Die Flöte des Hirtenjungen

In der wundersamen Nacht, in der der Heiland geboren wurde, war ein armer Hirtenjunge im Gebirge bei Bethlehem. Er suchte nach einem entlaufenen Schaf. Hinauf hastete er und suchte. Atemlos war er und unglücklich. Und während die Luft schon erfüllt war vom Lobgesang der Engel, war er noch erfüllt von der Sorge um sein Lamm. Da stand plötzlich ein Engel vor ihm und sagte: "Mach dir keine Sorgen um dein Schaf. Heute ist ein größerer Hirte geboren. Lauf nach Bethlehem, dort liegt der Retter der Welt in einer Krippe!" "Der Retter der Welt", antwortete zaghaft der Junge ",zu ihm kann ich nicht ohne Gabe kommen!" "Nimm diese Flöte und spiele für das Kind", sagte der Engel und war verschwunden. Vor den Füßen des Hirtenjungen lag eine silberglänzende Flöte. Sieben himmelreine Töne hatte sie und spielte von selber, als er hineinblies.

Fröhlich sprang der Junge den Berg hinunter, achtete nicht auf den Weg und schlug der Länge nach hin. Im Fallen verlor er die Flöte und einen Fluch. Als er die Flöte wieder aufnahm, war sie um einen Ton ärmer. Jetzt war der Weg gut. Plötzlich saß vor ihm auf dem Pfad ein großer Wolf. "Du Schafsmörder!" rief der Junge und warf die Flöte nach dem Tier. Der Wolf war verschwunden, aber auch ein weiterer Ton von seiner Flöte. – Bald war er bei seiner Herde. Alle Tiere lagen friedlich. Nur ein Schaf strich noch herum und blökte laut. Der Junge wollte es in den Pferch treiben. Als das Schaf nicht folgte, warf der Junge mit der Flöte nach ihm. Wieder verlor er einen Ton. – Aber wo waren die anderen Hirten? Der Hirtenjunge dachte, dass sie im Wirtshaus bei Kartenspiel und Bier säßen. Voller Groll schwang er die Flöte in der Hand. Und wieder verlor sie einen Ton. – Nun lief er nach Bethlehem. Als er an das Stadttor kam, umringten ihn die Gassenjungen und wollten ihm die schöne Flöte abnehmen. Das gab eine Balgerei und Schlägerei. Die Flöte behielt er, aber sie hatte noch einen Ton weniger. Jetzt sah er schon den Stall. Über dem Dach strahlte ein heller Stern. Gerade als er durch den Hof gehen wollte, fuhr der Kettenhund auf ihn los, und der Junge wehrte sich mit der Flöte. Er kämpfte sich den Weg frei, doch nun hatte die Flöte nur noch einen einzigen Ton. Der Junge schämte sich so sehr. Seine wunderbare Gabe war so klein geworden. Dann ging er in den Stall und sah das Jesuskind in der Krippe liegen. Da spielte er seinen einzigen, letzten Ton. Mild und rein klang er. Maria und Josef, Ochse und Esel und alle im Stall lauschten und wunderten sich. Das Jesuskind aber streckte die Hand aus und berührte die Flöte. Im selben Augenblick wurde sie wieder, wie der Junge sie empfangen hatte, volltönend, ganz und rein.

(Nach einer norwegischen Legende)

Gott gab uns das Leben, Lebensraum und Lebenszeit, Lebensmittel und Lebensgefährten, Lebenskraft und Lebensfreude. Und alles war ganz und gut und vollkommen. Aber auf unserem Lebensweg verlieren wir diese Ganzheit. Was zerbricht da alles! Schuldhaft und schicksalhaft kommt uns ein Ton nach dem anderen abhanden. Was haben wir alles verloren? Was ist alles zerbrochen? Wie tief ist manches gescheitert? Und dann stehen wir vor Gott und pfeifen aus dem letzten Loch. Nur ein Ton ist uns noch geblieben. Aber in der persönlichen Begegnung mit Jesus wird alles wiederhergestellt. Unser Leben wird heil, rein und ganz. Jesus Christus ist der Heiland und Retter unseres Lebens.

"Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr!" (Lukas 2,11)