Was ist Sterben?

„Was ist Sterben?“ fragte eine krebskranke Frau ihre Ärztin. Sie antwortete mit einem Bild. „Denken wir an ein Hühnerei, in dem ein kleines Küken fröhlich heranwächst. Es ist darin geborgen und sicher. Das Küken fühlt sich wohl und hat alles, was es zum Leben braucht. Wenn es dann ausgewachsen ist, bekommt es plötzlich Angst. Der Raum wird eng, der Blutdruck steigt. Atemnot setzt ein. Die Raumverdrängung reicht nicht aus, die Eihülle zu sprengen. Das Küken mag angstvoll denken: „Was wird aus mir? Ich muss sterben!“. Das Küken hat Augen und kann nicht sehen. Es hat einen Schnabel und kann nicht fressen. Es hat Flügel und kann nicht fliegen. So denkt es verzweifelt, sein Leben sei nun vorüber und alles aus, sinnlos und vorbei. Da wächst ihm auf dem Schnäbelchen ein kleine Säge, die nur dafür bestimmt ist, die Eischale aufzubrechen. Das Küken benutzt die Säge. Die Eihülle zerbricht, das Küken wird frei und beginnt nun eine neue Stufe des Lebens.

So ist es auch mit unserem Leben. Wir brauchen uns nicht zu fürchten, wenn die Schale der Geborgenheit und Enge zerbricht. Mit Jesus gehen wir in eine neue Stufe des Lebens. Wir wissen jetzt noch nicht, wie es sein wird. Wir spüren die Enge des Todes und fürchten, dass alles aus und vorbei sein könnte. Da kann uns eine kleine Säge zuwachsen, das ist der Glaube an Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das ewige Leben für uns aufgeschlossen hat. Mit diesem Glauben werden wir die Grenze durchbrechen und in ein neues Leben gehen können. Auf uns wartet im Glauben nicht die Enge des Todes, sondern die Freiheit des Lebens.

„Endlich frei, endlich frei. Ich danke Gott. Ich bin endlich frei – endlich frei.“
(Diese Worte bestimmte Dr. Martin Luther King für seinen Grabstein

Aus Axel Kühner: „Überlebensgeschichten für jeden Tag“
Aussaat-Verlag, Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-1612-6

Warum lässt Gott das zu?

Warum lässt Gott das zu, dass die Sonne über alle Menschen ihr Licht verströmt, dass der Regen die Erde feuchtet, dass Pflanzen aufwachsen und Blumen blühen, dass Bäume leben und Früchte bringen, dass Vögel und Insekten durch die Luft schwirren, Fische das Wasser beleben und Menschen und Tiere die Erde bevölkern?

Warum lässt Gott das zu, dass Mann und Frau sich in der Liebe erkennen, dass Kinder geboren und groß werden, dass Augen sehen, Ohren hören, Hände tasten und Menschen miteinander sprechen können?

Warum lässt Gott das zu, dass Menschen denken und arbeiten, ruhen und spielen, lieben und lachen, laufen und leben können, dass sie Bilder malen und anschauen, Musik machen und anhören, Bücher schreiben und lesen, Häuser bauen und bewohnen können?

Warum lässt Gott das zu, dass es Jahreszeiten und Festzeiten, Saat und Ernte, Himmel und Erde, Land und Meer, Berge und Täler, Flüsse und Meere, Wege und Ziele gibt?

Warum lässt Gott das zu, dass wir atmen und essen, singen und tanzen, nehmen und geben, festhalten und loslassen, forschen und erkennen, planen und aufbauen können?

Warum lässt Gott das zu, dass die Erde von der Sonne so weit entfernt ist, dass das Leben gewärmt, aber nicht verbrannt wird, dass sich die Erde um sich selber dreht, damit Tag und Nacht, Licht und Dunkel entstehen, dass die Erdachse um 23 Grad geneigt ist, damit es vier Jahreszeiten gibt?

Warum lässt Gott das zu, dass Menschen zu ihm kommen, mit ihm reden, unter sei-ner Obhut Zuflucht finden und für ihre Sünde Vergebung erlangen können?

Warum lässt Gott das zu, dass sein Sohn Jesus Christus für uns lebt, leidet, stirbt, aufersteht und wiederkommt, damit wir nach einem erfüllten Leben hier an einem ewigen Leben dort mit Gott teilhaben dürfen?

Warum lässt Gott das zu? Weil er es gut meint!

Aus Axel Kühner: „Voller Hoffnung“
Aussaat-Verlag; Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-5327-7

Von guten Mächten treu und still umgeben

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Noch will das alte unsere Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last,
ach Herr, gib unsern aufgescheuchten Seelen
das Heil, für das Du uns bereitet hast.

Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann woll´n wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört Dir unser Leben ganz.

Lass warm und still die Kerzen heute flammen,
die Du in unsere Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Dietrich Bonhoeffer

Chr. Kaiser-Verlag, München

Versteht mich niemand?

