Von guten Mächten

Ich sagte zu dem Engel, der an der Pforte des neuen Jahres stand: Gib mir ein Licht, damit ich sicheren Fußes der Ungewissheit entgehen kann! Aber er antwortete: Geh nur hinein in die Dunkelheit und lege deine Hände in die Hand Gottes! Das ist besser als ein Licht und sicherer als ein bekannter Weg!

(Gleichnis eines chinesischen Christen)

Danke, Vater, dass du mich in deinen Händen hältst.
Hände, die eingreifen, wo es nötig ist.
Hände, die mir eine Richtung angeben.
Hände, die mich tragen, mir aufhelfen
und mich auch zurechtweisen.
Hände, die nicht tatenlos zusehen,
sondern unbegreiflich liebevoll eingreifen.

Diese Liebe ist oft so überwältigend,
dass ich sie nicht begreifen kann.
Oft meine ich, du strafst mich
durch irgendwelche Schwierigkeiten
und Probleme; doch dann stelle ich fest,
dass du mir gerade in solchen Situationen
deine Liebe zeigst, indem ich lernen kann,
mich immer mehr auf dich zu verlassen,
dir allein zu vertrauen.

In diesen liebevollen Händen fühle ich
mich frei und geborgen. Ich kann mich
selbst in ihnen kennenlernen und so entfalten,
dass ich für andere zu einer Persönlichkeit werde.
Eine Persönlichkeit, die Licht, Freude,
Zufriedenheit, Geborgenheit,
Wärme und Liebe ausstrahlt
und somit für andere zum Bezugspunkt,
zur Orientierung, zum Helfer und Ruhepol wird.

Danke, Vater, dass du mich in deinen Händen hältst.

(Iris Breuninger)

"So hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten!"

(Psalm 103,11)

Der du die Zeit in Händen hast,
Herr, nimm auch dieses Jahres Last
und wandle sie in Segen.

(Jochen Klepper)

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr

(Dietrich Bonhoeffer)

Heute noch

Herr, Jahre verrinnen,
Jahre beginnen,
immer wieder 365 Tage und 365 mal
deine Frage:
"Beginnst du heute?"

Herr, du hast mich gefragt,
du hast mir gesagt:
"Ungeteilt will ich dich ganz
für mich. Heute noch!"
Jedesmal an 365 Tagen wusste ich
nur eines zu sagen:
"Heute habe ich andere Sorgen.
Komm morgen!"

Und am nächsten Tag? Da gab es
zu arbeiten, zu lesen,
Geld zu verdienen und Spesen.
"Heute", so sagte ich, fehlt mir
die Zeit, die Stimmung, der Mut,
die Gelegenheit.
Heute kann ich den Anfang nicht
wagen, dir ganz zu leben,
dein Kreuz zu tragen.
Morgen vielleicht! Morgen!"

Herr, wie soll ich es nennen,
wie bekennen, was ich getan?!
Ich bot dir an:
Gebet, Almosen, Kirchgang,
frommen Verein,
um mich zu befrein
von deinem Verlangen:
dir ganz anzuhangen, dir ganz
zu leben auf allen Wegen.

Herr, ich wollte dir dienen,
aber nur stundenweis;
ich wollte dir folgen,
aber nicht immer;
ich wollte dein Kreuz tragen,
aber kein schweres;
ich wollte Opfer bringen,
aber nicht mich;
ich wollte lieben,
aber nicht zu sehr;
ich wollte anfangen,
aber erst morgen.

Herr, noch ist dein Drängen
nicht verstummt,
noch fragt dein Mund:
"Beginnst du heute?"
Verzeih, Herr, was ich getan,
jetzt biet‘ ich dir an:
Mein Leben, mich selbst;
dir ganz zu dienen,
zu folgen auf allen Wegen;
dein Kreuz zu tragen;
zu lieben aus ganzem Herzen,
aus ganzer Seele.
Heute noch will ich beginnen.
Heute – nicht morgen!

(P. Roth)

Heute!

