Der verlorene Schlüssel

Eine alte Geschichte erzählt, dass die Menschen einmal den Schlüssel zum Himmel in ihren Händen gehabt hätten. Aber sie gingen leichtfertig damit um. Sie meinten, sie brauchten den Schlüssel nicht. So ging er verloren. Und als man ihn nicht mehr hatte, da stellte sich das Verlangen nach ihm ein, und man suchte ihn. Aber man fand dort, wo er gelegen haben soll, nur Blumen, goldene Himmelsschlüssel, nur Abbilder des echten Schlüssels. So ziehen denn um die Osterzeit die Menschen hinaus auf Wiesen am sonnigen Hang mit einer heimlichen Sehnsucht im Herzen, binden die Himmelsschlüssel zu Sträußen und nehmen sie mit nach Haus. Sie stellen sie in ihre Vasen und lassen sich erinnern an den verlorenen Schlüssel. Aber die Blumen welken bald, und die Sehnsucht bleibt ungestillt.

In Jesus hat alles Sehnen nach dem Himmelsschlüssel ein Ende. Jesus hat den Schlüssel wiedergefunden und uns den Weg zum Himmel aufgeschlossen. Wer Jesus gefunden hat, hat den Schlüssel zum Himmel gefunden. Jesus lebt! Nicht nur an Ostern, nein, für eine ganze Ewigkeit. Wir brauchen nicht in die Natur, um ihn zu finden. Wir brauchen nicht zu verreisen, um ihm zu begegnen. Wir brauchen nicht in unser Inneres lauschen, um ihn zu hören. In seinem Wort, in seiner Gemeinde, im Gebet, in der Stille vor Gott ist er zu finden.

Ganz am Anfang seiner Wirksamkeit sagte Jesus: "Ihr werdet den Himmel offen sehen!" (Johannes 1,51), und ganz am Ende sagte Jesus: "Ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes!" (Offenbarung 1, 18).

Vivit – Er lebt!

Käthe Luther war eine kluge und umsichtige Frau. Sie hatte ein waches Auge für die Freuden, Sorgen und Anfechtungen ihres Mannes. Als Martin Luther gegen Ende seines Lebens viele Enttäuschungen zu verkraften hatte, bestellte Käthe einen Steinmetzmeister und gab ihm den Auftrag, an ihrem Haus ein neues Portal einzusetzen. Auf den Schlussstein im Torbogen ließ sie das Wort einmeißeln: Vivit! Jeder, der künftig durch das Tor ein- und ausging, sollte wissen: Jesus lebt! Keiner konnte nunmehr das Haus betreten, dem nicht in Erinnerung gerufen wurde: Jesus lebt! Keiner konnte das Haus verlassen, den nicht noch einmal diese Botschaft zum Abschied gegrüßt hat. Was immer in den Gesprächen mit Martin Luther verhandelt wurde, der Gruß der Pforte besiegelte jeden Besuch im Haus: Er lebt! Zuerst aber galten diese Worte dem Hausherrn selber in den Stunden seiner Anfechtung, seiner Zweifel und Sorgen. Jesus lebt. Der Auferstandene ist gerade in unserer Schwachheit stark. Wenn unsere Kräfte schwinden, seine Lebensmacht ist ungebrochen. Vivit – Er lebt. Das ist die Botschaft, die trägt.

Wir sollten dieses Wort immer wieder über unser Haus, unsere Familie, unsere Arbeit, unsere Sorgen und Mühen, Lasten und Leiden schreiben: Jesus lebt!

Jesus sagt: "Ich lebe, und ihr sollt auch leben!"

(Johannes 14,19)

Der Tod hat keine Hände

Einein afrikanischen Christen wurde seine siebzehnjährige Tochter durch den Tod genommen. Trauer erfüllte die ganze Familie. Aber sie waren auch getröstet durch die Hoffnung auf ein ewiges Leben. Auf das Grab der Tochter setzte der Vater ein schlichtes Holzkreuz und schrieb die Worte darauf: "Der Tod hat keine Hände!" – Als der Missionar ihn fragte, was die Inschrift bedeuten solle, gab der Vater zur Antwort: "Ich weiß, dass mir der Tod mein Kind nicht wegnehmen und auf ewig festhalten kann, sondern ich werde es bei Jesus wiedersehen. Der Tod hat ja seit Ostern keine Hände mehr!"

