Königlich, gelassen

Man nennt den Löwen den König der Tiere. Einen solchen König der Tiere sah ich in einem Schaufenster auf einem Riesenplakat abgebildet, einen majestätisch daliegenden Löwen. Darüber stand in großen Buchstaben als Werbung für eine Bekleidungsfirma: "Königlich gelassen in Kleidung von…".

Es ist unbestreitbar, dass gutsitzende Kleidung etwas Selbstvertrauen gibt. Aber nur durch die richtige Kleidung kommt noch nicht die königliche Gelassenheit in unser Leben. Ein Mann, der vor einer schweren Prüfung steht, wird im guten Anzug nicht gelassener. Eine Frau, die im Wartezimmer des Arztes auf den Befund der Untersuchung wartet, macht auch das beste Kleid nicht gelassen.

Die Botschaft des Advent heißt: "Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer!" (Sacharja 9,9). Jesus Christus kommt zu uns. Sein Königtum ist die Macht der Liebe. Seine Herrschaft ist nicht auf Waffen und Gewalt, sondern auf Hingabe und Opfer gegründet. Dieser König möchte uns einhüllen in den Mantel seiner Barmherzigkeit, möchte uns schmücken mit den Kleidern der Freude. Wenn wir über dem Kommen Jesu in unser Leben, über dem Zuspruch seiner Hilfe froh und geborgen werden, können wir königlich gelassen sein. Königlich gelassen in der Kleidung von Gott mitten im Trubel einer Adventszeit, mitten in den Wirren des Lebens und den Ängsten der Welt.

Adventszeit ist die Zeit, in der wir uns auf das Kommen Jesu besinnen, unser Leben aufschließen und den König Jesus mit seiner Hilfe hereinbitten. Und indem wir den König empfangen, werden wir auch königlich gelassen. Denn er hat unser Leben in der Hand, die Vergangenheit, die uns noch Not bereitet, den heutigen Tag, der uns herausfordert, und die Zukunft, vor der wir uns sorgenvoll ängstigen. Königlich gelassen sind wir bei Jesus.

O wohl dem Land, o wohl der Stadt,
so diesen König bei sich hat.
Wohl allen Herzen insgemein,
da dieser König ziehet ein.
Er ist die rechte Freudensonn,
bringt mit sich lauter Freud und Wonn.
Gelobet sei mein Gott,
mein Tröster früh und spat.

(Georg Weißel)

Der König kommt

Mit dem 1. Advent beginnt ein neues Kirchenjahr. Das Kalenderjahr beginnt in einer lauten Nacht, mit rauschenden Festen, leuchtenden Raketen, Lärm und Getöse, Krach und Alkohol. Das Kirchenjahr beginnt still und ruhig. Glocken laden ein zum Gottesdienst. Es brennt nur eine Kerze, und es kommt nur eine kleine Schar. Aber die Botschaft ist gewaltig: "Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer!"

Am 1. Januar ein Heidenlärm, aber auch eine Heidenangst. Bang fragen die Menschen: "Was kommt?" Unheimliche Fragen, keine Antworten. Niemand weiß, was kommt. Am 1. Advent nur ein Licht, aber eine große Hoffnung. Fröhlich reden wir davon, wer kommt, unser Erlöser kommt.

Der 1. Januar stellt uns in den Strom der Zeit und erinnert uns schmerzlich an die Vergänglichkeit. Der 1. Advent stellt uns in den Strom der Liebe Gottes und erinnert hoffnungsvoll an die Ewigkeit. Gottes Liebe leuchtet auf. Ihr heller Schein möchte in unseren dunklen Alltag eindringen, ihn verwandeln vom bangen Fragen in fröhliches Hoffen, von düsteren Ahnungen in glänzende Aussichten: Unser Retter kommt!

Wenn am 1. Januar ein Riesenkrach die Angst vor dem Kommenden vertreiben soll, können wir am 1. Advent Jesus und seine Liebe herzlich empfangen und an andere weitergeben? Wir wünschen uns eine Adventszeit, in der die Lichter von Freude und Liebe, Hoffnung und Geborgenheit unseren Alltag hell machen.

"Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer!"