Eine russische Legende erzählt von einer alten Frau, die sich in einer kalten Winternacht gerade anschickt, in ihr Bett am warmen Ofen zu kriechen, als es heftig an ihre Tür klopft. Sie hört einfach nicht drauf. Aber das Klopfen wird lauter und dringender. Schließlich öffnet sie die Tür einen Spalt breit. Draußen stehen Hirten mit roten Gesichtern und Schnee in den Haaren. Ihre langen Bärte sind ganz vereist, und aufgeregt erzählen sie der Frau von einem schönen Kind, das eben in dieser Nacht in einem armen Stall geboren wurde. "Komm schnell, Babuschka", betteln die Männer, "komm schnell, du kannst doch mit Kindern umgehen!" Die Babuschka schüttelt den Kopf. Zu warm ist die Stube. Zu kalt ist die Nacht. Zu wohlig ist das Bett, zu eisig der Wind. "Morgen", sagt die Frau, "morgen will ich kommen und nach dem Kind sehen!" Die Hirten ziehen wieder ab. Doch bald darauf klopfen sie noch mal an die Tür und bitten die Frau um einen Korb mit etwas Brot und Wasser. Sie wollen es selbst zu den Leuten im Stall bringen. "Morgen", sagt die Frau, "morgen will ich den Leuten etwas bringen!‘ Am nächsten Tag packt die Frau einen Korb mit Esssachen und kleinen Geschenken. Aber als sie ankommt, ist niemand mehr im Stall. Die Leute sind fort. Der Stall ist leer!

Jesus spricht: "Ich muss heute in deinem Haus einkehren!"

(Lukas 19,5)

Gott rufet noch. Ob ich mein Ohr verstopfet,
er stehet noch an meiner Tür und klopfet;
er ist bereit, dass er mich noch empfang;
er wartet noch auf mich. Wer weiß, wie lang?
Gott locket mich; nun länger nicht verweilet!
Gott will mich ganz; nun länger nicht geteilet!
Fleisch, Welt, Vernunft, sag immer, was du willst,
meins Gottes Stimm mir mehr als deine gilt.

(Gerhard Tersteegen)

Die Flöte des Hirtenjungen

In der wundersamen Nacht, in der der Heiland geboren wurde, war ein armer Hirtenjunge im Gebirge bei Bethlehem. Er suchte nach einem entlaufenen Schaf. Hinauf hastete er und suchte. Atemlos war er und unglücklich. Und während die Luft schon erfüllt war vom Lobgesang der Engel, war er noch erfüllt von der Sorge um sein Lamm. Da stand plötzlich ein Engel vor ihm und sagte: "Mach dir keine Sorgen um dein Schaf. Heute ist ein größerer Hirte geboren. Lauf nach Bethlehem, dort liegt der Retter der Welt in einer Krippe!" "Der Retter der Welt", antwortete zaghaft der Junge ",zu ihm kann ich nicht ohne Gabe kommen!" "Nimm diese Flöte und spiele für das Kind", sagte der Engel und war verschwunden. Vor den Füßen des Hirtenjungen lag eine silberglänzende Flöte. Sieben himmelreine Töne hatte sie und spielte von selber, als er hineinblies.

Fröhlich sprang der Junge den Berg hinunter, achtete nicht auf den Weg und schlug der Länge nach hin. Im Fallen verlor er die Flöte und einen Fluch. Als er die Flöte wieder aufnahm, war sie um einen Ton ärmer. Jetzt war der Weg gut. Plötzlich saß vor ihm auf dem Pfad ein großer Wolf. "Du Schafsmörder!" rief der Junge und warf die Flöte nach dem Tier. Der Wolf war verschwunden, aber auch ein weiterer Ton von seiner Flöte. – Bald war er bei seiner Herde. Alle Tiere lagen friedlich. Nur ein Schaf strich noch herum und blökte laut. Der Junge wollte es in den Pferch treiben. Als das Schaf nicht folgte, warf der Junge mit der Flöte nach ihm. Wieder verlor er einen Ton. – Aber wo waren die anderen Hirten? Der Hirtenjunge dachte, dass sie im Wirtshaus bei Kartenspiel und Bier säßen. Voller Groll schwang er die Flöte in der Hand. Und wieder verlor sie einen Ton. – Nun lief er nach Bethlehem. Als er an das Stadttor kam, umringten ihn die Gassenjungen und wollten ihm die schöne Flöte abnehmen. Das gab eine Balgerei und Schlägerei. Die Flöte behielt er, aber sie hatte noch einen Ton weniger. Jetzt sah er schon den Stall. Über dem Dach strahlte ein heller Stern. Gerade als er durch den Hof gehen wollte, fuhr der Kettenhund auf ihn los, und der Junge wehrte sich mit der Flöte. Er kämpfte sich den Weg frei, doch nun hatte die Flöte nur noch einen einzigen Ton. Der Junge schämte sich so sehr. Seine wunderbare Gabe war so klein geworden. Dann ging er in den Stall und sah das Jesuskind in der Krippe liegen. Da spielte er seinen einzigen, letzten Ton. Mild und rein klang er. Maria und Josef, Ochse und Esel und alle im Stall lauschten und wunderten sich. Das Jesuskind aber streckte die Hand aus und berührte die Flöte. Im selben Augenblick wurde sie wieder, wie der Junge sie empfangen hatte, volltönend, ganz und rein.