Nein, der Tod hat keine Hände. Aber Gott hat starke Hände, die uns bis in Ewigkeit festhalten. Jesus sagt von Menschen, die ihm im Glauben gehören: "Der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus meines Vaters Hand reißen!" (Johannes 10,29).

Die ganz große Liebe

Der Evangelist Moody hat einmal in einzigartiger Weise die Liebe Jesu dargestellt. Er schildert ein Zwiegespräch zwischen dem Auferstandenen und Petrus. Petrus fragt: "Ist es wirklich deine Meinung, Herr, dass wir das Evangelium allen Menschen predigen sollen? Auch diesen Sündern, die dich gemartert haben?" Ja, Petrus", antwortet der Herr, "bietet denen zuerst das Evangelium an. Macht euch auf die Suche nach jenem Mann, der mir ins Gesicht gespuckt hat. Sagt ihm, dass ich ihm vergebe. Sucht den Mann, der mir die Dornenkrone auf die Stirn gedrückt hat. Sagt ihm, dass ich in meinem Reich eine Krone für ihn bereithalte, wenn er das Heil annehmen will. Sucht den Mann, der mir das Rohr aus der Hand nahm und mich damit geschlagen hat. Ich will ihm ein Zepter geben, und er soll mit mir auf meinem Thron sitzen. Sucht den Mann, der mir mit der Hand ins Gesicht geschlagen hat. Sagt ihm, dass mein Blut rein macht von allen Sünden und dass es auch für ihn vergossen wurde. Sucht den Soldaten, der mir den Speer in die Seite stieß. Sagt ihm, dass es einen näheren Weg zu meinem Herzen gibt als diesen!"

Jesus wurde Sieger

Mary Reed (1854-1943) war als junge Missionarin aussätzig geworden. Nun stand sie vor der Wahl, ihr Leben isoliert in einem Sanatorium zu verbringen oder in die Himalajagegend zu gehen und dort Aussätzige zu pflegen. Sie entschloss sich für das letztere und musste alte Schrecken der Einsamkeit und Krankheit durchkosten. Sie schreibt: "In den ersten Jahren litt ich entsetzlich unter unsagbaren Ängsten. Es war die Angst vor meiner Krankheit, vor wilden Tieren, vor der Einsamkeit. Eines Nachts hielt ich diese Angstzustände nicht mehr aus. Ich warf mich auf die Knie und flehte inbrünstig zu Gott, er möge mich in dieser Nacht doch von der Angst befreien oder mich den Morgen nicht mehr erleben lassen. So rang und betete ich bis zum Morgengrauen. Immer heftiger wurden meine innere Qualen. Da – auf einmal wusste ich gewiss, dass Jesus neben mir stand. Seine Hand berührte mich. Die Angst war verschwunden. Ich konnte nicht anders, ich musste loben und danken." Der Auferstandene hatte die Angst durchbrochen und ihr seinen Frieden zugesprochen. Mary Reed nahm einen Pinsel und schrieb mit Farbe an die Wand: Jesus wurde Sieger!

"Wenn ich mitten in der Angst wandle, so erquickst du mich und hilfst mir mit deiner Rechten!"

(Psalm 138,7)

Ich weiß, dass mein Erlöser lebt

Es war im Jahre 1741, als eines Nachts ein gebeugter Mann in sich versunken durch die dunklen Straßen Londons schlurfte. Der Mann war Georg Friedrich Händel, der große Musiker. In seinem Gemüt stritten Hoffnung und Verzweiflung. Die Gunst der vornehmen englischen Welt hatte sich von ihm abgewandt. Bittere Not kam über ihn. Der schöpferische Funke erlosch, und mit noch nicht 60 Jahren fühlte sich Händel alt und lebensmüde. Ohne Hoffnung kehrte er in seine armselige Wohnung zurück. Da fiel sein Blick auf ein dickes Paket. Er öffnete es. "Ein geistliches Oratorium" – hieß die Überschrift. Händel ärgerte sich über den zweitrangigen Dichter und besonders über dessen Bemerkung: "Der Herr gab mir den Auftrag!" Gleichgültig blätterte Händel im Text. Da sprang ihm eine Zeile in die Augen: "Er war verachtet und verschmäht von den Menschen … da war nicht einer, der Mitleid mit ihm hatte…"
Händel las weiter: "Er vertraute Gott … Gott ließ seine Seele nicht … Er wird dir Ruhe geben…" Diese Worte füllten sich für Händel mit Leben und Erleben. Und als er noch weiter las: "Ich weiß, dass mein Erlöser lebt … Frohlocke … Halleluja!", da wurde es in Händel lebendig. Wunderbare Klänge überstürzten sich in seinem Innern. Der Funke von oben hatte ihn in Brand gesteckt. Händel griff nach der Feder und begann zu schreiben. Mit unglaublicher Schnelligkeit füllte sich Seite um Seite mit Noten.

