Blind glauben

In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz
und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz.
Lass ruhen zu deinen Füßen dein armes Kind,
es will die Augen schließen und glauben blind!

Dieses Lied von Julie Hausmann wird oft belächelt und der Vereinfachung verdächtigt. Man wirft den Christen vor, dass sie die Augen vor der Härte des Lebens verschließen und blind glauben, statt sehend zu werden.

Als junge Braut war Julie Hausmann unterwegs, um ihrem Verlobten, der als Missionar tätig war, nachzureisen. Sie konnte die Ankunft des Schiffes und den Tag der Hochzeit kaum noch erwarten. Endlich legte das Schiff an. Ein Freund des Bräutigams holte sie ab und führte sie, ganz behutsam erklärend, zu dem kleinen Friedhof der Missionsstation. Dort hatte man vor wenigen Tagen ihren Verlobten begraben. Eine Welt brach für die junge Frau zusammen. In ihrem Schmerz schloss sie sich in der Missionsstation ein und weinte Tag und Nacht und schrie zu Gott. Nach drei Tagen und Nächten schloss sie wieder auf und brachte das bekannte Lied mit: "So nimm denn meine Hände und führe mich…" Sie hatte die Not in ihrer ganzen Härte, das Leben in seiner Unbegreiflichkeit, Gott in seiner Maßlosigkeit gesehen. Und wer Gott gesehen hat als einen Herrn, dem kein Leid und keine Not Grenzen setzt, der kann blind glauben.

Wer Gott gesehen hat in seiner Unbegreiflichkeit und Maßlosigkeit, der kann blind glauben, dass alles gut wird, so schlecht es auch sein mag. "Wenn ich, auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht!" Christen freuen sich daran, wenn sie die Liebe Gottes fühlen. Aber sie glauben auch noch daran, wenn sie sie nicht mehr fühlen.

Gott wird dich tragen,
drum sei nicht verzagt,
treu ist der Hüter,
der über dich wacht,
stark ist der Arm,
der dein Leben lenkt,
Gott ist ein Gott,
der der Seinen gedenkt.
Gott wird dich tragen mit Händen so lind,
er hat dich lieb wie ein Vater sein Kind.
Das steht im Glauben wie Felsen so fest:
Gott ist ein Gott,
der uns nimmer verlässt.

(EJ. Crosby, 1820-1915)