Stück für Stück

Ein Mann besaß einen Acker, den er aber aus Nachlässigkeit verwildern ließ, so daß er von Disteln und Dornen übersät war. Später aber wollte er ihn wieder urbar machen und sagte zu seinem Sohn:
"Geh und reinige den Acker!" Der Sohn ging hin, um ihn zu reinigen. Als er ihn aber betrachtete, sah er die Menge des dort wachsenden Unkrauts und sprach: "Wie soll ich das alles ausrotten und fortschaffen?" Und er warf sich ‚zur Erde und schlief.
Als sein Vater kam, um nachzusehen, was er bereits gearbeitet hatte, fand er ihn müßig. Und er fragte ihn: "Warum hast du bis jetzt nichts getan?" Der Sohn erwiderte: "Als ich gekommen war, um zu arbeiten, sah ich die Unmengen von Disteln und Dornen, und da wußte ich nicht, wo ich anfangen sollte, und vor Unmut legte ich mich auf die Erde und schlief."
Der Vater entgegnete ihm: "Mein Sohn, arbeite täglich nur so viel, als dein Körper, wenn du liegst, Raum einnimmt, und so wird deine Arbeit allmählich voranschreiten, und du wirst dabei nicht verzagt sein."
Der junge Mann handelte danach, und Stück für Stück wurde der Acker gereinigt und urbar gemacht.
(Aus den Erzählungen der Mönchsväter)

"Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet!"
(Offenbarung 3,8)

Sehnsucht

Regen fällt
Kalter Wind
Himmel grau
Frau schlägt Kind
Keine Nerven, so allein
Das Paradies kann das nicht sein
Männer kommen müd‘ nach Haus
Kalte Seele fliegt hinaus
Kind muß weinen
Kind muß schrein
Schrein macht müde
Kind schläft ein

Ich hab Heimweh
Fernweh
Sehnsucht

Ich weiß nicht, was es ist
Keine Sterne in der Nacht
Kleines Kind ist aufgewacht
Kind fragt, wo die Sterne sind
Ach, was weiß denn ich, mein Kind?
Ist der große Schwefelmond
… eigentlich von wem bewohnt?

Warum ist der Himmel leer?
Ist da oben keiner mehr?

Ich hab Sehnsucht

Ich will nur weg
Ganz weit weg
Ich will raus!

Warum hast du mich geborn?
Bevor ich da war
War ich schon verlorn
Land der Henker
Niemandsland
Das Paradies ist abgebrannt

Ich hab Heimweh
Fernweh
Sehnsucht

Ich weiß nicht, was es ist
Ich will weg
Ganz weit weg
Ich will raus!

(Purple Schulz)

"Gott streckte seine Hand aus von der Höhe und faßte mich und zog mich aus großen Wassern. Er führte mich hinaus ins Weite, er riß mich heraus; denn er hatte Lust zu mir!"
(Psalm 18,17.20)