(Nach einer norwegischen Legende)

Gott gab uns das Leben, Lebensraum und Lebenszeit, Lebensmittel und Lebensgefährten, Lebenskraft und Lebensfreude. Und alles war ganz und gut und vollkommen. Aber auf unserem Lebensweg verlieren wir diese Ganzheit. Was zerbricht da alles! Schuldhaft und schicksalhaft kommt uns ein Ton nach dem anderen abhanden. Was haben wir alles verloren? Was ist alles zerbrochen? Wie tief ist manches gescheitert? Und dann stehen wir vor Gott und pfeifen aus dem letzten Loch. Nur ein Ton ist uns noch geblieben. Aber in der persönlichen Begegnung mit Jesus wird alles wiederhergestellt. Unser Leben wird heil, rein und ganz. Jesus Christus ist der Heiland und Retter unseres Lebens.

"Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr!" (Lukas 2,11)

Menschen, die, zu Jesus passen

Heinrich Waggerl berichtet, dass seine Mutter auf die Frage, warum die Bilder der Weihnachtsgeschichte immer Ochse und Esel zeigen, obwohl sie im biblischen Bericht nicht erwähnt werden, folgende Geschichte erzählte:

Während Josef und Maria nach Bethlehem wanderten, war der Erzengel schon dort und versammelte alle Tiere der Gegend, um zwei von ihnen auszuwählen, die bei der Geburt Jesu dabei sein dürften. Als erster meldete sich natürlich der Löwe. Nur der König der Tiere sei würdig, brüllte er, bei der Geburt des Königs der Welt zugegen zu sein. Er würde sich in seiner Stärke vor den Stall, legen und jeden zerreißen, der sich in die Nähe des Kindes wage. "Du bist viel zu grimmig", sagte der Engel. – Nun schlich sich der Fuchs heran und erwies in aller Unschuld eines Diebes seine Reverenz mit der Rute. "König hin, König her", meinte er, "wenn ein Kind geboren wird, geht es um die leibliche Nahrung für Mutter und Kind!" Deshalb erbot er sich, jeden Tag ein Huhn zu stehlen, damit die Wöchnerin wieder zu Kräften komme. "Du bist mir viel zu listig", meinte der Engel. Nun stelzte der Pfau in den Kreis und entfaltete rauschend sein Rad. "Wenn es schon so ein armseliger Stall ist, in dem Jesus zur Welt kommt, will ich für eine farbenprächtige Kulisse sorgen." Der Engel erwiderte: "Du bist viel zu eitel!" So kamen alle Tiere, priesen ihre Schönheit, Weisheit und Kraft. Die kluge Eule, die süß flötende Nachtigall, alle boten ihre Künste an, aber vergeblich. Zuletzt sah der Engel noch Ochse und Esel, die den ganzen Tag beim Bauern am Wassergöpel im Kreise liefen, und ließ sie herbeiholen. Ochse und Esel trotteten heran. "Was könnt ihr denn?" fragte der Engel sie. "Wir können nichts, nur dienen und gehorchen", sagten die beiden. "Dann seid ihr."", die einzigen, die zu Jesus passen." – "Und so kam es", sagte die Mutter, "dass gerade Ochse und Esel bei der Geburt Jesu dabei waren."

Zu wem wollen wir passen? Wollen wir nach dem Gesetz des Stärkeren leben, das listige Beschaffen üben, im eitlen Zurschaustellen unserer Gaben mit anderen wetteifern? Oder wollen wir zu Jesus passen? Wollen wir ihm auf dem Weg der Liebe und Hingabe folgen? Dienen und, Gehorchen sind nicht Dummheit und Schwäche, sondern der Weg des Überlebens und Siegens. Jesus hat ihn gewählt und sucht nun Menschen, die ihm auf diesem Weg nachfolgen.

Jesus sah Simon und Andreas, wie sie die Netze ins Meer warfen, und sprach zu ihnen:" Folget wir nach!"

