Genug zum Leben

Der Prinzregent Luitpold von Bayern hatte sich einst auf der Gemsjagd in den Bergen verstiegen. Ein Almbub fand den hilflosen Mann und half ihm aus der Bergwand heraus und leitete ihn sicher zurück. Wieder in Sicherheit, bedankte sich der Fürst mit einem Geldstück und fragte den Jungen nach Namen, Eltern und Wohnort. "Franzi heiß ich. Ich bin ein Findelkind und hüte da heroben für die Bauern das Jungvieh ‚ " Der Fürst wollte wissen, was er dafür bekomme. "Das Essen und’s Gewand", antwortete der Franzl. "Das ist aber wenig", meinte der Prinzregent. Worauf ihn der Franzl erstaunt fragte: "Hast du vielleicht mehr?"

"Es ist aber ein großer Gewinn, wer gottselig ist und lässet sich genügen. Denn wir haben nichts in die Welt gebracht; darum werden wir auch nichts hinausbringen. Wenn wir aber Nahrung und Kleidung haben, so lasset uns genügen. Denn Habsucht ist eine Wurzel alles Übels!"

(I. Timotheus 6,6-8.10)

Täglich zu singen

Ich danke Gott und freue mich
Wie’s Kind zur Weihnachtgabe,
Dass ich bin, bin! Und dass ich dich,
Schön menschlich Antlitz! habe;

Dass ich die Sonne, Berg und Meer,
Und Laub und Gras kann sehen
Und abends unterm Sternenheer
Und lieben Monde gehen;

Und dass mir denn zu Mute ist,
Als wenn wir Kinder kamen
Und sahen, was der heil’ge Christ
Bescheret hatte, Amen!

Ich danke Gott mit Saitenspiel,
Dass ich kein König worden;
Ich wär geschmeichelt worden viel
Und wär vielleicht verdorben.

Auch bet ich ihn von Herzen an,
Dass ich auf dieser Erde
Nicht bin ein großer reicher Mann
Und auch wohl keiner werde.

Denn Ehr und Reichtum treibt und bläht,
Hat mancherlei Gefahren,
Und vielen hat’s das Herz verdreht,
Die weiland wacker waren.

Und all das Geld und all das Gut
Gewährt zwar viele Sachen;
Gesundheit, Schlaf und guten Mut
Kann’s aber doch nicht machen.

Und die sind doch, bei Ja und Nein!
Ein rechter Lohn und Segen!
Drum will ich mich nicht groß kastei’n
Des vielen Geldes wegen.

Gott gebe mir nur jeden, Tag.
So viel ich darf zum Leben.
Er gibt’s dem Sperling auf dem Dach;
Wie sollt er’s mir nicht geben!

(Matthias Claudius)