Der befreiende Vertrag

"Kommt und dingt mich", rief ich, als ich des Morgens auf der steinegepflasterten Straße ging. Das Schwert in der Hand, kam der König in seinem Wagen und sagte: "Ich will dich dingen mit meiner Macht!" Aber seine Macht war mir nichts wert, und er fuhr davon in seinem Wagen.
In der Hitze des Mittags standen die Häuser mit geschlossenen Türen da. Ich wanderte die krumme Gasse entlang. Ein alter Mann kam heraus mit seinem Sack voll Gold. Er sann nach und sagte: "Ich will dich dingen mit meinem Geld!" Er wog seine Münzen, eine nach der anderen, aber ich wandte mich fort.
Abend war’s. Die Gartenhecke stand ganz in Blüte. Das liebliche Mädchen kam heraus und sagte: "Ich will dich dingen mit meinem Lächeln!" Ihr Lächeln verblasste und schmolz in Tränen, und sie ging zurück allein ins Dunkel. Die Sonne glitzerte auf dem Sande, und die Meereswellen trieben ihr launisches Spiel. Ein Kind saß da, mit Muscheln spielend. Es hob seinen Kopf und schien mich zu kennen und sagte: "Ich ding dich mit nichts!"
Und dieser Vertrag, im kindlichen Spiel geschlossen, hat mich fortan zum freien Menschen gemacht. (Rabindranath Tagore)
Gott will uns nicht dingen, sondern freien. Bei ihm werden wir nicht verdinglicht, also zur Sache und Funktion gemacht, sondern als Personen und persönliche Gegenüber, als Freunde und Geliebte wertgeschätzt. Gott möchte uns in seiner Liebe freimachen von allen anderen Diktaten, der Macht der Sünde, der List des Teufels, den Netzen des Verderbens, der Gewalt des Todes, den Schrecken der Vergänglichkeit, der Angst vor dem Weniger und der Gier nach Mehr. Gott möchte uns aus tiefer Verkrampfung und bitterer Verlorenheit auslösen und zugleich tröstend und bergend, schützend und schonend festhalten. Gott löst uns aus dem Verderben aus und bindet uns in seine Treue ein. Das ist das Geheimnis der Freiheit: kindlich abhängig von Gott und königlich frei von allen anderen Zwängen. In dieses Geheimnis, in dieses Heim und Haus lädt Gott uns ein. Er möchte mit uns den befreienden Vertrag der Liebe schließen, und wir sollten ihn bitten: "Komm und freie mich mit deiner unbedingten Liebe!"

Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.
Jeremia 31,3

Liebe macht frei!

Kinder sind frei, wenn sie geliebt sind. Und Liebende sind frei, wenn sie wie Kinder sind. Sie können sich frei entfalten und sind doch festgehalten. Sie erleben die Weite der Freiheit und die Wärme der Geborgenheit zugleich. In der Erfahrung der Liebe sind Menschen erlöst vom Druck und Kampf, sich rechtfertigen und beweisen zu müssen, und in der Bindung und Verantwortung ganz festgebunden. Kinder und Liebende sind losgebunden und tief gebunden zugleich, ganz festgehalten, aber nicht erdrückt, ganz losgelassen, aber nicht fallengelassen.
Freiheit ist die Übereinkunft von Erlösung und Verbindlichkeit. Darum nennt man, wenn Liebende sich vertraglich binden, dass sie sich freien. Die Liebe setzt frei und setzt Grenzen zugleich, damit man in der Freiheit nicht verkommt und in den Grenzen nicht eingeengt wird.
Wenn man im Freien nicht frei ist und in der Gefangenschaft schon gar nicht, so ereignet sich die Freiheit nur im geschützten Raum der Liebe, wo alle Entfaltung, die Leben mehrt, gefördert und alle Entartung, die Leben stört, verhindert wird.
Bindung ist nur zu ertragen, wenn sie uns befreit. Und Freiheit ist nur auszuhalten, wenn sie uns birgt. Das ist das Geheimnis der Liebe. Sie bietet das Heim, in dem Weite und Wärme, Freiheit und Geborgenheit, Lösung und Bindung, Entfaltung und Verantwortung gut miteinander auskommen.
Jesus bindet uns in seiner Liebe los von allen unguten Mächten und Zwängen. Mit der gleichen Liebe bindet er uns fest an sich und sein Heil. Jesus stillt unser Fernweh ebenso wie unser Heimweh. Mit ihm gehen wir in die äußerste Weite des Lebens und sind doch geborgen in seiner Hand.

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch.
1.Johannes 3,1

Wahrheit macht frei!