(Sacharja 9,9)

Hoffnung

Wenn die bunten Sommerblumen verwelken, die reifen Herbstfrüchte gesammelt und die singenden Vögel abgeflogen sind, kommt der Winter mit seiner rauen Kälte und schweren Last. Die weiße Pracht von Schnee und Eis lässt vieles erstarren. Geduldig harren die Bäume unter den Schneemassen aus. Manchmal scheinen sie darunter zu zerbrechen. Hin und wieder bricht wohl auch ein morscher Ast unter der Belastung ab. Aber der Schnee kann den Baum nicht zu Boden zwingen. So schwer und so lange die Last auch drücken mag: Irgendwann wird die Frühlingssonne die Schneelast schmelzen. Und die Sonne wird mit ihrer Wärme die Last in Wohltat verwandeln. Das Schmelzwasser muss nun den Baum nähren und zum Wachsen bringen.

Gottes Liebe wird die Winterlasten unseres Lebens verwandeln in Frühlingshoffnung auf neues Leben und Reifen. Wenn Gottes Liebe aufleuchtet, muss selbst die Belastung eines Lebens noch zur Reifung führen.

"Gott, du hast uns geprüft und geläutert, du hast auf unsern Rücken eine Last gelegt. Aber du hast uns herausgeführt und uns erquickt!"

(Psalm 66,10-12)

Gute Früchte

Blätter am Baum haben ihre Bedeutung und einen Sinn. Aber das letzte Ziel eines Baumes ist die Frucht. Jede Verästelung und Entfaltung eines Lebens hat ihre Bedeutung und einen Sinn, aber das höchste Ziel des Lebens ist die Ausreifung zur Frucht für Gott.

Dass es in unserem Leben einmal Herbst wird, die Schönheit verwelkt, der Schmuck abfällt, der Lebensraum kahler und enger wird, ist eigentlich nicht traurig. Bedrückend aber wäre ein Herbst ohne Früchte und Ernte. Wenn ein Leben zur Neige geht und keine Frucht für Gott und sein Reich gewachsen ist, das wäre traurig.

Unter der Sonne der Liebe Gottes, durch das Wasser des Lebens Jesu, durch den Wind des Heiligen Geistes können in unserer Lebenszeit Glaubensfrüchte wachsen. Mit Paul Gerhardt singen wir:

Hilf mir und segne meinen Geist
mit Segen, der vom Himmel fleußt,
dass ich Dir stetig blühe;
gib, dass der Sommer Deiner Gnad
in meiner Seele früh und spat
viel Glaubensfrücht erziehe.

Die Bibel nennt als Glaubensfrüchte: "Liebe, Freude, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Sanftmut, Keuschheit!" (Galater 5,22).

Gott sucht an uns nicht große Lebenserfolge, herausragende Taten, imponierende Werke, sondern die Treue in kleinen Dingen. Nicht große Dinge müssen wir tun, aber viele kleine Aufgaben wollen wir ganz großartig erfüllen. Nicht durch Anstrengung und Willenskraft, wohl aber durch Hingabe und Vertrauen, Liebe und Geduld wachsen die Früchte des Heiligen Geistes aus einem Leben heraus. Und Gott hat Geduld mit seinen Bäumen, hegt und pflegt, liebt und beschneidet sie, damit sie ausreifen können zu einer letzten Frucht und Erfüllung.

Nichtig oder wichtig

Ein Blatt, vom Baum herabgeweht, deutet die Nichtigkeit und Vergänglichkeit des Menschen an. Was ist ein Blatt im Kosmos? Unsagbar klein. Was ist ein Mensch im Laufe der Geschichte? Undenkbar wenig. Und doch haben gerade die zarten Blätter eines Baumes eine große Bedeutung für das Leben. Ein einzelnes Blatt ist für sich nichts, aber am Baum angewachsen trägt ein Blatt zur Erhaltung des Lebens bei. Ein einzelner großer Baum produziert in einer Stunde zwei Gramm Sauerstoff und entzieht der Luft das giftige Kohlendioxid. Diese natürliche Fabrik erzeugt eine Luft, die etwa 100 Menschen am Leben erhält.

Könnten wir Menschen eine solche Aufgabe wahrnehmen: der geistigen Atmosphäre die Gifte und schädlichen Kräfte entziehen und ein Klima des Lebens schaffen? Können andere Menschen in unserer Nähe aufatmen? Setzen wir positive Kräfte und Lebensstoffe frei und binden negative Gedanken? Atmen wir den Geist des Lebens aus oder tödliche Gifte?

Ein einzelner Mensch ist nichts und Ausdruck der Ohnmacht und Nichtigkeit. Aber mit Gott und seiner Gemeinde zusammengewachsen hilft auch ein einzelnes Menschenleben mit, Gottes Schöpfung und Geschichte zu erhalten.