(Markus 1,16f)

Die beste Parole

In der Millionenstadt Tokio stromert ein kleiner Junge frierend und bettelnd durch die Straßen. Er spricht einen Europäer an und bittet um eine Gabe. Der nennt ihm eine Adresse, beschreibt ihm das Haus und sagt: "Wenn man dir öffnet, sagst du: ‚Johannes drei, Vers sechzehn‘." Der Junge wundert sich, aber er rennt los. Unterwegs murmelt er vor sich hin: Johannes drei, Vers sechzehn!" Er findet die Straße und das Haus, klopft an, und auf die Frage, was er wünsche, sagt er: "Johannes drei, Vers sechzehn!" Der Junge wird hereingebeten, bekommt ein warmes Bad, neue Kleidung und ein gutes Essen. Als der Junge überglücklich das Haus verlässt, denkt er noch immer an die wunderbare Parole: Johannes drei, Vers sechzehn. In Gedanken versunken rennt er auf die Straße und wird von einem Auto angefahren. Bewusstlos wird er ins Unfallkrankenhaus gebracht. Die Ärzte und Schwestern kämpfen um sein Leben. Er sagt nur immer wieder: Johannes drei, Vers sechzehn!" Schließlich geben die Schwestern auf und schreiben auf die Tafel über seinem Bett: "Name: Johannes drei, Vers sechzehn"

Irgendwie gleicht unser Leben dieser wahren Geschichte. Wir laufen durch die Straßen unserer Welt und betteln um Liebe und Freude, Vertrauen und Geborgenheit. Und Gott lässt uns eine wunderbare Wahrheit sagen: "Du bist geliebt. So sehr geliebt, dass ich mein Liebstes für dich gab!" Diese Nachricht ist wie eine offene Tür, wie ein warmes Bad, wie ein neues Kleid, wie ein gutes Essen. Wir sind geliebt, das ist die beste Parole.

Es wird auch in unserem Leben Situationen geben, wo wir buchstäblich unter die Räder kommen und vor Schmerzen und Sorgen, Leid und Trauer bewusstlos sind. Wir wissen nicht mehr, wer wir eigentlich sind. Wo finde ich dann Geborgenheit und Ruhe, Hilfe und Heilung, Gewissheit und Vertrauen?

Über unserem Leben, über unserer Sehnsucht, über unserer Zukunft, über unserer Krankheit steht: "Johannes drei, Vers sechzehn: Geliebt, unendlich geliebt!"

"Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab!"

(Johannes 3,16)

Träume werden wahr

Drei Bäume wuchsen auf einem Hügel. Sie lebten fröhlich mit Sonne und Wind und wurden groß und stark. Sie hatten den Himmel über sich und reckten ihre Kronen empor. Sie hatten die Erde unter sich und gruben ihre Wurzeln tief hinein. Sie hatten manche Stürme hinter sich und waren dadurch fest geworden. Sie hatten das Leben vor sich und freuten sich darauf. Sie hatten Träume in sich und warteten auf ihre Erfüllung.

Der erste Baum träumte davon, einmal eine Schatztruhe zu werden. Der Baum malte sich aus, eine wunderbar geschnitzte Truhe zu sein, die einen kostbaren Schatz in sich bewahrt. – Der zweite Baum träumte davon, ein Schiff zu werden. Er sehnte sich danach, Könige über die Meere zu bringen. – Der dritte Baum gar wollte der wichtigste Baum auf Erden sein. Er wollte auf dem Hügel bleiben und alle Menschen an die Geheimnisse des Lebens erinnern.

Eines Tages kamen Holzfäller und hieben die drei Bäume um. Der erste Baum wurde zu einer Futterkrippe verarbeitet und kam in einen armseligen Stall nach Bethlehem. Ochse und Esel fraßen aus der Futterkrippe und rieben sich am Holz ihr Fell. Dann wurde in einer wundersamen Nacht in diesem Stall das Jesuskind geboren und in die Futterkrippe gelegt. So wurde der Traum von der Schatztruhe doch noch erfüllt, aber so ganz anders und noch viel tiefer, als es der Baum geträumt hatte. – Aus dem zweiten Baum wurde ein Fischerboot gemacht. Am See Genezareth fuhren die Fischer mit dem Boot hinaus. Es war ein mühsamer Alltag in Wind und Wetter, Härte und Not. Da kam eines Tages Jesus an den See und stieg in das Boot, um von dort aus vielen Menschen zu predigen. So wurde das Boot zu einem Gefährt, das den König aller Könige mit seinem wunderbaren Evangelium zu den Menschen brachte. – Der dritte Baum wurde zum Fluchholz und Todesbaum und dachte wehmütig an seinen Lebenstraum. Da wurde Jesus an ihm festgenagelt und erlöste durch seinen Tod am Kreuz alle Menschen. So wurde der Baum auf dem Hügel Golgatha der wichtigste auf Erden, ein Baum des Lebens und Zeichen des Sieges.

