Aber

Das traurige Aber ist wie ein dunkler Schatten über dem Leben. Wir haben viel gewollt, aber wenig gehofft. Wir haben fröhlich geschafft, aber sind bitter enttäuscht. Wir haben selig geträumt, aber sind erschrocken aufgewacht. Wir haben das Glück gesucht, aber das Leid gefunden. Wir haben riesige Pläne gemacht, aber manche Pleiten erlebt. Wir sind weit gefahren, aber in die Enge geraten. Wir haben hoch gebaut, aber sind tief gefallen. Wir nahmen wichtige Ziele ins Auge, aber blieben mit nichtigen Dingen zurück. Wir haben den Wohlstand geschafft, aber das Unwohlsein hat uns geschafft. Wir haben die Köpfe voll, aber die Herzen sind leer. Wir nahmen viele Sachen in die Hand, aber der Hunger nach Leben blieb ungestillt. Wir wollten den Frieden, aber der Streit hörte nicht auf. Wir schrien unsere Sehnsucht nach Liebe heraus, aber die Einsamkeit holte uns wieder ein. Wir hatten den Lebenswillen, aber machten die Sterbenserfahrung. – Das wehmütige, traurige Aber ist wie ein dunkler Schatten über uns.

Das trotzige Aber ist der vergebliche Versuch, dem Schatten zu entkommen. Eigentlich müßte ich anders leben, aber ich will es nicht. Im Grunde müßte ich mich umdrehen, aber ich renne einfach weiter. Letztlich bräuchte ich einen Bezugspunkt über mich hinaus, aber ich bleibe bei mir stehen. Eigentlich müßte ich meinen Konkurs eingestehen, aber ich wirtschafte immer weiter. Tief innen weiß ich, daß ich Gott brauche, aber ich suche die Lebenserfüllung bei Menschen. Das trotzige Aber ist die verzweifelte und vergebliche Flucht vor dem eigenen Schatten.

Das tröstliche Aber ist die sichere Flucht nach vorn, ganz nach vorn. Ich habe viel verloren, aber ich bin von Gottes Liebe gefunden. Angst und Enge bedrücken mich, aber Jesu Liebe führt mich in die Weite der Hoffnung. Krankheit macht mir das Leben schwer, aber sein Heil macht mir Mut. Einsamkeit überall, aber sie treibt mich nur mehr zu Jesus. Trübe Aussichten für die Zukunft, aber ich sehe das helle Licht der Verheißungen Gottes. Tausendmal Schwäche in mir, abertausendmal Kraft in Jesus. Tief verstrickt in Sorgen und Sünden, aber wunderbar befreit von Gottes Hand. Schmerzlich gefangen in Netzen von Schuld und Schicksal, herrlich aufgefangen im Netz seiner Barmherzigkeit. Sterbend schon im Leben, aber auferstehend im Glauben. Durch die Enge des Todes ganz sicher, aber zu einem neuen Leben ganz gewiß. Das tröstliche Aber ist die mutige Flucht nach vorn, nach ganz vorn zu Gott, zum Leben, zur Vollendung.

"Ich aber Herr hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott! Meine Zeit steht in deinen Händen!"

(Psalm 31,15f)

Die Weisheit von oben

Der Priester Klemens Maria Hofbauer wurde der Apostel Wiens genannt. Besonders bekannt wurde er durch seine große Liebe zu den Armen. Für sie tat er alles. Selbstlos bettelte er sich das Geld zusammen, das er für die Notleidenden brauchte. Eines Abends ging er wieder in eine Gaststätte. Tisch für Tisch sprach er die Gäste freundlich an und bat um eine kleine Gabe für die Armen. Dabei geriet er an einen groben Menschen, der alles hasste, was mit der Kirche zu tun hatte. Der schrie ihn an: "Wie kommen Sie dazu, mich um Geld zu bitten?" Und er spuckte dem Priester verächtlich ins Gesicht. Der zog ruhig sein Taschentuch heraus, wischte sich das Gesicht sauber und wandte sich dann ganz freundlich noch einmal an den Mann: "Das war für mich. Aber nun geben Sie mir doch bitte noch etwas für die Armen!" Dabei hielt er ihm erneut den Hut hin. Der Gast soll von dem Priester so beeindruckt gewesen sein, dass er ihm den ganzen Inhalt seiner Geldbörse in den Hut schüttete.

