In Gottes Steingarten

Ein kleines Bild kenne ich: gelbe Blüten zwischen Steinen und dunklen Felsritzen. Die Sonne leuchtet ihnen und wärm[ sie. Ein Wort von Pastorelli steht dabei: "Wo Gott uns gesät hat, da sollen wir blühen."

Es gibt Bilder, die brauchen Abstand, wenn sie wirken sollen. Dieses nicht. Ich muss nahe herangehen und mit den Augen suchen und "hineinsehen", dann beginnt es zu sprechen: "Wo Gott uns gesät hat, da sollen wir blühen."

Ich begreife: da – hier – jetzt. Und nicht, wo du dachtest, wo du es so brennend gewünscht, fast verlangt oder gefordert, still gehofft hattest. Also ganz woanders sollst du blühen. Auf fremdem Boden? Nein, es scheint noch schlimmer, noch unbegreiflicher zu kommen: auf gar keinem Boden. Auf Steinen. Dort, wo eigentlich keine Voraussetzungen gegeben sind zu blühen. Der Boden und seine Umgebung waren so wichtig, so ausschlaggebend für die Zukunft. Nun bleibt nicht einmal mehr der Boden, nur der Stein. Vielleicht sagst du: "Mir ist der Boden unter den Füßen genommen worden." Du hattest gemeint, du wärest Gott doch wohl guten Mutterboden wert. Das müsste ihm ein Leichtes sein auf seiner großen Erde. Du verstehst es nicht. Wie soll man da bestehen! Alles ist gegen die Vernunft und ohne Hoffnung. Zum Blühen braucht man doch Erde, saftige Erde mit reichen Nährstoffen. – Dennoch, hier wächst eine gesunde, schöne, leuchtende Pflanze. So wenig brauchst du also, um blühen zu können. Hier, wo Gott dich ausgesät hat, findet er es ausreichend. Du lebst aus seiner Fülle. Die Steine geben dir Kühle und Schatten und – wenn du es brauchst – ihre eigene Sonnenwärme ab. Sie schützen vor Stürmen, speichern ein wenig Regen in ihren Ritzen und haben Mineralstoffe und allerlei Lebendiges für dich bereit. Und du stellst dich auf die Steine ein. Es fehlt dir eigentlich nichts. Du bist reich gesegnet. Du hast keinen Mangel. Du blühst. Mehr sollst du nicht.

(Lieselotte Jacobi)

"Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!"

(Psalm 23,1)