafte immer weiter. Tief innen weiß ich, daß ich Gott brauche, aber ich suche die Lebenserfüllung bei Menschen. Das trotzige Aber ist die verzweifelte und vergebliche Flucht vor dem eigenen Schatten.

Das tröstliche Aber ist die sichere Flucht nach vorn, ganz nach vorn. Ich habe viel verloren, aber ich bin von Gottes Liebe gefunden. Angst und Enge bedrücken mich, aber Jesu Liebe führt mich in die Weite der Hoffnung. Krankheit macht mir das Leben schwer, aber sein Heil macht mir Mut. Einsamkeit überall, aber sie treibt mich nur mehr zu Jesus. Trübe Aussichten für die Zukunft, aber ich sehe das helle Licht der Verheißungen Gottes. Tausendmal Schwäche in mir, abertausendmal Kraft in Jesus. Tief verstrickt in Sorgen und Sünden, aber wunderbar befreit von Gottes Hand. Schmerzlich gefangen in Netzen von Schuld und Schicksal, herrlich aufgefangen im Netz seiner Barmherzigkeit. Sterbend schon im Leben, aber auferstehend im Glauben. Durch die Enge des Todes ganz sicher, aber zu einem neuen Leben ganz gewiß. Das tröstliche Aber ist die mutige Flucht nach vorn, nach ganz vorn zu Gott, zum Leben, zur Vollendung.

"Ich aber Herr hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott! Meine Zeit steht in deinen Händen!"

(Psalm 31,15f)

Die Weisheit von oben

Der Priester Klemens Maria Hofbauer wurde der Apostel Wiens genannt. Besonders bekannt wurde er durch seine große Liebe zu den Armen. Für sie tat er alles. Selbstlos bettelte er sich das Geld zusammen, das er für die Notleidenden brauchte. Eines Abends ging er wieder in eine Gaststätte. Tisch für Tisch sprach er die Gäste freundlich an und bat um eine kleine Gabe für die Armen. Dabei geriet er an einen groben Menschen, der alles hasste, was mit der Kirche zu tun hatte. Der schrie ihn an: "Wie kommen Sie dazu, mich um Geld zu bitten?" Und er spuckte dem Priester verächtlich ins Gesicht. Der zog ruhig sein Taschentuch heraus, wischte sich das Gesicht sauber und wandte sich dann ganz freundlich noch einmal an den Mann: "Das war für mich. Aber nun geben Sie mir doch bitte noch etwas für die Armen!" Dabei hielt er ihm erneut den Hut hin. Der Gast soll von dem Priester so beeindruckt gewesen sein, dass er ihm den ganzen Inhalt seiner Geldbörse in den Hut schüttete.

"Die Weisheit aber von oben her ist aufs erste lauter danach friedsam, und gelinde, lässt sich etwas sagen, voller Barmherzigkeit!"

(Jakobus 3,17)

Unsere Zuflucht

Im November 1938 brannte in der sogenannten Kristallnacht auch in Essen die Synagoge. Rassenhaß und Rassenwahn hatte sie in Brand gesteckt. Sie brannte völlig aus, und die schwarz verkohlten Mauerreste blieben als stumme Zeugen von Hass und Gemeinheit zurück.

Sieben Jahre später, im Frühjahr 1945, brannte die ganze Stadt. Die Bomben der feindlichen Flieger hatten die Stadt in ein einziges Flammeninferno verwandelt. Menschen rannten, schrieen um ihr Leben. Tausende verbrannten in den Häusern und auf den Straßen. Einige Menschen besannen sich auf die ausgebrannte Synagoge und flüchteten in die verkohlten Mauerreste. Sie blieben bewahrt. Denn dort gab es nichts mehr zu brennen. Schon einmal hatte hier das Feuer gelodert und sich ausgetobt. Nun wurde der Ort zur Rettung für die Menschen, die sich dorthin geflüchtet hatten. Der Ort ihrer Schuld wurde zum Ort der Bewahrung.

Nehmen wir Zuflucht zu Gott, so verwandelt sich der lodernde Zorn Gottes in das Feuer der Liebe. Wir bleiben trotz unserer Schuld bewahrt, weil sich der Zorn Gottes an einem anderen ausgebrannt hat. Das Kreuz Jesu ist der Ort, wo unsere Schuld offenbar, aber auch die Rettung möglich ist. Nehmen wir Zuflucht zum Kreuz Jesu, so bleiben wir in seiner Liebe geborgen und gerettet. Dort, wo Jesus für unsere Schuld verbrennt, bleiben wir dann bewahrt. Welch eine Liebe Gottes!

(Nach Wilhelm Busch)

"Herr du bist unsre Zuflucht für und für!"

(Psalm 90,1)

Wo liegt die Sünde?