"Die Weisheit aber von oben her ist aufs erste lauter danach friedsam, und gelinde, lässt sich etwas sagen, voller Barmherzigkeit!"

(Jakobus 3,17)

Unsere Zuflucht

Im November 1938 brannte in der sogenannten Kristallnacht auch in Essen die Synagoge. Rassenhaß und Rassenwahn hatte sie in Brand gesteckt. Sie brannte völlig aus, und die schwarz verkohlten Mauerreste blieben als stumme Zeugen von Hass und Gemeinheit zurück.

Sieben Jahre später, im Frühjahr 1945, brannte die ganze Stadt. Die Bomben der feindlichen Flieger hatten die Stadt in ein einziges Flammeninferno verwandelt. Menschen rannten, schrieen um ihr Leben. Tausende verbrannten in den Häusern und auf den Straßen. Einige Menschen besannen sich auf die ausgebrannte Synagoge und flüchteten in die verkohlten Mauerreste. Sie blieben bewahrt. Denn dort gab es nichts mehr zu brennen. Schon einmal hatte hier das Feuer gelodert und sich ausgetobt. Nun wurde der Ort zur Rettung für die Menschen, die sich dorthin geflüchtet hatten. Der Ort ihrer Schuld wurde zum Ort der Bewahrung.

Nehmen wir Zuflucht zu Gott, so verwandelt sich der lodernde Zorn Gottes in das Feuer der Liebe. Wir bleiben trotz unserer Schuld bewahrt, weil sich der Zorn Gottes an einem anderen ausgebrannt hat. Das Kreuz Jesu ist der Ort, wo unsere Schuld offenbar, aber auch die Rettung möglich ist. Nehmen wir Zuflucht zum Kreuz Jesu, so bleiben wir in seiner Liebe geborgen und gerettet. Dort, wo Jesus für unsere Schuld verbrennt, bleiben wir dann bewahrt. Welch eine Liebe Gottes!

(Nach Wilhelm Busch)

"Herr du bist unsre Zuflucht für und für!"

(Psalm 90,1)

Wo liegt die Sünde?

Luther hat einmal gesagt: "Die Sünde hat nur zwei Orte, wo sie ist. Entweder ist sie bei dir, dass sie dir auf dem Halse liegt. Oder sie liegt auf Christus, dem Lamm Gottes. Wenn sie nun dir auf dem Rücken liegt, so bist du verloren. Wenn sie aber auf Christus ruht, so bist du frei und wirst selig,"

Wo liegt die Sünde? Liegt sie wie ein schweres Joch auf unseren Schultern, wird sie uns wundreiben und drücken, verletzen und weh tun. Darum lädt Jesus uns ein, das Joch der Sünde mit seinem sanften Joch der Liebe zu tauschen. Gegen die Last der Sünde ist die Last Jesu leicht und heilsam. Mit Jesus in einem Joch gehen bedeutet aufleben und frei werden. Mit der Sünde in einem Joch können wir nur scheitern, zerbrechen und verloren gehen.

Wo liegt die Sünde? Bindet sie uns fest und schnürt sie uns ein, werden wir immer mehr zu Sklaven unserer eigenen Gedanken und Begierden. Die Bande der Sünde sehen auf den ersten Blick wie ein Geländer in das Land des Abenteuers aus. Aber dann legen sie sich mit unerbittlichen Zwängen und Bindungen um unsere Existenz und schnüren uns den Lebensatem ab. Darum lädt uns Jesus ein, die Bande der Sünde mit den Banden seiner Liebe zu tauschen. Die Liebe Jesu ist ein starkes Band, das keine Gewalt oder Macht, kein Schicksal oder Tod zerreißen kann. Viele Menschen scheuen die Bande der Liebe, die Bindung des Glaubens, die Verbindlichkeit des Gehorsams, sie wollen frei und unabhängig sein. Aber die Freiheit von Jesus bedeutet immer die Sklaverei der Sünde. Nur in der Bindung an Jesus, nur in den Banden der Liebe ist wirkliche Freiheit.