Zusammenhänge erkennen, Welt verstehen, den Kosmos erforschen, Geschichte betrachten, Stoffe erklären und Methoden entwickeln: all dies hat den Menschen aus vielen Grenzen befreit und seine Möglichkeiten erweitert. Moderne Medizin, Biochemie, Pharmazie, Ernährungswissenschaft und Humangenetik, aber auch Geisteswissenschaft und Psychologie und mehr noch Kybernetik und Kosmonautik haben uns äußere und innere Räume erschlossen, von denen man früher nur träumen konnte. Horizonterweiterung, Lebensverlängerung, Arbeitserleichterung, weltweite Kommunikation, Mobilität und unübersehbare Kultur- und Freizeitangebote deuten die fast unbegrenzten Lebensmöglichkeiten an.
Aber mit dem Wissen und Können, dem Erforschen und Erfahren, dem Erkennen und Durchschauen gerät der Mensch auch in eine ganz neue Abhängigkeit. Die Ergebnisse seiner Wissenschaft erweisen sich nicht nur als Würde, sondern auch als Bürde. Wenn alle wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten auch angewandt und eventuell einmal für ungute Zwecke eingesetzt werden, droht damit auch der Untergang. Albert Einstein hat die Last des Wissens einmal in den schlichten Satz gekleidet: "Wenn ich die Folgen geahnt hätte, wäre ich Uhrmacher geworden!" Auch an dem fast unlösbaren Problem unserer Industriegesellschaft, die ökonomischen Interessen am Wirtschaftswachstum mit den ökologischen an der Bewahrung der Schöpfung zu vereinbaren, wird der große Druck deutlich, unter dem wir mit unserem Wissen und Können stehen.
Allein die Wahrheit über das Leben, den Menschen, die Zukunft kann auch belasten. Zur Wahrheit des Wissens muss die Liebe des Vertrauens kommen, damit die Wahrheit am Ende nicht in die Ausweglosigkeit, sondern in die Weite der Freiheit führt.
Deswegen hat Jesus die Wahrheit über den Menschen und seine Versehrtheit mit der Liebe zum Menschen und seinem Heil verbunden. Nur Wahrheit, die mit Liebe versöhnt ist, macht frei. Und nur Liebe, die mit Aufrichtigkeit verbunden ist, macht heil.

Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus!
Epheser 4,15

Macht Arbeit frei?

Macht Arbeit in einem freien Land, in einer freien Wirtschaft, unter menschenwürdigen Bedingungen und für gutes Geld den Menschen frei? Wer Arbeit hat und seinen Unterhalt verdient, ist in der Regel frei von der Sorge um das alltäglich Notwendige und frei für manchen Genuß im Leben.
Leistungsfähig und genussfähig sind die Zauberworte unserer Gesellschaft. Arbeit kann viel Freude machen, Würde ausdrücken und Erfüllung schenken. Aber immer wieder bedrückt und zwingt die Arbeit den Menschen, erniedrigt ihn bisweilen zum Arbeitstier und stempelt ihn zur Arbeitskraft. Im Riesengetriebe einer modernen Leistungsgesellschaft werden Menschen oft zu funktionierenden Rädchen, zu auswechselbaren Funktionen, zu Kosten- und Risikofaktoren. Die heutige Gesellschaft hat ungewollt drei Mittel, um den Menschen in einer Art Sklaverei zu halten: Die Arbeit, das Geld und die Freizeit. Erfolgsdruck, Geldgier und Genusssucht sind die Mächte, die den Menschen beherrschen. Mit der Arbeit möchten Menschen möglichst viel Geld verdienen, mit dem Geld möglichst viel Vergnügen kaufen, aber sie merken dabei nicht, dass sie sich auf diese Weise als Sklaven verkaufen. Und das nennt man dann Freiheit!
Aber auch Arbeitslosigkeit und Geldmangel sind nur die Kehrseite der gleichen Unfreiheit. Gott hat dem Menschen die Arbeit als wunderbare Gabe anvertraut. Doch durch den Bruch mit Gott ist auch die göttliche Gabe zu einer menschlichen Verlegenheit geworden. Ob arbeitssüchtig oder arbeitslos, die Menschen sind nicht frei. Ob man die Arbeit vergötzt und als Lebenserfüllung überfordert oder sie verteufelt und als Lebenshinderung unterschätzt, man offenbart nur eine tiefe Verkrampfung.
Gott möchte den Menschen nicht als Arbeitskraft ansehen und gebrauchen. Er möchte uns als seine Partner lieben, die dann aus Liebe und im Sinne Gottes auch arbeiten und wirken. Gott ist immer erst Gastgeber, Ratgeber und dann auch Arbeitgeber. Nicht unsere Arbeit macht uns frei, sondern seine Liebe zu uns. Sie hilft, auch in der Arbeit frei zu sein.