Am nächsten Morgen fand ihn sein Diener über den Schreibtisch gebeugt. Er stellte das Tablett in Reichweite und ging hinaus. Am Mittag stand es noch unberührt da. Händel schrieb und schrieb. Zwischendurch sprang er auf und stürzte ans Cembalo, lief auf und ab, fuchtelte mit den Armen in der Luft und sang aus voller Kehle: "Halleluja, Halleluja!" Der Diener fürchtete, Händel würde wahnsinnig, als ihm sein Herr sagte, die Tore des Himmels hätten sich vor ihm aufgetan und Gott selber sei über ihm. Vierundzwanzig Tage arbeitete Händel wie ein Besessener, fast ohne Ruhe und Nahrung. Dann fiel er erschöpft auf das Bett. Vor ihm lag die fertige Partitur des "Messias"

Unter Händels persönlicher Leitung wurde der Messias 34mal aufgeführt. Am 6.4.1759 erlebte er zum letzten Mal sein eigenes Werk. Händel erlitt einen Schwächeanfall und wünschte sich, am Karfreitag zu sterben. Gott gewährte ihm diese Bitte und rief den großen Meister am Karfreitag, den 14.4.1759, zu sich. Händel durfte zu dem gehen, den er so ergreifend besungen und der ihm sein Herz abgewonnen hatte, so dass Händel jubeln konnte: "Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!"

Horchen und Gehorchen

Drei Schmiedegesellen wanderten von Borkum aus bei Ebbe auf das Wattenmeer hinaus. Weit waren sie gelaufen, tief hatten sie die gute Luft eingesogen, fröhlich hatten sie miteinander geredet. Aber dann überfiel die Männer von einer Minute zur anderen dichter Nebel. Sie fassten sich bei der Hand und rannten zum Ufer. Doch sie verloren im dichten Nebel die Orientierung. Sie rannten in diese und jene Richtung, aber sie konnten das rettende Ufer nicht finden. Dann kam das Wasser. Langsam stieg die Flut. In dem höher auflaufenden Wasser kämpften die Männer um ihr Leben. Dann sagte einer von ihnen: Jetzt sind wir ganz still, halten den Atem an, rühren uns nicht!" Mit dem Finger tastend und den Ohren horchend prüfte er die Richtung des Wassers, denn bei Flut läuft das Wasser auf das Ufer zu. Nach dem Horchen rannten sie ein kurzes Stück. Dann wieder Stille und Horchen, dann wieder laufen. So erreichten sie schließlich doch das rettende Ufer.

Was hat sie gerettet? Das Stillesein oder das Laufen? Beides hat sie bewahrt. Einfach nur laufen hilft nicht weiter, wenn man die Richtung nicht findet. Einfach nur stille sein und warten bedeutet den Untergang. Nur in der Spannung und Ergänzung von Horchen und Handeln liegt eine Überlebenschance.

So ist es auch im Leben. Wir müssen Einhalten und Horchen, Losgehen und Gehorchen. Wir nehmen uns Stille und hören auf Gottes Weisung. Und dann gehen wir los und tun, was er uns gesagt hat.

"Herr ich warte auf dein Heil und tue nach deinen Geboten!"