Ein Mädchen kommt weinend zu mir und sagt: „Niemand versteht mich!“ Ich sage: „Du hast Eltern, die sich Mühe geben mir dir.“ „Ja, aber richtig verstehen können sie mich nicht!“ Ich frage: „Hast du Freundinnen und Freunde, mit denen du reden und deine Gedanken teilen kannst?“ „Ja, die sind alle nett zu mir, aber mein Innerstes, was mich letztlich bewegt, verstehen sie auch nicht.“ Dann sage ich zu ihr: „Verstehst du dich denn selbst?“ Da hören die Tränen plötzlich auf, und nachdenklich sagt das Mädchen: „Ich verstehe mich ja selber nicht ganz!“

Ja, wir können uns selbst und einander nicht ganz verstehen. Das gehört mit zu uns Menschen jenseits von Eden. Wir sind einander wie ein Versprechen, das nicht gehalten werden kann. Wir können uns im Letzten nicht verstehen. In den Höhen des Glücks, in den Tiefen des Leides, in den letzten Fragen nach Wahrheit, in der Ein-samkeit des Todes, in der Verantwortung vor Gott können wir uns das Leben letztlich nicht teilen. Es bleibt ein Rest Einsamkeit. Das gehört zu uns Menschen nach Adam und Abel, nach Kain und Babel. Das gehört mit zur Last des entfremdeten Menschen.

Die Einmaligkeit des Menschen ist immer auch seine Einsamkeit. Aber Gott in seiner Liebe teilt unser Leben in einem ganz tiefen und restlosen Verstehen. Sein Mitwissen mit uns wird ein Mitleben, Mitfreuen, Mitleiden, Mitsterben und Für-uns-Auferstehen. Einer versteht mich!

„Wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende!“
(Johannes 13,1)

Aus Axel Kühner: „Überlebensgeschichten für jeden Tag“
Aussaat-Verlag, Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-1612-6

Versandete Tage

Herr mein Gott – es gibt Tage,
an denen alles versandet ist:
die Freude, die Hoffnung,
der Glaube, der Mut.

Es gibt Tage, an denen
ich meine Lasten
nicht mehr zu tragen vermag:
meine Krankheit, meine Einsamkeit,
meine ungelösten Fragen, mein Versagen.

Herr, mein Gott,
lass mich an solchen Tagen erfahren,
dass ich nicht allein bin,
dass ich nicht durchhalten muss
aus eigener Kraft,
dass du mitten in der Wüste
einen Brunnen schenkst
und meinen übergroßen Durst stillst.

Lass mich erfahren,
dass du alles hast und bist,
dass ich in dir wiederfinde,
was ich verloren habe.
Lass mich glauben,
dass du meine Wüste
in fruchtbares Land
verwandeln kannst.

(nach Sabine Naegeli)

„Die Wüste und Einöde wird frohlocken, und die Steppe wird jubeln und wird blühen wie die Lilien. Sie wird blühen und jubeln in aller Lust und Freude. Stärket die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! Saget den verzagten Herzen: seid getrost und fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott!“
(Jesaja 35, 1-4)

Aus Axel Kühner: „Zuversicht für jeden Tag“
Aussaat-Verlag, Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-5083-9

Trost erfahren

In einem kleinen Dorf wohnte ein großes Glück. Ein Mann und eine Frau bekamen ein Mädchen, das der Sonnenschein aller wurde. Eines Tages wurde das Kind vor den Augen der Eltern auf der Straße überfahren. Das ganze Dorf nahm Anteil an der Trauer der Eltern. Auch nach über einem Jahr war die Mutter über den Verlust ihres Kindes untröstlich. Sie konnte keine Kinder mehr spielen sehen ohne bittere Gedanken. Langsam wuchsen in ihr Hass und Zorn, Neid und Eifersucht auf alles Lebendige und Gesunde. In ihren Gedanken lebten alle Menschen glücklich und zufrieden. Nur sie war geschlagen und voller Leid.

In ihrer Not ging sie zum Pfarrer. Der bat sie, durch das Dorf zu gehen und sich aus jedem Haus, in dem kein Leid wohnt, eine Blume zu erbitten. Mit dem Strauß sollte sie dann nach einer Woche wieder kommen. Die Frau ging durch ihr Dorf von einem Haus zum anderen. Als sie nach einer Woche zum Pfarrer kommt, hat sie nicht eine einzige Blume, aber einen Strauß von Erfahrungen. Sie musste erleben, dass in jedem der Häuser ein Leid wohnt, eine Not ist und Trost nötig war. So konnte sie manchen Leuten aus ihrer eigenen Schmerzerfahrung raten und beistehen. Das war der Anfang einer inneren Heilung.