Wo liegt die Sünde? Liegt sie wie ein immer dichter werdendes Netz auf uns, so dass wir uns tief in sie hineinverstricken? Das Netz der Sünde fängt Menschen ein. Verzweifelt wehren sie sich gegen die Einengung. Aber je mehr sie strampeln, desto mehr werden sie sich verstricken und festbinden. Das Netz der Sünde ist ein Netz des Todes. Keiner kommt da aus eigenen Kräften heraus. Wir sind gefangen. Darum lädt uns Jesus ein, das Netz der Sünde mit dem Netz seiner Liebe zu tauschen. Die Liebe Jesu ist wie ein Netz, das uns nicht gefangen nimmt und einschnürt, sondern, das uns auffängt und vor dem Absturz bewahrt. Lassen wir uns fallen in die Liebe Jesu. Er fängt uns auf. Er bindet uns an sein Heil, er teilt mit uns das Joch, damit wir geschont und bewahrt und am Ende selig werden.

"Der Herr ward meine Zuversicht. Er führte mich hinaus ins Weite!"

(Psalm 18,19f)

"Gut, Vater!"

Hoch oben in den Schweizer Bergen tummeln sich Tausende von Skifahrern. Sie genießen den Schnee und die Sonne, die Bewegung und das Treiben. Plötzlich schauen alle auf einen Abfahrer: ein Vater auf seinen Skiern, hinter ihm sein kleiner Junge. Die Arme um die Beine des Vaters geschlungen, sausen sie zu zweit den Hang hinab. Der Junge hält sich fest und jubelt laut voller Vergnügen: "Gut, Vater, gut, Vater, gut, Vater!"

Der Junge kann die Fahrt weder steuern noch bremsen, aber er hat blindes, kindliches Vertrauen in das Geschick und Können seines Vaters. So kann er die rasante Fahrt genießen und dabei voller Freude juchzen.

Wenn wir auf der Fahrt unseres Lebens ein solches Vertrauen zu Gott, unserem Vater, haben könnten. Er bringt uns ganz sicher ans Ziel. Warum haben wir so viel Angst und machen uns so viele Sorgen, grämen und bekümmern uns. So werden die Tage quälend und kümmerlich, die Seelen von Sorgen und Ängsten zermürbt. Gott hat alle Dinge fest in der Hand, auch die Geschichte und Geschicke unseres Lebens. Je mehr wir mit Gott vertraut werden, desto mehr werden wir ihm vertrauen.

,Wirf dein Herz voraus. Gott fängt es behutsam auf und wartet auf deine Füße!"

(Kyrilla Spiecker)

Die Suche nach dem Senfkorn

Eine chinesische Legende erzählt von einer Frau, die über den Tod ihres Sohnes so bekümmert war, dass sie sich keinen Rat mehr wusste. So ging sie zu einem heiligen Mann und fragte ihn: Welche Gebete kennst du, um meinen Sohn wieder zum Leben zu erwecken?" Er sagte zu ihr: "Bringe mir ein Senfkorn aus einem Hause, das niemals Leid kennen gelernt hat. Damit werden wir den Kummer aus deinem Leben vertreiben!" Die Frau machte sich auf die Suche nach dem besonderen Senfkorn. Sie kam an ein prächtiges Haus, klopfte und brachte ihre Bitte vor: "Ich suche ein Haus, das niemals Leid erfahren hat, ist hier nicht der richtige Ort? Es ist sehr wichtig für mich!" Aber die Bewohner des schönsten Hauses erzählten all das Unglück, das sich gerade bei ihnen ereignet hatte. Die Frau dachte bei sich: "Wer kann diesen unglücklichen Menschen besser helfen als ich, der ich auch so tief in Not geraten bin!" Sie blieb und tröstete. Dann suchte sie weiter ein Haus ohne Leid. Aber wohin sie sich auch wandte, kleine Hütten, riesige Paläste, überall begegnete ihr Leid. Schließlich beschäftigte sie sich nur noch mit dem Leid anderer Leute, so dass sie ganz die Suche nach dem Senfkorn vergaß, ohne dass ihr bewusst wurde, dass sie auf diese Weise tatsächlich den Schmerz aus ihrem Leben verbannt hatte.

"Ihre Wege habe ich gesehen, aber ich will sie heilen und sie leiten und ihnen wieder Trost geben; und denen, die da Leid tragen, will ich Frucht der Lippen schaffen!" spricht Gott, der Herr!"