Alles Mühen des Menschen ist für seinen Mund, aber sein Verlangen bleibt ungestillt.
Prediger 6,7

Wer ist frei?

Der Abgestürzte etwa, der im freien Fall in die Tiefe saust? In keinem Fall ist man frei, aber gepackt von der Angst, denn der Aufprall kommt bestimmt. Ein Mensch, der mit beiden Beinen in der Luft hängt, ist nicht frei.
Töricht fallen die einen, die übermütig den Ast absägen, auf dem sie sicher sitzen. Einen Moment lang genießen sie das Gefühl, fliegen zu können. Um so schmerzlicher landen sie im Dreck der Erde oder auf dem harten Boden der Tatsachen. Wer eine Beziehung, eine Arbeit, seine Heimat, Freunde oder seine Gemeinde verlässt, um frei zu sein, hat sich nur abgeschnitten von Lebensnetzen und ist rausgefallen.
Tragisch fallen die anderen, die sich aus Verzweiflung von einem Hochhaus oder einer Brücke in die Tiefe stürzen. Sie erleben ihre Lebenssituation als so bedrückend und ausweglos, dass sie im Tod die Freiheit und Lösung suchen. Aber die Auflösung des Lebens ist keine Lösung und die Selbsttötung keine Lebensbewältigung.
Eine Frau war nach dem plötzlichen Tod ihres geliebten Mannes so traurig, einsam und verzweifelt, dass sie in ihrem Leben keinen Sinn mehr sah und nur noch sterben wollte. Aber in die verzweifelten Gedanken an einen Selbstmord mischte sich die Einsicht, dass sie dann alle unbewältigte Trauer, allen Verlust, alle unverarbeiteten Schmerzen nur mitnehmen und nicht loswerden würde.
Niemals ist im Tod die Freiheit, sondern nur die äußerste Verhaftung und Verantwortung des Lebens. Denn der Tod führt uns nicht in die Freiheit, sondern direkt zu Gott, der uns nach dem Leben fragt.
Wer sich aus den bewahrenden Händen Gottes herausfallen lässt, findet nicht die Freiheit, sondern die Einsamkeit und Angst. Und das ist kein freier Fall, sondern ein tiefer Fall in die Abgründe des Lebens.

Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen.
Psalm 91,11f

Wer ist frei?

Der Gesetzlose etwa, der aussteigt und sich allen Normen und Übereinkünften verweigert? Auf einem Autoaufkleber las ich: "Nur der Gesetzlose ist frei!" Und an die Häuserwände hingesprüht lesen wir: "Entrüstet euch!" – "Macht kaputt, was euch kaputt macht!" Auf der Lederjacke eines Motorradfahrers steht: "I’m born to be free!" und ein Graffitispruch: "Legal, illegal, scheißegal!"
Ist das der Weg in die Freiheit, sich von allen engstirnigen und lästigen Paragraphen und Ordnungen, die Leben verwalten, zu befreien? Auflehnen und abfahren, einpacken und aussteigen, Grenzen überschreiten und Gesetze missachten, ist das die Art, der Freiheit auf die Spur zu kommen? Wird nicht gerade der Gesetzlose ein Verfolgter statt ein Befreiter, ein Gejagter statt ein Entlasteter?
Um Mitternacht erscheint auf dem 9. Polizeirevier in Hannover ein Mann und erklärt den verwunderten Beamten: "Ich bin ein Räuber und Dieb. Damit kann ich nicht leben. Immer auf der Flucht, immer die Angst im Nacken." Nach drei Banküberfällen und 37000 DM Beute wurde der Mann weder frei noch glücklich, sondern nur ein Gejagter und Geplagter, bis er sich selbst stellte und den Beamten sagte: "Ich will endlich reinen Tisch machen und mein Leben aus dieser Schuld und Angst befreien!"
Wer Gottes Weisung und Gebot, Gottes Willen und Geleit verlässt, gleichgültig oder trotzig, fahrlässig oder vorsätzlich, wird ein von seiner Schuld Gejagter und von Gottes Gerechtigkeit Verhafteter sein, aber niemals die Freiheit finden. Die Freiheit liegt in dem Aufdecken und Vergeben der Schuld.

