Gott ist Geist, ordnender, schaffender, liebender und lebendiger Geist. Durch seinen Geist schuf Gott aus Chaos den Kosmos, aus dem Nichts das All, aus der Finsternis das Licht. Gottes Geist drängt zur Verleiblichung. So schafft und ordnet er die Welt, scheidet und fügt zusammen, setzt und segnet das Leben.
Gott kommt zur Welt in seiner Schöpfung, in seinem Volk, in der Geschichte, in seinem Sohn, in seiner Gemeinde, die man den Leib Christi nennt.
Das geistige Wesen Gottes drängt zur Verleiblichung, will zur Welt kommen und Gestalt gewinnen. Daraus ergeben sich die Spannungen von offenbar und verborgen, sichtbar und unsichtbar, leiblich und geistig.
Gott zeigt sich und verbirgt sich, wird Mensch und bleibt Gott, wird sichtbar und niemand wird ihn sehen, kommt nahe und bleibt unbegreiflich.

Was verborgen ist, ist des Herrn, unseres Gottes; was aber offenbart ist, das gilt uns und unsren Kindern ewiglich, dass wir tun sollen alle Worte dieses Gesetzes.
5.Mose 29,28

Gott formte uns Menschen aus Erde vom Acker. Darum sind wir Erdenkinder, auf der Erde, aus Erde, eben irdisch und erdverbunden. Dann hauchte Gott dem Menschen seinen Lebensatem ein und machte uns so zu seinem lebendigen Gegenüber. Darum sind wir Gottes Kinder, Atem an Atem, Mund an Mund, Gesicht an Gesicht mit Gott.
Damit schenkte Gott uns eine Spannung, die ständig neues Leben und Sehnsucht gebiert, Erdenkinder – Gotteskinder, ganz für die Erde – ganz für Gott, die Füße auf der Erde, den Kopf in den Himmel. Der Mensch hat diesen Einklang verloren, sich vom Lebensatem Gottes abgewandt und sich im Erdendreck wiedergefunden. "Mir geht es dreckig!"
Ganz andere Geister hauchten uns an, der Geist der Lüge, der widrige Sturm des Bösen und der kalte Hauch des Todes. Bis einer kam, der wirklich das Ebenbild Gottes, die Entsprechung seines Vaters, Menschenkind und Gottes Sohn in einem war.
Wer sich zu Jesus kehrt und in seiner Spur lebt, wird das werden, worauf wir alle angelegt sind: Gottes Kind und Menschenskind im Vollsinn des Wortes.

Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.
1.Mose 2,7

Gott wollte ein Gegenüber und machte den Menschen zu seinem Bild. Bild Gottes ist nicht eine äußere Abbildung, sondern eine innere Entsprechung. Der Mensch kann aus Gott heraus mit ihm sprechen, ihm entsprechen. Es besteht ein innerer Zusammenhang und zugleich eine Spannung zwischen Gott und Mensch. Der Mensch ist angelegt auf Gott hin, wie die Magnetnadel auf den Nordpol, die Zugvögel auf den Süden, das Kind auf die Mutter. Die letzte Erfüllung seines Ichs findet der Mensch nur in dieser Beziehung.
Aber er kann die Beziehung auch stören und verlassen. Der Mensch wurde gottlos, aber er wird Gott nie los. Der Mensch wurde schuldig, aber er bleibt Gott verhaftet. Der Mensch stellte sich gegen Gott und blieb doch sein Gegenüber. Der Mensch verspielte den Segen Gottes, so blieb ihm sein Fluch. Aber ohne Gott wird er niemals sein. Wenn der Mensch im Gebet nicht mehr mit Gott spricht, schreit noch seine Schuld zu Gott. Der Mensch kann Gott weglaufen, ihm aber niemals entfliehen.

Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? … Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Und nun: Verflucht seist du auf der Erde!
1.Mose 4,9ff

Unter den Spannungsbögen, die Gott aufbaut, wird sich auch unser Leben aufbauen. Denn die Bögen Gottes sind Bögen der Treue. Die Kriegsbögen der Erde stellt Gott in seinen Himmel und lässt seine Liebe in sieben Farben leuchten. Gott wacht Tag und Nacht über Himmel und Erde, Menschen und Tiere. Er setzt einen Anfang und ein Ziel. Leben und Sterben sind in seiner Hand. Er ist die Ewigkeit und setzt die Zeit. Er öffnet den Lebensweg und setzt dem Leben ein Ziel. Er schenkt Arbeit und Ruhe, ordnet die Werktage und den Feiertag, lässt auf Wachen den Schlaf folgen.
Gott spannt den Bogen des Lebens aus, und wir Menschen sind in seine Zusammenhänge eingespannt. So bleibt das Leben lebendig und der Alltag spannend. Und jede Spannung zielt letztlich auf Erlösung und Vollendung, auf den Sabbat, die Ewigkeit.

So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. Und so vollendete Gott am siebenten Tag seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tag von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.
1.Mose 2.1f

Gott hat in seine Schöpfung Spannungen hineingewoben.
Er ordnete in Liebe das Gegenüber von Himmel und Erde und setzte mit einem Anfang auch die Vollendung. Er schied mit Bedacht Licht und Finsternis, Tag und Nacht, Land und Meer. Er schuf mit Sorgfalt aus Chaos Kosmos, Raum und Zeit.
Gott ließ es Abend und Morgen werden, fügte Saat und Ernte, Ebbe und Flut, Berg und Tal. Sein Geist formte das Leibliche und seine Energie die Masse. Erde und Luft, Feuer und Wasser, Sommer und Winter, Ost und West, Sonne und Mond stehen sich gegenüber und gehören zusammen im Haus der Welt.
Gott schuf Tiere und Menschen, Mann und Frau, Eltern und Kinder, Geboren werden und Sterben, Jung und Alt.
Alle diese Spannungen sind nach Gottes Willen Geburtsorte neuen Lebens. Sie sind Antrieb zum Wachsen, Energie zum Entfalten, Motivation zum Reifen und Herausforderung zum Leben. Erst die Spannung macht einen Stromkreis zur Energie. Erst eine gespannte Feder bringt eine Uhr zum Laufen.
Unser Leben ist voller Spannung und Dynamik, voll guter Unruhe und Bewegung. Natur und Kultur, Denken und Glauben sind ohne Spannungen und Herausforderungen tot und leblos.

Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.
1.Mose 1,31

Erzählen kommt von zählen und erinnert daran, dass in den alten Sprachen die Buchstaben eine Zahl, ein Bild und ein Laut sind.
Die Bibel beginnt mit dem Beth, der Zahl nach der Zwei, dem Bild nach ein Haus, dem Laut nach das b.
Die ersten beiden Worte der Bibel enthalten die Zahlen 2 – 200 – 1 und sind damit ein Schlüssel zum Verständnis der Welt.
Gott, die Eins, schafft die Welt. Es entsteht die Zwei, Schöpfer und Schöpfung. Die Zwei entfaltet sich in der Geschichte in viele Zweiheiten (200). Aber das Ziel der Schöpfung ist die Eins, die Ewigkeit.
In den ersten beiden Worten der Bibel ist der Bauplan der Welt als Haus angedeutet: 2 – 200 – 1.
Darum sagen wir so oft und mit Recht: "Das Leben ist nicht einfach!" Zum Glück passt das ganze Leben nicht in ein Fach! Es ist immer zweifach, vielfach, voller Spannungen und Kontrapunkte. Aber alles zielt auf Erlösung und Eindeutigkeit.

Es sind immer zwei, eins steht dem andern gegenüber, und dem einen, was Gott gemacht hat, fehlt nicht das andere. Gott hat es so geordnet, dass eins dem andern nützt.
Sirach 42,25f

Erbärmlich und kurz ist das Leben derer, die mit großer Anstrengung das erwerben, was sie mit noch größerer Mühe festhalten müssen, um es eines Tages unter größten Schmerzen loslassen zu müssen.

Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.
Lukas 12,20f

"Irene aus der sechsten Klasse. Vor wenigen Wochen kam sie mit schlimmen Würgemalen in die Schule. Auf meine Frage meinte sie fast entschuldigend:,Meiner Mama ihr Bauch wird immer dicker, und wenn die drei Kleinen so toben, dann verliert sie die Nerven. Die Kleinen schlagen, das bringt ja nichts. Ich bin doch die Älteste!‘

Rolf ist der dritte Papa‘ der Elfjährigen. Jetzt steht sie in der Wohnungstür, so schmal und klein, dass sie unter dem großen Schulranzen beinah verkrüppelt wirkt. Der Anorak, an den Ärmeln hochgekrempelt, reicht fast bis in die Knie. Die Wollmütze wird nur von der Brille gehindert, ihr ganz ins Gesicht zu rutschen. Die Augen hinter den dicken Gläsern wirken heute noch größer, noch blauer.

‚Nun, Irene, was ist denn passiert?‘ ‚ Er hat mich umgeben!‘ Es klingt
ganz einfach, froh und still zugleich. Umgeben? Wer?‘,Nun, ER. Von allen
Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.’Du meinst un-
seren Psalm?‘,Der Gott hat mich umgeben! Das war so. Die Mama und
der Papa haben sich geschlagen. Ich hatte Angst und bin in mein Bett
unter die Decke. Die Mama hat so geschrien. Ich hab gedacht, er macht
sie tot. Dann waren sie irgendwann still. Aber ich konnte nicht einschla-
fen. Ich hab auch gefroren, dabei hatte ich meine Kleider noch an. Aber
mir war kalt. Und angst. Und dann auf einmal, dann hat ER mich um-
geben.‘ ‚ Du hast Gott gespürt? ‚ Sie nickt. Es war ganz arg hell, und ich
brauchte keine Angst haben. Und dann hat das Helle aufgehört. Aber
immer noch warm. Und ich bin eingeschlafen. Gott hat mich umgeben.‘
,Glaubst du das auch? ‚Sie ist ganz gewiss, aber schaut mich fragend an.
,Ja, Irene, das glaube ich auch.’Wir sind beide still."

(Inger Hermann)

Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hände über mir.

(Psalm 139,5)

"Meine Eltern – das war Schutz, Vertrauen und Wärme. Wenn ich an meine Kindheit denke, spüre ich noch heute das Gefühl der Wärme über mir, hinter mir und um mich, dieses wunderbare Gefühl, noch nicht auf eigene Rechnung zu leben, sondern sich ganz, mit Leib und Seele, auf andere zu stützen, welche einem die Last abnehmen. Meine Eltern trugen mich auf Händen, und das ist wohl der Grund, warum ich in meiner ganzen Kindheit niemals den Boden berührte.
Meine Eltern – das war der Himmel. Ich wusste, dass sich in ihnen ein anderes Wesen meiner annahm, mich ansprach. Dieses Andere nannte ich nicht Gott – über Gott haben meine Eltern mit mir erst später gesprochen. Ich gab ihm überhaupt keinen Namen. Es war da, und das war mehr. Ja, hinter meinen Eltern stand jemand, und sie waren nur beauftragt, mir dieses Geschenk aus erster Hand weiter zu geben. Es war der Anfang meines Glaubens." (Jacques Lusseyran)

Er segnet, die den Herrn fürchten, die Kleinen und die Großen. Der Herr segne euch je mehr und mehr, euch und eure Kinder!
Psalm 115,13f

Das Meer nimmt auch die kleinsten Flüsse auf, daher seine Tiefe und Weite.

Er wird gnädig sein den Geringen und Armen, und den Armen wird er helfen.
Psalm 72,13