Im Frühling wird die kahle, nackte Erde mit einem wunderbaren Kleid aus Blättern geschmückt. Solcher Schmuck der Erde ist ein kleiner Ausdruck für die Schönheit und Herrlichkeit Gottes. Könnte unser Leben für einen kleinen Ausschnitt nackter Erdenwirklichkeit der Schmuck Gottes sein? Wäre unsere Liebe für etwas Staub und Dreck unter den Menschen der Mantel, der sorgsam bedeckt? Könnten wir für einen bloßgestellten Menschen, für ein hässliches Wort, für eine kahle Stelle des Lebens das schöne Kleid der Umhüllung sein?

Sauerstoff und Säuberung der Luft, Schmuck und Schönheit für die Erde sind die wichtigen Aufgaben der Blätter an den Bäumen. Mehr als Blätter am Baum Gottes, am Lebensbaum seiner Gemeinde, am Stammbaum seiner Geschichte können wir Menschen nicht sein. Dort sind wir keinesfalls nichtig, sondern wichtig!

Immer noch schenkend

Bäume

Gleichzeitig in die Höhe und in die Tiefe gewachsen. Ruhig geblieben. Fest im Erdreich gegründet. Stets noch nach allen Seiten die Arme ausgebreitet. Trotz der eigenen Verwundbarkeit den Stürmen getrotzt und den Frösten des Winters. Immer noch schenkend!

(Marie Hüsing)

Der Baum ist immer in Bewegung. Er ist voller Leben und Dynamik. Dabei ist er doch ruhig und fest gegründet. Er hat seinen verlässlichen Platz inne und wohnt still an seinem Ort, aber er verändert sich fortwährend. Er wächst tief und hoch, er breitet sich in Jahresringen aus. Und im Wandel der Jahreszeiten wechselt sein Gesicht zu immer neuer Schönheit.

Alle Bewegung und Kraft, Veränderung und Lebendigkeit ist schenkendes, sich verströmendes Sein. Der Baum hat nichts aus sich selber und nichts für sich selber. Von den Elementen Erde und Wasser, Sonne und Luft bezieht er seine Lebenskräfte, um sie wieder nach allen Seiten zu verschenken.

So hat Gott den Menschen gemacht: verwundbar und doch widerstehend, empfangend und immer noch schenkend. Der Mensch hat nichts aus sich selbst und nichts für sich selbst. Er empfängt Leben und Zeit, Kraft und Möglichkeit, Lebensraum und Lebensgefährten, um alles mit anderen zu teilen und weiterzugehen. Darin wird sich der Sinn des Lebens erfüllen: immer noch schenkend!

Bäume beantworten die Angriffe der Stürme und Kälte, der Belastungen und Gifte nur in einer Weise: immer noch schenkend. Was hat man den Lebensbäumen alles angetan! Wie hat man sie verletzt, verwundet, vergiftet, zerstört, erstickt und geschlagen! Und ihre einzige Reaktion, solange sie leben: immer noch schenkend! Als Jesus am Kreuz hing und man ihn folterte und quälte, verspottete und höhnte, abtat und schändete, war seine Antwort: "Vater, vergib ihnen, sie wissen ja nicht, was sie tun!" Und dem Verbrecher neben sich, dem alle die Hölle wünschten, versprach er den Himmel: "Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!" Selbst im Tode war Jesus immer noch schenkend.

Auch wir sind verwundbar. Stürme des Lebens rütteln an uns. Kälte und Lieblosigkeit bedrohen uns. Giftige Ideen und schwere Belastungen lassen uns ums Überleben kämpfen. In der Kraft des Glaubens an Jesus wollen wir dem allen trotzen und nur eine Sinnerfüllung unseres Lebens suchen: immer noch schenkend! Ruhig bei Gott bleibend, fest in seinem Wort gegründet, wollen wir unsere Liebe nach allen Seiten ausbreiten. Und in allen Verwundungen, die wir erleiden, wollen wir immer noch schenken, wie die Bäume es tun, wie Jesus es tat.

Einer wartet auf uns!