Luther hat einmal gesagt: "Die Sünde hat nur zwei Orte, wo sie ist. Entweder ist sie bei dir, dass sie dir auf dem Halse liegt. Oder sie liegt auf Christus, dem Lamm Gottes. Wenn sie nun dir auf dem Rücken liegt, so bist du verloren. Wenn sie aber auf Christus ruht, so bist du frei und wirst selig,"

Wo liegt die Sünde? Liegt sie wie ein schweres Joch auf unseren Schultern, wird sie uns wundreiben und drücken, verletzen und weh tun. Darum lädt Jesus uns ein, das Joch der Sünde mit seinem sanften Joch der Liebe zu tauschen. Gegen die Last der Sünde ist die Last Jesu leicht und heilsam. Mit Jesus in einem Joch gehen bedeutet aufleben und frei werden. Mit der Sünde in einem Joch können wir nur scheitern, zerbrechen und verloren gehen.

Wo liegt die Sünde? Bindet sie uns fest und schnürt sie uns ein, werden wir immer mehr zu Sklaven unserer eigenen Gedanken und Begierden. Die Bande der Sünde sehen auf den ersten Blick wie ein Geländer in das Land des Abenteuers aus. Aber dann legen sie sich mit unerbittlichen Zwängen und Bindungen um unsere Existenz und schnüren uns den Lebensatem ab. Darum lädt uns Jesus ein, die Bande der Sünde mit den Banden seiner Liebe zu tauschen. Die Liebe Jesu ist ein starkes Band, das keine Gewalt oder Macht, kein Schicksal oder Tod zerreißen kann. Viele Menschen scheuen die Bande der Liebe, die Bindung des Glaubens, die Verbindlichkeit des Gehorsams, sie wollen frei und unabhängig sein. Aber die Freiheit von Jesus bedeutet immer die Sklaverei der Sünde. Nur in der Bindung an Jesus, nur in den Banden der Liebe ist wirkliche Freiheit.

Wo liegt die Sünde? Liegt sie wie ein immer dichter werdendes Netz auf uns, so dass wir uns tief in sie hineinverstricken? Das Netz der Sünde fängt Menschen ein. Verzweifelt wehren sie sich gegen die Einengung. Aber je mehr sie strampeln, desto mehr werden sie sich verstricken und festbinden. Das Netz der Sünde ist ein Netz des Todes. Keiner kommt da aus eigenen Kräften heraus. Wir sind gefangen. Darum lädt uns Jesus ein, das Netz der Sünde mit dem Netz seiner Liebe zu tauschen. Die Liebe Jesu ist wie ein Netz, das uns nicht gefangen nimmt und einschnürt, sondern, das uns auffängt und vor dem Absturz bewahrt. Lassen wir uns fallen in die Liebe Jesu. Er fängt uns auf. Er bindet uns an sein Heil, er teilt mit uns das Joch, damit wir geschont und bewahrt und am Ende selig werden.

"Der Herr ward meine Zuversicht. Er führte mich hinaus ins Weite!"

(Psalm 18,19f)

"Gut, Vater!"

Hoch oben in den Schweizer Bergen tummeln sich Tausende von Skifahrern. Sie genießen den Schnee und die Sonne, die Bewegung und das Treiben. Plötzlich schauen alle auf einen Abfahrer: ein Vater auf seinen Skiern, hinter ihm sein kleiner Junge. Die Arme um die Beine des Vaters geschlungen, sausen sie zu zweit den Hang hinab. Der Junge hält sich fest und jubelt laut voller Vergnügen: "Gut, Vater, gut, Vater, gut, Vater!"

Der Junge kann die Fahrt weder steuern noch bremsen, aber er hat blindes, kindliches Vertrauen in das Geschick und Können seines Vaters. So kann er die rasante Fahrt genießen und dabei voller Freude juchzen.

Wenn wir auf der Fahrt unseres Lebens ein solches Vertrauen zu Gott, unserem Vater, haben könnten. Er bringt uns ganz sicher ans Ziel. Warum haben wir so viel Angst und machen uns so viele Sorgen, grämen und bekümmern uns. So werden die Tage quälend und kümmerlich, die Seelen von Sorgen und Ängsten zermürbt. Gott hat alle Dinge fest in der Hand, auch die Geschichte und Geschicke unseres Lebens. Je mehr wir mit Gott vertraut werden, desto mehr werden wir ihm vertrauen.

,Wirf dein Herz voraus. Gott fängt es behutsam auf und wartet auf deine Füße!"

