Menschenware oder wahre Menschen

Dostojewski schildert in einem seiner Romane, wie ein russischer Student eine alte Frau umbringt, weil sie ihm im Wege steht. Seiner Freundin gegenüber rechtfertigt er seine Tat mit den Worten: "Ich habe eine Laus zertreten!" Das Mädchen antwortet kurz und klar: "Ein Mensch ist keine Laus!"

Weil die Ehrfurcht vor dem Menschen verlorengegangen ist, geschieht soviel Not und Elend, werden soviel Blut und Tränen vergossen. Im Licht der göttlichen Wahrheit müssen wir immer wieder die Würde des Menschen erkennen. Jeder Mensch ist ein Ebenbild und Gegenüber Gottes. Seine Würde liegt nicht in Leistung und Arbeit, in Alter oder Gesundheit begründet, sondern allein in der Zuwendung Gottes und in der Angewiesenheit des Menschen. Unermesslich und unbeschreiblich ist die Würde des Menschen als Gegenüber Gottes, auch für die in den Augen der Menschen Unwürdigsten. Gottes Liebe schüttet einen Damm auf gegen alle Flut von Menschenverachtung. Wo Menschen wie Vieh behandelt, verfolgt und gequält, unterdrückt und zertreten werden, geschieht Sünde, die Verletzung Gottes in der Gestalt seiner Ebenbilder. Wo wir geborenes oder ungeborenes Menschenleben eigenmächtig antasten, laden wir eine schwere Schuld auf uns, die sich wie ein dunkler Schatten auf alle Menschen legt. Der Mensch ist in den Augen Gottes keine Eintagsfliege, keine Arbeitskraft, kein Sandkorn oder Rädchen im Getriebe, sondern gewollt und geliebt, gesucht und geschätzt. Das ist unser und aller Menschen Adel, dass wir von Gott wertgeschätzt und geliebt sind. Darum brauchen wir an uns nicht zu zweifeln, andere nicht verachten, niemanden beneiden, zu keinem falsch heraufsehen, auf niemanden falsch herabsehen. In der Würde, die uns Gott verleiht, sind wir zur Liebe untereinander bereit. So werden aus Herdentieren, Arbeitskräften, Sozialfällen, Fremden und Menschenmaterial wahre Menschen, die Gott gehören und einander achten.

"Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen!"

(I. Timotheus 2,4)