(Jesaja 57,18f)

Der weinende Engel

Es war einmal eine Frau, die war böse, sehr böse und starb. Sie hinterließ nicht eine einzige Spur einer guten Tat. Sie wurde von den Teufeln ergriffen und in den Feuersee geworfen. Aber ihr Schutzengel stand da und dachte darüber nach: Könnte ich mich nur dessen erinnern, dass sie irgend etwas Gutes getan hat, so dass ich es Gott sagen könnte. Es fiel ihm etwas ein, und er sprach zu Gott: "Sie hat in ihrem Gemüsegarten eine kleine Zwiebelpflanze ausgerissen und sie einer Bettlerin geschenkt!‘ Und Gott antwortete ihm: "Nimm diese kleine Zwiebelpflanze und reiche sie ihr zum See hinab, die mag sie anpacken und sich daran herausziehen. Und wenn du sie aus dem See herauszuziehen vermagst, so mag sie ins Paradies eingehen. Wenn aber das Zwiebelkraut abreißt, so soll die Frau bleiben, wo sie sich jetzt befindet." – Der Engel lief zu der Frau, reichte ihr die kleine Zwiebelpflanze hin und sagte: "Da, Frau, fass an und zieh dich daran heraus." Und er fing an, sie vorsichtig an sich heranzuziehen. Und beinahe hätte er sie herausgezogen. Aber als die übrigen Sünder in dem See sahen, dass man jene herauszog, da hängten sich alle an sie, damit sie zugleich mit ihr herausgezogen würden. Die Frau aber wurde böse und begann mit den Füßen nach ihnen zu treten. "Ich soll herausgezogen werden und nicht ihr, es ist mein Zwiebelchen und nicht eures." Sowie sie das ausgesprochen hatte, riss das Zwiebelkraut ab. Die Frau fiel in den See zurück, und da brennt sie bis auf den heutigen Tag. Der Engel aber fing an zu weinen und ging fort.

(Fjodor Dostojewski)

Solange Menschen am Bösen festhalten, wird Trauer sein bei Gott und seinen Engeln. Aber Jesus sagt: "Es wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut" (Lukas 15,10).

Der Schatten

Ein Mann wollte seinen Schatten loswerden. Aber vergebens. Was er auch anstellte, es gelang ihm nicht. Er lief vor dem Schatten davon, aber er konnte ihn nicht abschütteln. Er wälzte sich auf dem Boden, der Schatten blieb. Er versuchte, über seinen Schatten zu springen. Alles vergeblich. Da meinte ein weiser Mann, der von ihm hörte: "Das wäre doch ganz einfach gewesen, den Schatten loszuwerden!" "Wieso einfach?" fragten die Umstehenden neugierig. Was hätte er denn machen sollen, um seinen Schatten loszuwerden?" Der weise Mann gab zur Antwort: "Er hätte sich nur in den Schatten eines starken Baumes stellen müssen. Da wäre sein Schatten aufgehoben!"

Den Schatten des Lebens, den wir werfen, wenn Gottes Licht uns anleuchtet, werden wir nicht los. Wir können laufen, wohin wir wollen. Immer ist der dunkle Schatten unserer Lebensschuld vor uns. Wir können nicht über die tiefen Schatten unseres Schicksals springen, Unsere Geschichte und Geschicke holen uns immer wieder ein. Wir werden den Schatten nicht los. Und doch gibt es auch für uns eine einfache Lösung. Im Schatten des Kreuzes ist unser Schatten weg und aufgesogen. Im Leiden Jesu ist unsere Schuld weggetragen. Im Sterben Jesu ist auch unser Schicksal mit gelöst und überwunden. Wir brauchen einen starken Herrn, der sich vor uns stellt, damit wir in seinem Schatten geborgen und befreit leben können.

"Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dein Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe!"

(Psalm 91,1f)

Glaubensstand unverändert!

In Aigues Mortes am Rande der Camargue steht die Tour de Constance, ein mächtiger Rundbau mit sechs Meter dicken Mauern. Hier sperrten die französischen Könige ihre politischen Gefangenen ein. Unter ihnen waren auch die seit 1685 hart verfolgten Hugenotten. Um ihres christlichen Glaubens willen mussten sie viele Leiden ertragen. Die Männer kamen zumeist als Sträflinge auf die Galeeren, die Frauen in die Tour de Constance, den Turm der Standhaftigkeit.

