Erfüllung ist möglich

Siehe, Herr,
ich bin ein leeres Gefäß,
das bedarf sehr,
dass man es fülle.

Mein Herr, fülle es,
ich bin schwach im Glauben;
stärke mich,
ich bin kalt in der Liebe.
Wärme mich und mache mich heiß,
dass meine Liebe herausfließe
auf meinen Nächsten.
Ich habe keinen festen, starken Glauben,
ich zweifle zuzeiten
und kann dir nicht völlig vertrauen.
Ach Herr, hilf mir,
mehre mir den Glauben und das Vertrauen.
Alles, was ich habe,
ist in dir beschlossen.
Ich bin arm,
du bist reich
und bist gekommen,
dich der Armen zu erbarmen.
Ich bin ein Sünder,
du bist gerecht.
Hier bei mir ist die Krankheit der Sünde,
in dir aber ist die Fülle der Gerechtigkeit.

Darum bleibe ich bei dir,
dir muss ich nicht geben:
von dir kann ich nehmen.
(Martin Luther)

Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
Johannes 1,16

Auf den Inhalt kommt es an

Ich bin nur ein irdenes Krüglein,
gering und gar nicht viel wert,
und doch von dem himmlischen Vater
geachtet, geliebt und geehrt.

Ich bin nur ein irdenes Krüglein,
zerbrechlich, empfindlich und klein,
doch füllte mein Meister dort oben
sein himmlisches Leben hinein.

Ich bin nur ein irdenes Krüglein,
doch trag ich des Glaubens Gold
in meiner unscheinbaren Hülle,
weil so es mein Meister gewollt.

Ich bin nur ein irdenes Krüglein,
gottlob in des Heilandes Hand!
Er trägt und schirmt und hält mich
auf dem Wege durchs irdische Land.

Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwengliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu erneuert.
2.Korinther 4,7.16

Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein

Ein Bäcker bezog vom Bauern Butter und der Bauer vom Bäcker Brot. Nun schien es dem Bäcker, als ob die Butterstücke des Bauern, die drei Pfund wiegen sollten, immer leichter würden. Seine Waage gab ihm recht, und er verklagte seinen Butterlieferanten beim Richter.
"Ihre Butterstücke sollen nicht die erforderliche Schwere haben", sagte der Richter zum Bauern. "Dies Stück soll drei Pfund wiegen, nicht wahr? Es wiegt aber viel weniger." "Das ist ausgeschlossen, Herr Richter", sagte das Bäuerlein, "ich habe es jedes mal nachgewogen." "Vielleicht stimmen Ihre Gewichte nicht", meinte der Richter. "Gewichte?" Das Bäuerlein war erstaunt. "Ich habe keine Gewichte, brauche auch keine." "Aber womit wiegen Sie denn, wenn Sie keine Gewichte haben?" "Das ist ganz einfach, Herr Richter, und auch gerecht. Sehen Sie, ich krieg mein Brot vom Bäcker, so wie er seine Butter von mir. Und so ein Laib Brot wiegt drei Pfund, nicht wahr? Nun – da leg ich auf die eine Seite der Waage meine Butter und auf die andere einen Laib Brot, und dann balancier ich das aus."
Sprach’s und zog ein "Dreipfundbrot" des Bäckers hervor. Der Richter wog nach – die Butter war aufs Haar genauso schwer wie das Brot. Der Richter lachte, der Bauer lächelte, der Bäcker tobte. Der Bauer wurde freigesprochen und der Bäcker verurteilt.

Falsche Waage ist dem Herrn ein Gräuel; aber ein volles Gewicht ist sein Wohlgefallen.
Sprüche 11,1

Stiehl du selbst diesen Schatz

"Zu wem soll ich rufen, Herr, bei wem werde ich Zuflucht finden, wenn nicht bei Dir? Alles, was nicht Gott ist, kann mein Erwarten nicht erfüllen. Gott selbst ist es, nach dem ich verlange und den ich suche; an Dich allein, mein Gott, wende ich mich, um Dich zu erlangen.
Öffne mein Herz, Herr, dringe ein in diesen Ort des Aufruhrs, den die Laster besetzt halten. Sie halten ihn in ihrer Gewalt. Ziehe dort ein wie in das Haus des Starken, aber fessele zuvor den starken und mächtigen Feind, der es beherrscht, und nimm dann die Schätze, die sich dort befinden. Herr, nimm meine Liebe, welche die Welt gestohlen hatte, stiehl Du selbst diesen Schatz, oder vielmehr nimm ihn zurück, denn er gehört Dir wie ein Tribut, den ich Dir schulde, denn Dein Bild ist darin eingeprägt. Du hattest es dort gestaltet, Herr, im Augenblick meiner Wiedergeburt; aber es ist ganz ausgelöscht. Das Abbild der Welt ist so darin eingelassen, dass das Deinige nicht mehr erkennbar ist.
Du allein hast meine Seele erschaffen können, Du allein kannst sie neu schaffen; Du allein hast darin Dein Bild formen können, Du allein kannst es neu formen, ihr Dein ausgelöschtes Bild wieder einprägen, das heißt: Jesus Christus, mein Erlöser, der Dein Abbild und das Gepräge Deines Wesens ist!" (Blaise Pascal)

Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?
Psalm 42,3

Wunde Stellen

Ein Sprichwort sagt: "Die Zunge geht immer da hin, wo der Zahn weh tut!" Unsere Gedanken und Erinnerungen kreisen immer um die Stellen im Leben, die uns schmerzen. Kränkungen, die wir empfingen, beschäftigen unsere Gefühle, tauchen in unseren Träumen auf und lenken unsere Gedanken. Versäumnisse, die uns schmerzen, besetzen unsere Seelen und Empfindungen. Wir werden sie nicht los, und Schuldgefühle verfolgen uns. Enttäuschungen besetzen unser Leben, und in unseren Erinnerungen werden sie riesengroß. Verluste und Defizite, Mängel und Unerfülltheiten nehmen unsere Gedanken gefangen, und die Macht des Fehlenden hält uns im Griff. Wir kommen davon nicht los. Die Zunge, dieses kleine sensible Organ, geht immer da hin, wo der Zahn weh tut. Aber das ist auch unsere Chance. Nur so werden wir erinnert, die wunden Stellen des Lebens behandeln zu lassen. Nur so haben wir die Möglichkeit, die Schmerzen zu bekämpfen und ihre Ursache zu überwinden. So ärgerlich die Zunge ist, wenn sie immer da hingeht, wo der Zahn weh tut, so dienlich ist sie uns auf dem Wege, Heilung zu finden. Darum wollen wir die wunden Stellen des Lebens, die Schmerzen der Seele, die Verletzungen unseres Gemütes und die Beschädigungen unserer Person nicht übergehen und verdrängen, sondern von der Liebe Gottes behandeln lassen.

So spricht der Herr: Dein Schaden ist verzweifelt böse, und deine Wunden sind unheilbar. Deine Sache führt niemand; da ist keiner, der dich verbindet, es kann dich niemand heilen. Aber ich will dich wieder gesund machen und deine Wunden heilen!
Jeremia 30,12f.17

Schmerz und Freude

"Scheiden tut weh", heißt es in einem Volkslied. Jede Trennung hat ihren Schmerz. Wer seine Heimat verliert, Gewohntes verlässt, gute Freunde vermisst, vom Arbeitsleben Abschied nimmt, glücklichen Zeiten nachtrauert, Kinder aus dem Haus gehen sieht und liebe Menschen zur letzten Ruhe geleitet, kennt dieses Weh. Scheiden, Trennen, Verlieren, Vermissen, Verabschieden, Zurücklassen und Entbehren sind die Worte für diesen Schmerz.
"Aber dein Scheiden macht, dass mir das Herze lacht …" so geht das Lied weiter und erinnert uns daran, dass in allem Schmerz der Trennung auch die Freude des Aufbruchs und Gewinns verborgen liegt. Neue Zeiten, neue Länder, neue Wege, neue Menschen, neue Erfahrungen, neue Aufgaben, neues Leben sind nur möglich, wenn wir mutig zurücklassen und fröhlich aufbrechen. So gehen Abschied und Anfang ineinander über.
Geboren werden und Sterben sind die extremsten und markantesten Beispiele für diesen Zusammenhang. Wehen und Schmerzen, Glück und Freude sind in der Geburt eins. Es tut so weh und ist so gut, dass das Herze lacht.
Auch im Sterben sind Leiden und Weh mit Hoffnung und Aufbruch, schmerzliches Ende und glücklicher Anfang ineinander gewoben.
Wenn vergehende Zeit werdende Ewigkeit, wenn Abschied nehmen Aufbrechen, wenn Scheiden Ankommen ist, dann darf beides sein: "Scheiden tut weh, aber das Scheiden macht, dass mir das Herze lacht …

Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein … Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.
Psalm 126,1f.5f

