Der Mensch denkt und Gott lenkt

Im Orient lebte einst ein gütiger und freundlicher König. Um die Armut in seinem Reich zu lindern, verteilte der König großzügig Almosen an Menschen in Not. Regelmäßig kamen zwei Bettler an die Tore des Palastes, und sie bekamen vom König stets eine reiche Gabe. Der eine Bettler pries den König mit überschwänglichen Worten. Und das tat dem König gut. Der andere Bettler lobte Gott von Herzen, dass er dem König den Reichtum anvertraut habe, so dass er den Armen davon abgeben könne. Und das schmerzte den König. Und er sprach zum Bettler: "Ich bin es, der dir so großzügig gibt und dich so freundlich behandelt. Warum dankst du dann einem anderen?" "Wäre Gott nicht so gut zu dir, dann könntest du auch nicht so gütig zu mir sein. Gott gehört der Dank!" sagte der Bettler. Der König wollte dem Bettler eine Lehre erteilen und ließ seinen Bäcker zwei völlig gleiche Brote backen und in das eine der Brote ein Säckchen mit kostbaren Edelsteinen einbacken. Die beiden Geschenke ließ er den Bettlern überreichen, und zwar dem Bettler, der immer den König pries, das Brot mit den Edelsteinen darin. Der Bettler nahm das Brot und merkte gleich, dass es etwas schwerer war. Er dachte, es sei schlecht gebacken und innen noch feucht und schwer. So bot er seinen Brotlaib dem anderen Bettler an, der ihn ohne weiter zu prüfen nahm, um dem anderen den Gefallen zu tun. So gingen sie mit ihrem Brot und aßen zu Hause davon. Der Bettler, der immer Gott dankte, brach das Brot, entdeckte die kostbaren Edelsteine und dankte Gott von ganzem Herzen, dass er nun nicht mehr betteln müsste. Der König vermisste bald den Bettler am Palasttor und fragte den anderen, ob er das Brot bekommen hätte. "Das Brot erschien mir hart und schwer, so tauschte ich es mit dem Brot meines Kollegen. Aber der ist seit dem Tag nicht wieder zum Betteln gekommen!"
Der König sagte nichts weiter, aber er verstand nun, dass Reichtum nur von Gott kommen kann. Gott kann den Armen reich und den Reichen arm machen. Auch ein König ist in seinem Denken begrenzt, wenn Gott die Geschicke lenkt.

Der Herr schaut vom Himmel und sieht alle Menschenkinder. Er lenkt ihnen allen das Herz, er gibt acht auf alle
ihre Werke.
Psalm 33,13.15

Lieben und Leiden

"Das Leiden hat keinen Sinn in sich selbst; Leiden als Teilnahme an der Passion Christi jedoch ist eine herrliche Gabe und ein Zeichen seiner Liebe, denn auf diese Weise bewies der Vater, daß er die Welt liebt – indem er seinen Sohn hingab, für uns zu sterben.
Gemeinsam auf sich genommenes, gemeinsam getragenes Leiden ist Freude. Denke daran, daß die Passion Christi immer in die Freude über die Auferstehung Christi mündet. Denke daran, wenn du das Leiden Christi im Herzen spürst, daß die Auferstehung unaufhaltsam kommt, die Osterfreude heraufzieht. Laß dich von nichts so sehr betrüben, daß du darüber die Freude des auferstandenen Christus vergißt.
Wir alle sehnen uns nach dem Himmel, wo Gott ist, aber wir haben es in der Hand, hier und jetzt bei ihm im Himmel zu sein, in diesem Augenblick mit ihm glücklich zu sein. Mit ihm jetzt glücklich sein heißt lieben, wie er liebt, helfen, wie er hilft, geben, wie er gibt, dienen, wie er dient, retten, wie er rettet. Wenn du für einen Blinden einen Brief schreibst oder einfach kommst, dich hinsetzt und zuhörst oder für ihn die Post holst oder jemanden besuchst oder jemandem eine Blume bringst – nichts ist zu gering, denn so lieben wir Christus in Taten."
(Mutter Teresa)

"Denn euch ist es gegeben um Christi willen, nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch um seinetwillen zu leiden!"
(Philipper 1,29)

Vermächtnis

wenn ich gestorben bin
hat sie gewünscht
feiert nicht mich
und auch nicht den tod
feiert DEN
der ein gott der lebendigen ist
wenn ich gestorben bin
hat sie gewünscht
zieht euch nicht dunkel an
das wäre nicht christlich
kleidet euch hell
singt heitere lobgesänge
wenn ich gestorben bin
hat sie gewünscht
preiset das leben
das hart ist und schön
preiset DEN
der ein gott von lebendigen ist.
(Kurt Marti)

"Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden!"
(Matthäus 22,32)

Den möchte ich sehen!

