Gebet eines älter werdenden Menschen

O Herr, du weißt besser als ich, dass ich von Tag zu Tag älter werde – und eines Tages alt.
Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen.
Erlöse mich von der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich, nachdenklich – aber nicht grüblerisch, hilfreich – aber nicht diktatorisch zu sein.
Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheit erscheint es mir oft schade, sie nicht weiter zu geben. Aber du verstehst, o Herr, dass ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.
Bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr. Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, mir Krankheitsberichte anderer mit Freude anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen.
Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich. Ich möchte kein Heiliger sein – mit ihnen lebt es sich so schwer – , aber ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.
Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken – und verleihe mir, o Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.
(Teresa von Avila 1515-1582)

„Graue Haare sind eine Krone der Ehre; auf dem Weg der Gerechtigkeit wird sie gefunden. Ein Geduldiger ist besser als ein Starker und wer sich selbst beherrscht, besser als einer, der Städte gewinnt!“
(Sprüche 16,31f)

Aus Axel Kühner: „Zuversicht für jeden Tag“
Aussaat-Verlag, Neukirchen-Vluyn – ISBN 3-76-15-5083-9

Vertrauen

Vertrauen heißt:

Nichts sehen …
und doch wissen, Gott ist da.

Nichts hören …
und doch wissen, Gott redet.

Nichts fühlen …
und doch wissen, Gott liebt mich.

Nichts verstehen …
und doch wissen, Gott macht keine Fehler.

Nichts erkennen …
und doch wissen, Gott führt vollkommene Wege.

Nichts mehr glauben können …
und doch wissen, Gott und sein Wort sind wahr –
und unveränderlich

Anita Hallemann

Aus Dunkelheit zum Licht

Als sie das Licht der Welt erblickte, nannten ihre Eltern sie Klara, die „Leuchtende“. Mit der älteren Schwester und zwei Brüdern wuchs sie auf dem elterlichen Gutshof im Osten auf. Schon als Kind half sie zuhause fleissig mit. Ganz stolz war sie auf ihren Vater, der auch Bürgermeister des Ortes war.
Um so mehr traf es ihr Herz, als SS-Leute den Vater eines Tages verhafteten und brutal misshandelt ins Gefängnis sperrten, weil er heimlich Juden auf dem Hof versteckt hatte. Klara hat ihren Vater nie mehr wiedergesehen.
Mitten in den dunklen Jahren des 2. Weltkrieges fand Klara das Glück der jungen Liebe. Und als sie dann zusammen mit ihrem Mann die gemeinsame Tochter im Arm hielten, schien alles so wunderbar hell und restlos glücklich. Doch nur einmal konnte der Vater sein kleines Mädchen sehen, dann musste er wieder an die Front, in das dunkle Elend des Krieges, in dem sich seine Spur verlor. Klara hat auch ihren Mann nie wiedergesehen.
Nach dem Verlust von Vater und Mann musste Klara dann auch noch ihre Heimat verlassen. Vor den einmarschierenden Russen flüchtete sie mit ihrer 2-jährigen Tochter in den Westen.
Alles hatte sie nun hergeben müssen. Bettelarm, mit leeren Händen und einem tief verwundeten Herzen war alles „Leuchtende“ in den dunklen Sorgen und düsteren Aussichten untergegangen. Da entdeckte sie in der Liebe und Fürsorge Gottes ein ganz neues Licht. Dieser Liebe schenkte sie ihr Herz und fand eine tiefe Geborgenheit. Ihr Herz heilte langsam aus und begann wieder zu leuchten.
Und Gott liess sie erkennen, dass andere Menschen noch ärmer dran waren als sie. So nähte sie – man nannte sie deshalb auch liebevoll die „Puschenfrau“ – Puschen für die Füße derer, die keine Schuhe hatten. Klara besuchte die Bewohner eines Blindenheimes und brachte mit ihrer Fürsorge etwas Licht in die Welt der Nichtsehenden. Sie packte und verschickte unzählige Pakete und Päckchen an Menschen in Not, versorgte, betreute und förderte über viele Jahre eine Gruppe schwerstbehinderter Kinder und Jugendlicher in einem Behindertenheim.
Sie war nur eine kleine Frau, aber von der Liebe Jesu angeregt, war sie gross in der Treue und stark in ihrer Sorge für die Schwachen. So leuchtete aus ihrem Leben trotz aller Dunkelheiten, durch die sie gehen musste, die Erfahrung, dass die Liebe Jesu birgt und heilt, versöhnt und gebraucht und dass Gott auch für sie selbst und für ihre Tochter sorgt.
Klara ist nun selbst sehr pflegebedürftig geworden und liegt schon über 10 Jahre – von der Alzheimer Krankheit gezeichnet – hilflos in einem Gitterbett. Sie wird gefüttert, gewindelt, liebevoll versorgt und betreut. Und obwohl alles „Leuchtende“ erloschen scheint, wird Jesus Christus, dessen Liebe, Fürsorge und Vergebung sie erfahren hat, Klara eines Tages heimholen zu sich in sein ewiges Reich. Dort wird Gott ihre Tränen trocknen. Leid und Krankheit, Krieg und Verlust werden überwunden sein.

„Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich“ (Matthäus 13,43)

Wie ist das Sterben?

Ein schwerkranker Junge merkt, dass er nicht wieder gesund wird. Eines Tages fragt er seine Mutter: „Wie ist das Sterben?“ Die Mutter erklärt es ihm so: „Weißt du noch, als du klein warst, da bist du oft so herumgetobt, dass du abends viel zu müde warst, um dich auszuziehen. Du bist einfach umgesunken und eingeschlafen. Am nächsten Morgen aber warst du in deinem Zimmer und deinem Bett. Jemand, der dich sehr lieb hat, hatte sich um dich gekümmert. Dein Vater war gekommen und hatte dich auf seinen starken Armen hinübergetragen. So ist das Sterben. Eines Morgens wachen wir zu einem neuen Tag auf. Denn Jesus hat uns mit seinen starken Armen hinüber-getragen, weil er uns sehr lieb hat.“ – Der Junge wusste nun, dass sein Vater im Himmel ihn mit Liebe erwartet zu einem neuen Leben. Und so ist er einige Wochen später zu ihm gegangen.

Wer sich an Jesus hält und sein ganzes Leben in seine Hand legt, darf wissen, dass auch sein Sterben und seine Zukunft in seinen starken Armen ruhen.

Aus Axel Kühner „Voller Hoffnung“
Aussaat-Verlag; Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-5327-7

Wenn wir am Ende sind

Wo Menschenwege enden,
fängt Gottes Weg erst an.
Der alle Wege wenden
und Welten lenken kann.

Wo Menschenmacht entschwindet,
erst Gottes Macht beginnt,
der seine Kraft entbindet,
wo unsere Kraft zerrinnt.

Er kann sein Machtwort sprechen
erst in der tiefsten Not,
wenn alles zu zerbrechen
und zu versinken droht.

Erst wenn wir ganz verloren
Und arm und hilflos steh`n,
zu uns aus Gottes Toren
die Engel Gottes geh`n.

Wie Nebel muss zerrinnen,
was uns voll Trug umspinnt:
Gott kann erst dort beginnen,
wo wir am Ende sind.

Aus Fritz Woike „Was bist du, Mensch?“

Wege aus der Ausweglosigkeit

„Komme, was mag! Gott ist mächtig! Wenn unsere Tage verdunkelt sind und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte, so wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine große segnende Kraft gibt, die Gott heißt. Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen. Er will das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln – zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit. Amen“
(Martin Luther King)

„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und Besonnenheit,“ (2. Timotheus 1,7)

Aus Axel Kühner „Zuversicht für jeden Tag“
Aussaat-Verlag, Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-5083-9

Was ist Sterben?

„Was ist Sterben?“ fragte eine krebskranke Frau ihre Ärztin. Sie antwortete mit einem Bild. „Denken wir an ein Hühnerei, in dem ein kleines Küken fröhlich heranwächst. Es ist darin geborgen und sicher. Das Küken fühlt sich wohl und hat alles, was es zum Leben braucht. Wenn es dann ausgewachsen ist, bekommt es plötzlich Angst. Der Raum wird eng, der Blutdruck steigt. Atemnot setzt ein. Die Raumverdrängung reicht nicht aus, die Eihülle zu sprengen. Das Küken mag angstvoll denken: „Was wird aus mir? Ich muss sterben!“. Das Küken hat Augen und kann nicht sehen. Es hat einen Schnabel und kann nicht fressen. Es hat Flügel und kann nicht fliegen. So denkt es verzweifelt, sein Leben sei nun vorüber und alles aus, sinnlos und vorbei. Da wächst ihm auf dem Schnäbelchen ein kleine Säge, die nur dafür bestimmt ist, die Eischale aufzubrechen. Das Küken benutzt die Säge. Die Eihülle zerbricht, das Küken wird frei und beginnt nun eine neue Stufe des Lebens.