Hier wurde Marie Durand im Juli 1730 fünfzehnjährig eingeliefert. Hier sollte sie 38 Jahre ihres Lebens verbringen. 28 Frauen und zwei im Gefängnis geborene Säuglinge lebten im Turm, als Marie Durand dazukam. Die Leiden und Martern dieser Gefangenen kann man sich nicht vorstellen. Ab und an erkaufte sich eine die Freiheit mit dem Gelöbnis, an keiner christlichen Versammlung mehr teilzunehmen. Andere, wie Maries Freundin Isabeau Menet, verloren den Verstand.

Hinter dem Namen Marie Durand stand Jahr für Jahr auf der Gefangenenliste des Turmkommandanten der Vermerk: "Sa croyance toujours la meine" – "Glaubensstand unverändert!" Marie Durand ist 1768, als endlich die Verfolgung nachließ, als eine der letzten entlassen worden. Sie lebte noch acht Jahre mit einer Turmgefährtin zusammen, bis im Juli 1776 der "größte Befreier", wie sie den Tod in ihren Gefängnisbriefen genannt hatte, zu ihr kam.

"So viel mehr Leiden mich bedrängt, so viel mehr Gott an mich denkt!"

(Etienne Durand am 19.9.1730 an seine Tochter Marie Durand)

Gebet aus der Tiefe

"Angeschlagen an das Kreuz meines Glaubens, liege ich vor Dir, Herr.

Meiner Bitten erste: Gib mir die Kraft, auszuharren in jeder Versuchung, wenn sie wiederkommen und mich abschwören heißen.

Bedrückt von der Schwäche und Unvollkommenheit, in der ich die achtzehn Jahre meines jungen Lebens hinbrachte, danke ich Dir für dieses Gefängnis, in dem ich nun noch Deiner Gnade anheim gegeben bin. Tröste Nlatthieu, dem ich in diesem Leben angehöre, steh meinem gefangenen Vater bei; zertritt die Schlange meiner unruhigen Lebenshoffnungen. Es will mir scheinen, dass das Licht der Sonne noch lange nicht für mich leuchten wird.

Begnadetes Verlies, in dem ich knie, um Dir mein Leben darzubringen – Herr, schone meiner nicht, der ich nichts mehr als Dich will…"

(Marie Durand)

Das Neue und das Alte

Der Kopf will das Neue. Unsere Augen brauchen immer neue Reize und Bilder. Der Verstand will immer Neues erkennen und weiter forschen. Menschen wollen immer Neues erfahren, anderes erleben, immer das Fremde erforschen und Ungewohntes erproben. Es ist in uns eine tiefe Sehnsucht nach Aufbruch und Abenteuer. Das Fremde und Ferne, das Neue und Unbekannte lockt. Fernweh lässt die Menschen reisen und rasen, aufbrechen und unterwegs sein. Der Kopf will das Neue.

Das Herz will das Alte. Ganz tief in uns wohnt neben der Neugier auch die Sehnsucht nach dem Gewohnten, Vertrauten und Bekannten. Kinder wollen immer dieselben Geschichten, Riten, Bräuche und Abläufe. Menschen haben Lust am Geprägten und Verlässlichen. Wiederkehr schafft Frieden. Neben dem unwiderstehlichen Drang, die Welt zu erobern, liegt das Verlangen, immer dasselbe aus uralten Formen zu bewahren. Neben dem Fernweh wohnt das Heimweh. Wir wollen raus in die Ferne und zugleich rein in das Gewohnte, Liebgewordene und Vertraute. Wir brauchen für unser Herz den Ruheort und das Gehäuse aus festen Formen und immer gleichen Abläufen. Wir sehnen uns nach gewohnten Gaben, nach vertrauten Zeichen, nach bekannten Liedern, nach verlässlichen Grenzen, nach geprägten Worten, nach festen Zeiten. Der Kopf will das Neue. Das Herz will das Alte.

So wird unser Leben eine wunderbare Spannung aus Aufbruch und Heimkehr, aus Fernweh und Heimweh, aus Bewegung und Ruhe sein. Und auch unser Glaube wird eine gesunde Mischung aus Wagnis und Verlässlichem, aus Loslassen und Festhalten, aus Losgehen und Bleiben, aus Veränderung und Bewahrung sein.

"Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und dir vertraut ist!"

(2. Timotheus 3,14)

"Lasset uns wachsen in allen Stücken … Erneuert euch aber im Geist eures Gemüts und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist!"

(Epheser 4,15.23f)