Ein Dorfschullehrer feiert Jubiläum. Vierzig Jahre ist er im Dienst. Der Schulrat und der Rektor, der Bürgermeister und der Pfarrer, die Kollegen und Freunde werden eingeladen. Es gibt ein wunderbares kaltes Buffet. Lange Lobreden schließen sich an. Zum Schluss ergreift der Lehrer selbst das Wort, bedankt sich herzlich und erzählt ein wenig aus den vierzig Jahren. Launiges aus dem Schulalltag, Humoriges von manchen Kollegen und dann Nachdenkliches, das niemand wieder vergessen wird. In den vierzig Jahren sind zehn lange Jahre Kriegsgefangenschaft in Sibirien enthalten. Schwere Arbeit unter Tage, kaum Nahrung, keine Verbindung mit der Frau zu Hause. Hoffen und Bangen und dann tiefe Verzweiflung und innere Zermürbung. Selbstmordgedanken kommen auf. Die letzten Kräfte sind aufgebraucht. Keine Hoffnung mehr, kein Lebenswille übrig. Da kommt eines Tages ein junger Mann aus dem Heimatdorf des Lehrers in das Lager. Als Siebzehnjähriger war er in den letzten Kriegstagen noch in die Schlacht geschickt worden und in russische Gefangenschaft geraten. Nun trifft er den Lehrer. Die beiden Männer umarmen sich und mischen ihre Tränen. Der Jüngere erzählt von zu Hause. "Niemand denkt, dass du noch lebst. Aber eine wartet auf dich, eine glaubt an dich und deine Wiederkehr, deine Frau wartet mit der ganzen Sehnsucht einer starken Liebe auf dich!"

Mit einem Blick zu seiner Frau hinüber sagt der Lehrer dann: "Diese Gewissheit, dass eine auf mich wartet, an mich glaubt, meine Rückkehr fest erwartet, in Liebe an mich denkt, das gab mir dann die Kraft, durchzuhalten und immer wieder gegen alle Verzweiflung zu hoffen, bis sich die Hoffnung erfüllte und wir uns nach zehn Jahren endlich wiedersahen!"

Auch wir werden Situationen erleben, wo wir nichts mehr zu erwarten haben. Dann müssen wir daran denken, dass wir in Liebe erwartet werden. Jesus am Thron Gottes wartet auf uns, er glaubt an uns, rechnet mit uns, freut sich auf uns. Er wartet mit der Sehnsucht einer vollkommenen Liebe auf uns. Das ist unsere Hoffnung gegen alle Resignation und Schwäche.

"Wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin!"

(Johannes 14,3)

Wer erbt das alles?

Ludwig Feuerbach hat einmal behauptet: "Der Tod ist der große Erbe aller Dinge!" Damit wird aller Weltentwicklung und Lebensentfaltung der Sinn und das Ziel abgesprochen. Was hätte ein Leben und Lieben, ein Wachsen und Reifen, ein Schaffen und Aufbauen, ein Planen und Gestalten, ein Kämpfen und Leiden für einen Sinn, wenn der Tod das Ende wäre? Wenn der Tod das alles erbt, was Menschen werden und gestalten, was die Schöpfung hervorbringt und zeigt, wäre jede Motivation zum Leben und Handeln, zum Vorankommen und Wachsen zunichte.

Zum Glück sieht es die Bibel ganz anders. Sie sagt: "Gott hat Jesus zum Erben über alles eingesetzt!" (Hebräer 1,2). Die Schöpfung, die Menschen, das Leben, die Geschichte, alles ist auf ein großes Ziel hin angelegt, auf die Vollendung in Jesus. Die Sonne, die das Leben wärmt, der Regen, der das Land fruchtbar macht, die Kinder, die im Sand spielen, das Leben in seinen Stufen und Phasen, alles zielt auf eine wunderbare Vollendung. Nein, nicht der Tod, sondern Jesus erbt das alles. Das ist eine ganz andere Aussicht für das Leben und Altern, das Ausreifen und Abschiednehmen, das Sterben und Auferstehen. Jesus wird einmal alles gehören. Dann ist es die einzige vernünftige Konsequenz, dass wir auch bewusst und willentlich alles in seine Hand legen. Unser ganzes Leben soll ihm jetzt schon gehören. Wir wollen sein Eigentum sein, mit ihm leben und lieben, leiden und kämpfen, sterben und auferstehen. Jesus erbt doch alles. Wie töricht wäre es da, ihm nicht zu gehören, um dann einmal im Gericht doch in seiner Hand zu sein. Jesus erbt doch alles. Die einen werden beglückt an seinem Herzen ruhen, die anderen beschämt zu seinen Füßen knien. Was ist uns lieber?

Wir wollen Jesus schon hier freiwillig gehören, ihn lieben und ihm folgen, bis wir einmal bei ihm sein werden in einer neuen Welt mit einem neuen Leib in einem neuen Leben. Denn "in dem Namen Jesu sollen sich beugen alle Knie, und alle Zungen sollen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters!" (Philipper 2,10f).