So ist es auch mit unserem Leben. Wir brauchen uns nicht zu fürchten, wenn die Schale der Geborgenheit und Enge zerbricht. Mit Jesus gehen wir in eine neue Stufe des Lebens. Wir wissen jetzt noch nicht, wie es sein wird. Wir spüren die Enge des Todes und fürchten, dass alles aus und vorbei sein könnte. Da kann uns eine kleine Säge zuwachsen, das ist der Glaube an Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das ewige Leben für uns aufgeschlossen hat. Mit diesem Glauben werden wir die Grenze durchbrechen und in ein neues Leben gehen können. Auf uns wartet im Glauben nicht die Enge des Todes, sondern die Freiheit des Lebens.

„Endlich frei, endlich frei. Ich danke Gott. Ich bin endlich frei – endlich frei.“
(Diese Worte bestimmte Dr. Martin Luther King für seinen Grabstein

Aus Axel Kühner: „Überlebensgeschichten für jeden Tag“
Aussaat-Verlag, Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-1612-6

Warum lässt Gott das zu?

Warum lässt Gott das zu, dass die Sonne über alle Menschen ihr Licht verströmt, dass der Regen die Erde feuchtet, dass Pflanzen aufwachsen und Blumen blühen, dass Bäume leben und Früchte bringen, dass Vögel und Insekten durch die Luft schwirren, Fische das Wasser beleben und Menschen und Tiere die Erde bevölkern?

Warum lässt Gott das zu, dass Mann und Frau sich in der Liebe erkennen, dass Kinder geboren und groß werden, dass Augen sehen, Ohren hören, Hände tasten und Menschen miteinander sprechen können?

Warum lässt Gott das zu, dass Menschen denken und arbeiten, ruhen und spielen, lieben und lachen, laufen und leben können, dass sie Bilder malen und anschauen, Musik machen und anhören, Bücher schreiben und lesen, Häuser bauen und bewohnen können?

Warum lässt Gott das zu, dass es Jahreszeiten und Festzeiten, Saat und Ernte, Himmel und Erde, Land und Meer, Berge und Täler, Flüsse und Meere, Wege und Ziele gibt?

Warum lässt Gott das zu, dass wir atmen und essen, singen und tanzen, nehmen und geben, festhalten und loslassen, forschen und erkennen, planen und aufbauen können?

Warum lässt Gott das zu, dass die Erde von der Sonne so weit entfernt ist, dass das Leben gewärmt, aber nicht verbrannt wird, dass sich die Erde um sich selber dreht, damit Tag und Nacht, Licht und Dunkel entstehen, dass die Erdachse um 23 Grad geneigt ist, damit es vier Jahreszeiten gibt?

Warum lässt Gott das zu, dass Menschen zu ihm kommen, mit ihm reden, unter sei-ner Obhut Zuflucht finden und für ihre Sünde Vergebung erlangen können?

Warum lässt Gott das zu, dass sein Sohn Jesus Christus für uns lebt, leidet, stirbt, aufersteht und wiederkommt, damit wir nach einem erfüllten Leben hier an einem ewigen Leben dort mit Gott teilhaben dürfen?

Warum lässt Gott das zu? Weil er es gut meint!

Aus Axel Kühner: „Voller Hoffnung“
Aussaat-Verlag; Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-5327-7

Von guten Mächten treu und still umgeben

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Noch will das alte unsere Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last,
ach Herr, gib unsern aufgescheuchten Seelen
das Heil, für das Du uns bereitet hast.

Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann woll´n wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört Dir unser Leben ganz.

Lass warm und still die Kerzen heute flammen,
die Du in unsere Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Dietrich Bonhoeffer

Chr. Kaiser-Verlag, München