Als ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen. Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir. Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht. Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.
Psalm 32,3ff

Wer ist frei?

Der Wüstenwanderer etwa, der einsam in der Wegelosigkeit und Endlosigkeit unterwegs ist? Sein Weg ist das Ziel, und sein Ziel ist der Weg. Er ist mit der glühenden Sonne, dem eintönigen Sand, der empfindlichen Nachtkälte allein. Es gibt keine Wege und Gesetze, weder Verordnungen noch Verantwortungen. Er kann gehen, wohin er will, machen, was er will, lassen, was er nicht will. Ungebunden und frei ist er, für niemanden und nichts verantwortlich und zuständig. Heimatlos, wegelos, vielleicht ziellos, absichtslos, bisweilen orientierungslos, beziehungslos, bindungslos, ist das die Freiheit?
Ist die Anhäufung von -losigkeiten schon die Freiheit oder nur die Armut und Ausgesetztheit? Der Wüstenwanderer, der alle Bindung und Behausung verlässt, um die Weite und Freiheit zu finden, wird an seiner falschen Freiheit zugrunde gehen.
Denn im Freien ist der Mensch gar nicht frei. Dort ist er nur besorgt und preisgegeben. Im Begrenzten bin ich frei. Im geschützten Raum, im bergenden und abgeschlossenen Gelass bin ich frei und gelassen.
In der Fürsorge und Liebe Gottes eingeschlossen, in seiner guten Hand bewahrt, von seiner Treue festgehalten, von seiner Weisheit geleitet, finden Menschen die Freiheit des Lebens.

Er ließ sein Volk ausziehen wie Schafe und führte sie wie eine Herde in der Wüste; und er leitete sie sicher, dass sie sich nicht fürchteten. Und er weidete sie mit aller Treue und leitete sie mit kluger Hand
Psalm 78,52f.72

Wer ist frei?

Der Strafgefangene etwa, der sicher verwahrt und bestens aufgehoben ist? Er braucht sich um seinen Tagesablauf nicht zu sorgen. Alles ist festgelegt und für ihn bedacht. Um Kleidung und Verpflegung muss er sich keine Gedanken machen. Er ist frei von all den Ängsten, den Arbeitsplatz zu verlieren oder die Wohnung gekündigt zu bekommen. Im Krankheitsfall macht ihm die Arztwahl kein Kopfzerbrechen. Er martert sich nicht mit der schweren Frage, welches Auto er dieses Jahr und welches Urlaubsziel er nächstes Jahr wählen soll. Er hat keine Angst vor Einbrechern. Jeden Abend wird er sorgsam eingeschlossen und rund um die Uhr von ausgebildeten Sicherheitskräften bewacht. Morgens wird er pünktlich geweckt und sicher zur Arbeit geleitet. Keine Familie geht ihm auf den Keks, und keine Nachbarn reden ihm rein. Ist er deswegen frei?
Zwei Strafgefangene teilen sich die Zelle. Nach einiger Zeit fragt der eine den anderen: "Bist du eigentlich verheiratet?" – "Nein, bin ich verrückt, ich geb doch meine Freiheit nicht auf!"
Bei aller Sicherheit und allem Gewahrsam sind Menschen im Gefängnis doch nicht frei, sondern äußerlich hinter Mauern und Gittern und innerlich in Zwang und Demütigung gefangen.
Menschen, die schuldig geworden sind, sind in den Folgen ihrer Schuld gefangen. Sie haben ein Grundrecht des Menschen verloren, das Recht auf freie Bewegung in einem freien Land. Menschen, die sich von Gott getrennt haben, sind nicht frei, sondern gefangen in den Folgen dieser Trennung. Andere Herren und Diktate, andere Vorschriften, Mauern der Einsamkeit und Gitterstäbe der Angst machen sie klein und gekränkt.

Jesus spricht: "Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei!"
Johannes 8,34.3