(Nach einer alten Volkserzählung)

Wie oft platzen unsere schönsten Träume vom Leben. Aber Gott kommt mit uns auf ganz anderen Wegen zu einer wunderbaren Erfüllung. Wenn unser Leben mit Jesus in Berührung kommt, wird es mit Sinn und Liebe erfüllt. Wenn Jesus in uns ruht, durch unser Leben mit seinem Evangelium zu den Menschen kommt und seine Erlösung am Kreuz aus unserem Leben leuchtet, wird es sich tiefer erfüllen, als wir es je zu träumen wagten.

In Jesus wohnt die ganze Fülle Gottes leibhaftig, und ihr habt diese Fülle in ihm!"

(Kolosser 2,9f)

Mit Freuden beschenkt

Mit vier Jahren erlebte ich erstmals die Vorweihnachtszeit ganz bewusst mit all ihrem Zauber und Geheimnis. Wir Kinder konnten in jener Zeit – 1945 – wahrlich keine großartigen Geschenke erwarten und mit üppigen Festlichkeiten rechnen. Es waren vielmehr die kleinen Dinge, die uns mit Vorfreude erfüllten. Wir dachten an den Baum und seinen Schmuck, an die Lichter und ihren Glanz, an die Stube und ihren weihnachtlichen Duft. Mit allen Sinnen warteten wir auf das große Fest und die vielen kleinen Dinge, die es zu sehen und zu hören, zu riechen und zu schmecken, zu fühlen und zu erleben gab.

Für unsere Mutter war diese wunderbare Zeit der Lichter und Geheimnisse von dunklen Schatten und tiefem Bangen überdeckt. Noch immer hatte sie keine Nachricht von unserem Vater. Die Hoffnung, dass er noch lebt und aus russischer Gefangenschaft nach Hause kommt, musste immer wieder gegen die Angst und Sorge um sein Ergehen ankämpfen.

Es wird Heiligabend. Die Spannung in den Kinderherzen erreicht ihren Höhepunkt. Aufgeregt rennen wir durch die Wohnung. Es klingelt, der Postbote bringt einige Briefe. Mutter setzt sich an den Tisch und beginnt zu lesen. Wir springen davon, lachen und singen, toben und balgen. Als wir in die Küche kommen, bleiben wir erschrocken stehen und verstummen. Mutter sitzt über einen Brief gebeugt, der in ihren Händen zittert, und weint. Die Tränen laufen auf den Brief hinab, tropfen auf die Erde. Nur mühsam gelingt die Erklärung: Ein Kriegskamerad hat uns mitgeteilt, dass unser Vater in einem russischen Gefangenenlager erkrankt und am 15. Oktober verstorben ist.

Obwohl das ganze Ausmaß der Schreckensnachricht nicht in unsere Kinderherzen eindringen kann, spüren wir, dass etwas zerbricht, zusammenstürzt und abreißt. Wir drücken uns an die Mutter. Traurigkeit erfüllt den Raum. Die Tränen mischen sich. Lange finden sich keine Worte. Es ist totenstill. Mitten hinein in die stumme Verzweiflung dringt meine kindlich besorgte Frage: "Mutti, fällt Weihnachten jetzt aus?" Meine Mutter stutzt, gibt sich einen Ruck, nimmt mich in den Arm und sagt: "Nein, jetzt feiern wir erst recht Weihnachten!" Und dann beginnt meine Mutter, ihre Traurigkeit und ihr Leid damit zu bewältigen, dass sie uns Kindern die Weihnachtstage gestaltet.