"Gott hat ihn eingesetzt zum Erben über alles!"

(Hebräer 1,2)

Die Tage sind gezählt

Unsere Tage sind gezählt, sagen wir, wenn wir an die Grenze des Lebens denken. Wir sagen es wehmütig und erschrocken. Die Tage sind gezählt. Unser Leben ist gerichtet, auf ein Ende hin ausgerichtet. Jeder gelebte Tag ist ein Tag weniger. Dabei ist jeder Tag für sich wie ein kleines Leben. Man erwacht, kommt zu sich, steht auf, stärkt sich und geht an die Arbeit. Man erlebt Freude und Schmerz, Schönes und Schweres, sieht Sonne und Schatten, fährt los und kommt zurück. Man begegnet Menschen und Gott, rennt und ruht. Schließlich legt man sich wieder hin, um einzuschlafen. Viele einzelne Tage bilden das Leben.

Und jeder Tag ist gezählt. Sie kommen nicht aus dem Nichts und vergehen nicht in der Nacht. Unsere Tage leben wir nicht von irgendwo nach irgendwo. Nein, unsere Lebenstage sind gezählt. Gott wacht über sie. Er schenkt uns die Tage, zählt sie, besorgt und erfüllt sie, lenkt sie und behütet sie. Unsere Tage sind bei Gott festgehalten. Alle Tage sind bei Gott festgehalten – die, die waren, und die, die kommen.

"Alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war!" (Psalm 139,16).

Wie wunderbar, dass Gott unsere Tage zählt, festhält und mit Liebe bedenkt. Jeder Tag ist bei Gott gezählt. Jede Träne wird von Gott gezählt (Psalm 56,9). Selbst die Haare auf unserem Kopf sind gezählt (Matthäus 10,30).

Gott hat unser Leben fest in seiner Hand. Ein Glück, dass unsere Tage gezählt sind. Wir leben nicht endlos weiter, ohne Sinn und Ziel. Nein, alle Tage unseres Lebens sind seine Tage und zielen auf den Tag des Herrn. Irdische Tage zielen auf ein ewiges Leben. Und ewiges Leben beginnt, wo wir unsere Tage mit Jesus leben. Er ist bei uns alle Tage bis zu seinem Tag, wo wir bei ihm sein dürfen. – Ein Glück, dass unsere Tage wirklich gezählt sind!

Was ist Sterben?

"Was ist Sterben?" fragte eine krebskranke Frau ihre Ärztin. Sie antwortete mit einem Bild: "Denken wir an ein Hühnerei, in dem ein kleines Küken fröhlich heranwächst. Es ist darin geborgen und sicher. Das Küken fühlt sich wohl und hat alles, was es zum Leben braucht. Wenn es dann ausgewachsen ist, bekommt es plötzlich Angst. Der Raum wird eng, der Blutdruck steigt, Atemnot setzt ein. Die Raumverdrängung reicht nicht aus, die Eihülle zu sprengen. Das Küken mag angstvoll denken: ‚Was wird aus mir? Ich muss sterben!‘ Das Küken hat Augen und kann nicht sehen. Es hat einen Schnabel und kann nicht fressen. Es hat Flügel und kann nicht fliegen. So denkt es verzweifelt, sein Leben sei nun vorüber und alles aus, sinnlos und vorbei. Da wächst ihm auf dem Schnäbelchen eine kleine Säge, die nur dafür bestimmt ist, die Eischale aufzubrechen. Das Küken benutzt die Säge. Die Eihülle zerbricht, das Küken wird frei und beginnt nun eine neue Stufe des Lebens,"

So ist es auch mit unserem Leben. Wir brauchen uns nicht zu fürchten, wenn die Schale der Geborgenheit und Enge zerbricht. Mit Jesus gehen wir in eine neue Stufe des Lebens. Wir wissen jetzt noch nicht, wie es sein wird. Wir spüren die Enge des Todes und fürchten, dass alles aus und vorbei sein könnte. Da kann uns eine kleine Säge zuwachsen, das ist der Glaube an Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das ewige Leben für uns aufgeschlossen hat. Mit diesem Glauben werden wir die Grenze durchbrechen und in ein neues Leben gehen können. Auf uns wartet im Glauben nicht die Enge des Todes, sondern die Freiheit des Lebens.

"Endlich frei, endlich frei, ich danke Gott, ich bin endlich frei – endlich frei!"

(Diese Worte bestimmte Dr. Martin Luther King für seinen Grabstein.)