Die zehn Gebote lackiert
In einer kleinen schwedischen Landkirche entdeckte man in einem alten Kirchenbuch kunstvoll verzierte Eintragungen aus dem Jahr 1795. Die säuberlich notierten Aufzeichnungen zeugen von dem gesunden Humor des Künstlers und des Küsters, der sie mit dem gewichtigen Amtssiegel versah und ordnungsgemäß wie folgt registrierte:
1. Das zweite Gebot verändert sowie die zehn Gebote lackiert, 3 Kronen.
2. Pontius Pilatus verputzt, neues Pelzwerk auf seinen Kragen aufge setzt sowie ihn von allen Seiten poliert, 3 Kronen.
3. Den Himmel erweitert und verschiedene Sterne eingesetzt, das ewige Höllenfeuer verbessert und dem Teufel ein vernünftiges Gesicht aufgesetzt, 15 Kronen.
4. Die heilige Magdalena, die völlig verdorben war, erneuert, 12 Kronen.
5. Die klugen Jungfrauen gereinigt sowie sie da und dort angestrichen, 10 Kronen.
6. Den Weg zum Himmel deutlicher markiert, 1 Krone.
7. Die Frau des Potiphar lackiert sowie ihr den Hals vom Schmutz gereinigt, 5 Kronen.
8. Das Rote Meer vom Fliegenschmutz gesäubert, 2 Kronen.
9. Das Ende der Welt weiter zurückgestellt, da es viel zu nahe war, 20 Kronen.
Wenn man herzhaft gelacht hat über die originelle Art des Malers, beginnt man noch einmal ernsthaft über die Eintragungen nachzudenken. Dabei fallen die billigste und die teuerste Arbeit ins Auge. "Den Weg zum Himmel deutlicher markiert", wäre das nicht für Christen das wichtigste? Für andere Menschen den Weg zu Gott, zum ewigen Leben deutlicher auf zeigen, vorleben und lieb machen, das wäre die erste und schönste Aufgabe eines christlichen "Lebenskünstlers". Das andere würde uns wirklich teuer zu stehen kommen, wenn wir eigenmächtig "das Ende der Welt zurückstellen, da es viel zu nahe war"! Gott hat sich den Zeitpunkt der Vollendung seiner Geschichte vorbehalten. Und wenn uns oft das Lebensende oder Weltende viel zu nahe erscheint, so sind das unsere eigenen törichten Gedanken über das Leben und die Welt. Wie gut, dass Gott sich hier nicht von Menschenkünstlern ins Bild pfuschen lässt. Er bleibt der Herr der Zeit und Welt. Und uns bleibt das Wachen und Beten, das Handeln und Leben, das Warten und Eilen.
"Darum wachet; denn ihr wisst nicht, welchen Tag euer Herr kommen wird! Seid bereit! Denn des Menschen Sohn kommt zu einer Stunde, da ihr’s nicht meinet!"
(Matthäus 24,42.44)