Die Weihnachtsbotschaft von der Freude fällt nicht aus, weil es in unserer Welt so viel Leid und Tränen, Angst und Sorge gibt, sondern gerade deswegen und dann "erst recht" werden Geburt und Kommen Christi verständlich. Weihnachten fällt nicht aus, wenn Trauer und Leid die Menschen bedrängen, sondern es fällt hinein in die ganze Dunkelheit irdischen Lebens. Mitten in Leid und Weh, Schuld und Not müssen wir "erst recht" Weihnachten feiern, das Kommen Christi besingen, den Retter anbeten und den Heiland finden. Das Kommen Gottes in die Welt hat ja mit unserer Not und Trauer, unserem Leben und Sterben zu tun.

Mein Gott, dein hohes Fest des Lichtes
hat stets die Leidenden gemeint …
Wenn unsere Feste jäh zerrönnen,
muss jeder Tag noch Christtag sein.
Wir preisen dich in Schmerz, Schuld, Not
und loben dich bei Wein und Brot!

(Jochen Klepper)

Gott ist aber klein

Ein kleiner Junge besucht mit seiner Großmutter am Heiligen Abend die Christmette. Nach dem Gottesdienst gehen sie nach vorne, um die große Krippenlandschaft anzusehen. Der Stall, die Hirten, Maria und Josef, Ochse und Esel, die Weisen aus dem fernen Orient werden bestaunt. Plötzlich entdeckt der Junge das winzige Kind in der Krippe und ruft laut: "Oma, der liebe Gott ist aber klein!"

Wir erwarten von Gott etwas Großes, Herrliches, Mächtiges und Gewaltiges, aber er wird so klein und winzig wie ein Kind. Gott kommt uns Menschenkindern nah. Denn an seine Größe reichen wir nie heran. Wer ihm begegnen will, muss sich zu der Einfalt eines Kindes herabneigen. Und dann wächst die Offenbarung Gottes, wie auch Jesus dann gewachsen, groß und stark geworden ist. Aber es beginnt klein, unscheinbar und gering, um dann heranzuwachsen zum vollen Maß des Glaubens. Wenn der Glaube an Christus in unserem Herzen geboren wird, ist er zunächst ganz klein. Aber er wächst und wird stark. Gott bleibt gerade darin groß, dass er sich in Liebe so tief zu uns herabneigt.

Jesus nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und erniedrigte sich selbst!"

(Philipper 2,7f)

Geschätzt

"Es begab sich aber zu der Zeit … , dass alle Welt geschätzt würde." Damit beginnt die Weihnachtsgeschichte. Bis heute werden Menschen geschätzt: eingeschätzt und abgeschätzt, unterschätzt und überschätzt, eingestuft und abgestuft, taxiert und gewogen, zensiert und registriert, nummeriert und etikettiert, einsortiert und aussortiert, in Listen eingetragen und ausgestrichen.

Wir sind Rädchen und tragen Nummern: Kennummer, Hausnummer, Telefonnummer, Autonummer, Versicherungsnummer, Personalnummer, Kontonummer. Es ist wichtig, dass alle Weit geschätzt wird. Alles muss seine Ordnung haben.

Gott kommt nicht an dieser Ordnung vorbei in unsere Welt. Mitten in einer Schätzung kommt er zur Welt. Unter dem Namen Jesus wird er in Listen eingetragen. – Und mitten darin leuchtet eine wunderbare Botschaft auf: Gott schätzt unser Leben. Er gibt für uns sein Kostbarstes und Höchstes. Welch ein Schatz müssen wir in den Augen Gottes sein! Wir sind nicht nur registriert, wir sind geliebt, unendlich geschätzt, wertgeschätzt von Gott. Das tut wohl, dass wir bei Gott nicht eingeschätzt -und abgeschätzt, sondern wertgeschätzt und geliebt werden. – Unsere Antwort darauf könnte dann sein, dass wir – wie die Weisen aus dem Orient – an der Krippe Jesu unsere Schätze auftun und sie Jesus geben. Gehen wir ganz nahe an die Krippe Jesu heran und weihen ihm unser Leben. Weihnacht, die Nacht, in der sich Gott den Menschen weiht, sucht geweihte Menschen, Menschen, die Gott ihr Leben schenken: das Gold des Glaubens, den Weihrauch der Anbetung und die bittere, Myrrhe des Leidens.

In der Welt werden wir geschätzt und nummeriert, bei Gott sind wir geschätzt und geliebt. Bei Jesus tun wir unsere Schätze auf und geben unser ganzes Leben in seine Hand. Frohe Weihnachten!

In unser armes Leben, das wir so oft veracht‘,
hast du dich ganz gegeben und hast es wert gemacht!

(Siegfried Goes)