Die Rätsel der Königin von Saba

Der Ruhm von der Klugheit König Salomos drang selbst bis in das weite Land der Königin von Saba. Sie wollte sich nun selbst davon überzeugen und machte sich auf den Weg nach Jerusalem (1.Könige 10,1ff).
Als sie vor Salomo trat, sagte sie: "Ich will dir einige Rätsel aufgeben, und wenn du mir ihre Lösung nennst, dann werde auch ich wissen, dass das Gerücht, das ich von dir gehört habe, auf Wahrheit beruht."
Da sagte der König: "Nenne mir deine Rätsel, auf dass ich sie höre!"
Und die Königin sprach: "Sag mir, wenn du es weißt, wo ist das Wasser, das vom Himmel nicht fließt, auch strömt es nicht von Bergen und Felsen, manchmal ist es süß wie Honig, manchmal bitter wie Wermut, obwohl diese Tropfen von einer Quelle kommen?"
Da antwortete Salomo: "Die Träne strömt nicht von den Himmelshöhen, auch nicht von Felsspitzen ergießt sie sich auf die Wange; wenn das Menschenherz sich freut, ist sie süß für die Augen, aber bei Schmerz und Leid ist sie siebenfach bitter."
Und die Königin sagte: "Meine Mutter, die mich liebte, gab mir zwei nette Dinge. Das eine wurde im Meere geboren, das andere in den Tiefen der Erde und der Berge."
Und der König antwortete: "Die Perlenschnur an deinem Hals und der goldene Ring an deinem Finger werden deinem Herzen sagen, dass ich des Rätsels Lösung gefunden habe."
Die Königin fragte weiter: "Sage mir, wenn du es weißt, wer ist der Unglückliche, den man noch vor seinem Tode in die Erde legt, er ist nicht gestorben, und schon begräbt man ihn? Er liegt, bekommt Kraft und erwacht zum Leben. Die ihn begraben hatten, verdienen an ihm sehr viel."
Da antwortete Salomo: "Das Samenkorn in der Erde, die Ähren und das Getreide werden meiner Fragenden sagen, dass ich das Rätsel gefunden habe."
Und wieder fragte die Königin: "Sag mir, du weiser König, wer ist lauter und rein, wenn er vom Himmel steigt, nachher wird er zu Kot auf den Wegen? Wenn er in seinen Geburtsort zurückkehrt, ist er wieder rein und lauter wie früher."
Darauf antwortete der König: "Was ist weißer als Schnee, wenn er vom Himmel kommt, was ist schmutziger als der Schneeschlamm auf den Wegen? Die Wolken haben ihn geboren und auf die Erde geschickt. Scheint die Sonne, kehrt er zu ihnen wieder zurück."
Nachdem König Salomo die Rätsel gelöst hatte, sagte die Königin von Saba: "Ich habe dich vier Rätsel gefragt, und du hast nicht nur die treffende Lösung gewusst, sondern auch deine Antworten in schöne Worte gekleidet."

Die Königin vom Süden wird auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, um Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist
mehr als Salomo!"
Matthäus 12,42

Bedeckt mit deinem Segen

Herr, der du mir das Leben
bis diesen Tag gegeben,
dich bet ich kindlich an.
Ich bin viel zu geringe
der Treue, die ich singe
und die du heut an mir getan.

Mit dankendem Gemüte
freu ich mich deiner Güte,
ich freue mich in dir.
Du gibst mir Kraft und Stärke,
Gedeihn zu meinem Werke
und schaffst ein reines Herz in mir.

Ich weiß, an wen ich glaube,
und nahe mich im Staube
zu dir, o Gott, mein Heil.
Ich bin der Schuld entladen,
ich bin bei dir in Gnaden,
und in dem Himmel ist mein Teil.

Bedeckt mit deinem Segen,
eil ich der Ruh entgegen;
dein Name sei gepreist.
Mein Leben und mein Ende
ist dein; in deine Hände
befehl ich, Vater, meinen Geist.
(Christian Fürchtegott Gellert)

In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott. Ich, Herr, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott! Meine Zeit steht in deinen Händen.
Psalm 31,6.15f

Endspiel

Bedrückend negativ und grausam sinnlos beschreibt Samuel Beckett das Leben in seinem Stück "Endspiel". Die Wirklichkeit des Lebens ist auf eine trostlose, leere Mansarde zurück geschlüsselt. Schmutzig grau und düster zeigt sich der Lebensraum. Dort leben Hamm, die Hauptfigur, seine Eltern und sein Diener Clov. Sie spielen das Endspiel. Das Leben geht zu Ende. Das Ende spielt mit den Menschen. Hamm hält seine Eltern in zwei Mülltonnen gefangen und seinen Diener an einem Strick um den Hals gebunden. Von jeder Hoffnung entblößt und allen Sinns beraubt, geht das Leben zu Ende. Die Beziehungen stellen sich als sklavisch und entwürdigend abhängig dar. "Ende, es ist zu Ende, es geht zu Ende! … Gescheitert in tausend Stücken … Lass uns aufhören zu spielen … Also Schluss damit! Es soll enden, und zwar ruckzuck! … Altes, von jeher verlorenes Endspiel, Schluss damit, nicht mehr verlieren! … Augenblicke gleich Null, die immer gleich Null sind und doch zählen, damit die Rechnung der Geschichte aufgeht und die Geschichte endet!"
Der Mensch im Nichts, das Leben in der Sinnlosigkeit, Beziehungen als Versklavung, die Wirklichkeit abgeräumt und zu Ende, radikaler kann man das Leben nicht leugnen, den Sinn nicht verneinen, die Hoffnung nicht ausschließen. Was haben wir für eine Sicht vom Leben, Ansicht vom Menschen, Einsicht in die Wirklichkeit, Übersicht über die Welt, Aussicht auf die Zukunft? Mir fallen bei dem Wort Endspiel ganz andere Bilder ein.

Die Zeit meines Hinscheidens ist gekommen. Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten; hinfort liegt für mich bereit die Krone der Gerechtigkeit, die mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tage geben wird, nicht aber mir allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben.
2.Timotheus 4,6-8

Die Blätter fallen

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
(Rainer Maria Rilke)

Gott ist mein Fels, meine Hilfe und mein Schutz, dass ich nicht fallen werde.
Psalm 62,7