(Psalm 119,166)

Das sanfte Joch

Vielen Menschen tut der Hals weh vom vielen Drehen und Wenden nach all den Dingen dieser Welt. Sie sind von den verlockenden Angeboten des Lebens hin- und hergerissen. Sie haben einen verdrehten Hals, und ihr Nacken tut ihnen weh. Lassen wir uns umdrehen zu Jesus und nur noch eine Blickrichtung haben! Das Angebot unseres Herrn ist befreiend. Er bietet uns an, nur noch einen Herrn zu haben, der es gut mit uns meint. Jesus sagt: "Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht!" – Jesus war Zimmermann und wusste, dass schlecht angepasste Joche drücken und wundreiben, scheuern und schmerzen. Darum haben so viele Menschen Schmerzen und Wunden, Kränkungen und Verletzungen auszuhalten. Wir tragen an den falschen Jochen, die uns kaputtmachen. Das Joch der Sorge reibt uns auf. Das Joch der Sünde drückt uns nieder. Das Joch der Angst tut weh. Aber Jesu Liebe passt zu uns. Wenn wir uns mit Jesus in ein Joch spannen lassen, ist es eine Wohltat gegen alle anderen Joche. Das Joch Jesu passt wie angegossen und tut uns wohl. Kein Vergleich zu all den Lasten, die wir so mit uns herumschleppen. Lassen wir uns umdrehen zu Jesus und gehen wir mit ihm in einem Joch! So werden wir heil und ganz, versöhnt und stark.

"Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht!"

(Matthäus 11,29f)

Der Schatz im Acker

Ein Bauer im Edertal bei Frankenberg pflügt seinen Acker. Plötzlich bleibt der Pflug hängen. Der Landwirt springt vom Schlepper und gräbt mit seinen Händen ein mit Erde verschmiertes Holz aus. Als er es etwas säubert, erkennt er den geschnitzten Körper Jesu, der einmal an einem Kreuz angenagelt war. Das Kreuz ist längst vermodert, die Nägel, mit denen Hände und Füße angenagelt waren, sind verrottet. Aber der Leib Jesu ist vollkommen erhalten. Der Bauer nimmt seinen Fund mit nach Hause, reinigt das Schnitzwerk vom Dreck und sieht sofort, dass es sich um ein besonderes Kunstwerk handelt. Der Körper Jesu ist wunderbar geschnitzt. Ein Restaurator stellt die wunderbaren Farben wieder her, und das jahrhundertealte Kunstwerk kommt in einer kleinen Kirche im Edertal zur Geltung. Das Kreuz fehlt, aber der Leib Jesu ist erhalten. Ja, Jesus ist aus einem anderen Holz geschnitzt, das nicht vermodert. Er ist jetzt nicht mehr der Gekreuzigte, obwohl seine ausgebreiteten Hände noch die Löcher für die Nägel zeigen und an die Liebe Jesu am Kreuz erinnern. Jetzt erscheint Jesus dort mit seinen weit ausgebreiteten Armen als der Segnende, der seine Arme den Menschen entgegenstreckt.

Jesus lebt, und wer ihn findet, findet einen großen Schatz, die Segnung seines Lebens und die Heilung seiner Verwundungen.

"Durch seine Wunden sind wir geheilt!"

(Jesaja 53,5)

Unser Scherbelino

Vor den Toren Stuttgarts gibt es einen großen, heute mit Rasen bepflanzten Hügel, den die Schwaben liebevoll Scherbelino nennen. Auf diesen Hügel haben die Bewohner der Stadt nach dem zweiten Weltkrieg die Trümmer und Scherben gebracht, um die Stadt wieder neu aufbauen zu können. In Wagen und Karren fuhr man damals den Schutt auf einen Hügel, damit der Wiederaufbau beginnen konnte.

So einen Hügel brauchten wir auch für unser Leben, wohin man die Trümmer und Scherben bringen und dann neu anfangen könnte. Gottlob, diesen Scherbelino gibt es. Es ist der Hügel Golgatha vor der Stadt Jerusalem. Dort, wo Jesus für unsere Sünden und Schwächen starb, kann man alle seine Scherben und Trümmer abladen und dann mit Vergebung und Heilung neu beginnen. Das Kreuz Jesu ist der Ort, an dem wir alles abladen können, der Scherbelino für eine ganze Menschheit. Gott sei Dank!

Die Sünden, die wir verbergen, werden immer wieder zum Vorschein kommen und den Lebensaufbau stören. Die Sünden, die wir unter dem Kreuz abladen, sind wirklich verborgen und vergeben. Darauf kann man ganz neu beginnen.

"Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedeckt ist!"

(Psalm 32,1)