Aus Axel Kühner: „Voller Hoffnung“
Aussaat-Verlag; Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-5327-7

Trauer und kein Trost

In seinem berühmten Roman „Die Brüder Karamasow“ erzählt Dostojewski von einer Mutter, die über den Verlust ihres kleinen Jungen so untröstlich und verzweifelt ist, dass sie den bekannten Starzen Sosima um Rat und Trost bittet. „Es ist“, sagte der Starze, „es ist wie in uralten Zeiten: „Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.“ So ist nun mal das Los, das euch Müttern auf Erden beschieden ist. Tröste dich also nicht, du brauchst dich nicht zu trösten, tröste dich nicht und weine, nur rufe dir jedes Mal, wenn du weinst, fest ins Gedächtnis, dass dein Söhnchen einer von den Engeln Gottes ist, von dort auf dich hernieder schaut und dich sieht, sich über deine Tränen freut und Gott den Herrn auf sie hinweist. Und lange noch wird dir dieses heilige mütterliche Weinen auferlegt sein, doch schließlich wird es sich wandeln in eine stille Freude, und deine bitteren Tränen wer-den dann Tränen einer stillen Rührung sein und einer Läuterung des Herzens, die von Sünden bewahrt. Deines Kindleins aber will ich in meinem Gebet gedenken, auf dass Gott seiner Seele Ruhe schenke.“

„So spricht der Herr: Man hört Klagegeschrei und bitteres Weinen in Rama. Rahel weint über ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen über ihre Kinder, denn es ist aus mit ihnen. Aber so spricht der Herr: Lass dein Schreien und die Tränen deiner Augen, denn deine Mühe wird noch belohnt werden, spricht der Herr: Sie sollen wiederkommen aus dem Landes des Feindes!“
(Jeremia 31,15f)

Aus Axel Kühner: „Zuversicht für jeden Tag“
Aussaat-Verlag, Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-5083-9

Stark gemacht

Eine Legende aus der Sahara erzählt, dass ein missgünstiger Mann in einer Oase eine besonders schöne, junge Palme heranwachsen sah. Da er von Neid auf alles Junge, Hoffnungsvolle erfüllt war, wollte er die schöne Palme verderben. Er nahm einen schweren Stein und legte ihn mitten auf die junge Krone. Der junge Baum schüttelte sich, aber es gelang ihm nicht, den Stein abzuwerfen. Da entschloss er sich, mit der Last zu leben. Er grub seine Wurzeln tiefer in die Erde, sodass die Äste kräftig genug wurden, den schweren Stein zu tragen.

Nach Jahren kam der Mann zurück, um sich an dem verkrüppelten Baum zu erfreuen. Aber er suchte ihn vergebens. Die Palme, inzwischen zur größten und stärksten der ganzen Oase herangewachsen, sagte zu dem Mann: „Ich muss dir danken, deine Last hat mich stark gemacht!“

Aus Axel Kühner: „Voller Hoffnung“
Aussaat-Verlag, Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-5327-7

Segensgebet

Der Herr sei vor dir, um dir den rechten Weg zu zeigen.
Der Herr sei neben dir, um dich in die Arme zu schließen, um dich zu schützen gegen Gefahren.
Der Herr sei hinter dir, um dich zu bewahren vor der Heimtücke des Bösen.
Der Herr sei unter dir, um dich aufzufangen, wenn du fällst.
Der Herr sei in dir, um dich zu trösten, wenn du traurig bist.
Der Herr sei um dich herum, um dich zu verteidigen, wenn andere über dich herfallen.
Der Herr sei über dir, um dich zu segnen.
So segne dich der gütige Gott heute und morgen und immer. Amen

Patrik, Apostel von Irland

Leben ist Einsamsein

Ein einzigartiges Leben ist immer auch ein einsames Leben. Zu der Einmaligkeit des Menschen gehört auch seine Einsamkeit. Weil wir einzig sind, sind wir auch einzeln.
Ein Same wird ausgebracht, und durch die Schmerzen der „Einsamkeit“ wird vielfältige Frucht eingebracht. Das ist die Fülle und die Freude des Lebens. Die fruchtbare Einsamkeit ist also die, ein ganzer Mensch zu sein, der ausgesät wird und Frucht des Lebens bringt.
Die furchtbare Einsamkeit ist die, als Same erhalten zu bleiben und am Ende ganz allein zu sein.
Einsamkeit hat immer zwei Gesichter, ein freundliches und ein schreckliches. Das freundliche Gesicht der Einsamkeit blickt uns liebevoll an und ermutigt uns, in der Einsamkeit zu uns selber, zum Wesentlichen, zum Schöpferischen zu finden. Das düstere Gesicht der Einsamkeit erschreckt uns mit der Aussicht, ohne einen Lebenszusammenhang allein und verlassen zu bleiben..

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, so bleibt es allein (furchtbare Einsamkeit!). Wenn es aber erstirbt, so bringt es viel Frucht (fruchtbare Einsamkeit)
(Johannes 12,2-4)

Aus Axel Kühner: „Eine gute Minute“
Aussaat-Verlag; Neukirchen-Vluyn
ISBN 3-7615-1571-5