(Kyrilla Spiecker)

Die Suche nach dem Senfkorn

Eine chinesische Legende erzählt von einer Frau, die über den Tod ihres Sohnes so bekümmert war, dass sie sich keinen Rat mehr wusste. So ging sie zu einem heiligen Mann und fragte ihn: Welche Gebete kennst du, um meinen Sohn wieder zum Leben zu erwecken?" Er sagte zu ihr: "Bringe mir ein Senfkorn aus einem Hause, das niemals Leid kennen gelernt hat. Damit werden wir den Kummer aus deinem Leben vertreiben!" Die Frau machte sich auf die Suche nach dem besonderen Senfkorn. Sie kam an ein prächtiges Haus, klopfte und brachte ihre Bitte vor: "Ich suche ein Haus, das niemals Leid erfahren hat, ist hier nicht der richtige Ort? Es ist sehr wichtig für mich!" Aber die Bewohner des schönsten Hauses erzählten all das Unglück, das sich gerade bei ihnen ereignet hatte. Die Frau dachte bei sich: "Wer kann diesen unglücklichen Menschen besser helfen als ich, der ich auch so tief in Not geraten bin!" Sie blieb und tröstete. Dann suchte sie weiter ein Haus ohne Leid. Aber wohin sie sich auch wandte, kleine Hütten, riesige Paläste, überall begegnete ihr Leid. Schließlich beschäftigte sie sich nur noch mit dem Leid anderer Leute, so dass sie ganz die Suche nach dem Senfkorn vergaß, ohne dass ihr bewusst wurde, dass sie auf diese Weise tatsächlich den Schmerz aus ihrem Leben verbannt hatte.

"Ihre Wege habe ich gesehen, aber ich will sie heilen und sie leiten und ihnen wieder Trost geben; und denen, die da Leid tragen, will ich Frucht der Lippen schaffen!" spricht Gott, der Herr!"

(Jesaja 57,18f)

Der weinende Engel

Es war einmal eine Frau, die war böse, sehr böse und starb. Sie hinterließ nicht eine einzige Spur einer guten Tat. Sie wurde von den Teufeln ergriffen und in den Feuersee geworfen. Aber ihr Schutzengel stand da und dachte darüber nach: Könnte ich mich nur dessen erinnern, dass sie irgend etwas Gutes getan hat, so dass ich es Gott sagen könnte. Es fiel ihm etwas ein, und er sprach zu Gott: "Sie hat in ihrem Gemüsegarten eine kleine Zwiebelpflanze ausgerissen und sie einer Bettlerin geschenkt!‘ Und Gott antwortete ihm: "Nimm diese kleine Zwiebelpflanze und reiche sie ihr zum See hinab, die mag sie anpacken und sich daran herausziehen. Und wenn du sie aus dem See herauszuziehen vermagst, so mag sie ins Paradies eingehen. Wenn aber das Zwiebelkraut abreißt, so soll die Frau bleiben, wo sie sich jetzt befindet." – Der Engel lief zu der Frau, reichte ihr die kleine Zwiebelpflanze hin und sagte: "Da, Frau, fass an und zieh dich daran heraus." Und er fing an, sie vorsichtig an sich heranzuziehen. Und beinahe hätte er sie herausgezogen. Aber als die übrigen Sünder in dem See sahen, dass man jene herauszog, da hängten sich alle an sie, damit sie zugleich mit ihr herausgezogen würden. Die Frau aber wurde böse und begann mit den Füßen nach ihnen zu treten. "Ich soll herausgezogen werden und nicht ihr, es ist mein Zwiebelchen und nicht eures." Sowie sie das ausgesprochen hatte, riss das Zwiebelkraut ab. Die Frau fiel in den See zurück, und da brennt sie bis auf den heutigen Tag. Der Engel aber fing an zu weinen und ging fort.

(Fjodor Dostojewski)

Solange Menschen am Bösen festhalten, wird Trauer sein bei Gott und seinen Engeln. Aber Jesus sagt: "Es wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut" (Lukas 15,10).

Der Schatten

Ein Mann wollte seinen Schatten loswerden. Aber vergebens. Was er auch anstellte, es gelang ihm nicht. Er lief vor dem Schatten davon, aber er konnte ihn nicht abschütteln. Er wälzte sich auf dem Boden, der Schatten blieb. Er versuchte, über seinen Schatten zu springen. Alles vergeblich. Da meinte ein weiser Mann, der von ihm hörte: "Das wäre doch ganz einfach gewesen, den Schatten loszuwerden!" "Wieso einfach?" fragten die Umstehenden neugierig. Was hätte er denn machen sollen, um seinen Schatten loszuwerden?" Der weise Mann gab zur Antwort: "Er hätte sich nur in den Schatten eines starken Baumes stellen müssen. Da wäre sein Schatten aufgehoben!"

Den Schatten des Lebens, den wir werfen, wenn Gottes Licht uns anleuchtet, werden wir nicht los. Wir können laufen, wohin wir wollen. Immer ist der dunkle Schatten unserer Lebensschuld vor uns. Wir können nicht über die tiefen Schatten unseres Schicksals springen, Unsere Geschichte und Geschicke holen uns immer wieder ein. Wir werden den Schatten nicht los. Und doch gibt es auch für uns eine einfache Lösung. Im Schatten des Kreuzes ist unser Schatten weg und aufgesogen. Im Leiden Jesu ist unsere Schuld weggetragen. Im Sterben Jesu ist auch unser Schicksal mit gelöst und überwunden. Wir brauchen einen starken Herrn, der sich vor uns stellt, damit wir in seinem Schatten geborgen und befreit leben können.

"Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dein Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe!"

(Psalm 91,1f)