Ich kenne Einen,
der ließ sich von uns die Suppe versalzen,
der ließ sich von uns die Chancen vermasseln,
der ließ sich von uns das Handwerk legen,
der ließ sich für dumm verkaufen,
der ließ sich einen Strick drehen,
der ließ sich an der Nase herumführen,
der ließ sich übers Ohr hauen,
der ließ sich von uns kleinkriegen,
der ließ sich von uns in die Pfanne hauen,
der ließ sich von uns aufs Kreuz legen,
der ließ sich von uns Nägel mit Köpfen machen,
der ließ sich zeigen, was ein Hammer ist,
der ließ sich von uns festnageln auf sein Wort,
der ließ sich seine Sache was kosten,
der ließ sich sehen am dritten Tag.
Der konnte sich sehen lassen!
(Lothar Zenetti)

"Ihnen zeigte er sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes!"
(Apostelgeschichte 1,3)

Der Tod und sein Überwinder

Einen kenn‘ ich,
Wir lieben ihn nicht.
Einen nenne ich,
Der Kronen zerbricht.
Weh! Sein Fuß steht im Staub,
Sein Haupt in Mitternacht,
Vor ihm weht das Laub
Zur dunklen Erde nieder.
Ohn‘ Erbarmen
In den Armen
Trägt er die kindische,
taumelnde Welt.
Tod – so heißt er,
Und die Geister
Beben vor dir, du eiserner Held!

Einen kenn‘ ich,
Wer liebt ihn genug?
Einen nenne ich,
der die Dornenkrone trug.
Heil! Sein Fuß steht im Licht,
Sein Haupt in der Glorie.
Wo er geht, zerbricht
Des Todes eiserner Riegel.
Voll Erbarmen
In den Armen
Trägt er die sterbliche,
liebende Welt.
Jesus – heißt er,
Und die Geister
Beten dich an, du ewiger Held!
(Clemens Brentano)

Jesus Christus hat dem Tod die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.
2.Timotheus 1,10

Teuer erkauft

Ein Junge bastelt sich ein wunderschönes Segelschiff. Mit Liebe und Sorgfalt fügt er die Teile zusammen, takelt es mit großem Geschick auf und hat seine helle Freude an dem gelungenen Werk. Dann bringt er es stolz zum Fluss, um es dort schwimmen zu lassen. Heiter läuft er am Ufer entlang, während sein Segelschiff ruhig über das Wasser gleitet. Das weiße Segel füllt sich mit dem Sommerwind. Doch plötzlich wird das Schiff von einer Windböe und der Strömung fortgerissen. Der Junge kann es nicht mehr erreichen und muss voller Schmerzen zusehen, wie es verschwindet. Ganz geknickt kommt der Junge nach Hause. Sein wunderschönes Schiff ist verloren.
Wochen später entdeckt der Junge sein Segelschiff in einem Pfandhaus. Dort im Schaufenster liegt sein Boot, das er mit Liebe gebaut, mit Eifer angemalt und hergestellt hatte. Er geht in das Pfandhaus und erklärt dem Besitzer, er möchte das Boot haben, es wäre sein Eigentum. Doch der Mann hinter dem Tresen zeigt ihm das Preisschild und erklärt: "Wenn du den Preis bezahlst, kannst du das Schiff haben!"
Der Junge arbeitet Wochen und Monate, verzichtet auf alle anderen Dinge und hat schließlich die Summe bereit, geht in das Pfandhaus, erwirbt sein Segelschiff und geht voller Freude damit nach Haus. Unterwegs streichelt er das Boot und sagt voller Liebe zu ihm: "Nun gehörst du mir zweimal. Einmal, weil ich dich mit Liebe gemacht habe, und ein zweites Mal, weil ich dich mit Schmerzen teuer erkauft habe."
Auch wir Menschen gehören Gott zweimal. Einmal, weil er uns mit Liebe gemacht hat. Wir sind seine Kunstwerke. Aber wir haben uns von Gott losgerissen und gehören nun fremden Mächten. Doch Gott kauft uns mit dem Leiden und Sterben seines Sohnes los. Wir gehören Gott ein zweites Mal, weil er uns teuer erkauft hat. Darum wollen wir ihm dann auch wirklich und bleibend gehören.

Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe!
1.Korinther 6,20

Der Grund der Freude

Drei junge Männer stiegen eines Tages in ein Zugabteil. Sie lachten und waren sehr fröhlich. Sie konnten ihre übergroße Freude nicht verbergen. Sie hatten sich entschlossen, Jesus nachzufolgen, und kamen von einer Konferenz, auf der sie in ihrem Glauben bestärkt und neu motiviert worden waren.
Im Abteil saß eine Dame, die schließlich bissig anmerkte: "Sie scheinen ja besonders fröhlich zu sein!" – "Raten Sie mal, warum!" antwortete einer der drei. "Sie sind vielleicht ein wenig betrunken?" – "Nein, das ist es nicht!" – "Dann haben Sie wohl eine Fete gefeiert." – "Nein." – "Haben Sie vielleicht im Lotto gewonnen?" – "Das ist es auch nicht!" – "Ja dann muss wohl einer von den Toten auferstanden sein!" meinte die Dame gekränkt. "Ganz recht, das ist es!" meinten die jungen Leute. "Dann war der Betreffende wohl nur scheintot!" – Die drei lachten: "Nein, er war richtig tot. Aber nun lebt er auch richtig und ist wahrhaftig auferstanden. Und darum haben wir eine so große Freude!" Erschrocken fragte die Dame zurück: "Davon habe ich ja gar nichts gehört! Wer war denn das?" Da erzählten ihr die drei jungen Männer von Jesus, der für sie gestorben und wieder auferstanden ist.

Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei.
Römer 14,9

Gedanken einer gelähmten Frau

"Ich lese Markus 2,1-12 und stelle mir vor: Ich bin der Gichtbrüchige. Ich sehe mich an seiner Stelle. Ich hänge in den Seilen. Ich bin abhängig. Aber diese Abhängigkeit hat einen Sinn. Ich lasse alles mit mir geschehen und überlasse mich den vier Trägern. So gelassen liege ich vor Jesus. Nicht verlassen, nicht allein gelassen. Weil das im Glauben geschieht. Diese Kraft muss mich tragen.
Hinter Jesus steht Gott. Das Geheimnis liegt in der Kraft dieser Worte von der Sündenvergebung. Vor mir ziehen alle Dunkelheiten vorüber, die mit der Krankheit verbunden sind, die mich trennen von dem Einssein mit Gott. Kein Vorwurf, kein Gebot. Nur ein Angebot: ‚Dir sind deine Sünden vergeben.’ Und sie laufen mir davon, sie werden über Bord geworfen: die Resignation, Mutlosigkeit, Traurigkeit, Verzagtheit, Empfindlichkeit, das Im-Recht-sein-Wollen, Hadern, Sich-zurückgesetzt-Fühlen, Sich-vonGott-vernachlässigt-Fühlen … Kann ich so sein, wie Gott mich gedacht hat? Auch mit der Krankheit? Ja. Ich sage ja zu Vers fünf: ‚Deine Sünden sind dir vergeben.’
Jetzt habe ich alles hergegeben, was zwischen Gott und mir stand; auch die Angst, die Angst um das Fortschreiten der Krankheit. Jetzt gebe ich alles ab. Ich mache mir nichts mehr vor. Ich mache mich fest. Jesus befestigt und befreit mich zugleich. Ich stehe nicht mehr abseits, am Rande. Die Träger bringen mich zu Jesus. Das Trauern hört auf.
Der Gichtbrüchige kann wieder gehen. Man wird ihn stützen und halten und langsam, Schritt für Schritt führen – nach Hause.
Ich mache mich auf den Weg, setze mich in Bewegung mit meinem elektrischen Rollstuhl – nicht nach Hause … zurück ins Heim. Der Wind berührt mich. Ich bin dankbar. Ich sehe die Brennnessel am Wegrand. Ich stelle mich unter einen Baum und lausche. Ich merke nicht mehr, dass ich mich ‚anders’ fortbewege. Der Rollstuhl ist wie vergessen. Laufe ich? Ja. Stehe ich still? Ja. Springe ich über einen Graben? Bücke ich mich nach der Heide? Ja. Gehe ich durch den warmen Sand? Ja. Berühre ich die kühlen Lärchenzweige? Ja. Merken die anderen, dass ich das Gehen erlebe? Im Rollstuhl? Doch. Sie lächeln zurück, Kinder laufen mit mir um die Wette, das Baby im Wagen bekommt einen breiten lachenden Mund, Menschen am Stock rufen: ‚Sie haben es gut!’ Ich bin nicht gesund. Aber heil vor Gott.
Irgendwann und irgendwo werde ich zu Jesus vom Dach heruntergelassen. Und jedes Mal, wenn das geschieht, werde ich wieder wie gesund und heil in ihm.
Gebet:
Herr, unser Schöpfer,
wir bitten dich für alle Kranken,
dass sie dir gebracht werden,
dass keiner sagen muss: Ich habe niemanden. Amen."
(Liselotte Jacobi)

Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh. heim!
Markus 2,11

Ostermorgen

"Ganz früh am Ostersonntagmorgen machte sich meine Mutter auf. Während einer langen, schweren Krankheit hatte sie monatelang ihre Wohnung nicht verlassen können. Nun aber trieb sie eine doppelte Sehnsucht: Sie wollte die Auferstehungsfeier auf dem Friedhof miterleben und am Grab ihres Mannes sein. Sie wollte Jesus als den Sieger über den Tod mit anderen feiern und frische Blumen als Zeichen des Lebens an den Ort des Todes bringen.
Gott hat ihre Sehnsucht tiefer und wunderbarer erfüllt, indem er sie auf dem Weg zum Friedhof heimrief. Ihr Herz hörte auf zu schlagen, sie sank um und war tot. So erlebte sie eine größere Auferstehungsfeier und ein viel tieferes Wiedersehen mit ihrem Mann. Ihr von Krankheit und Alter gezeichneter Leib wurde verwandelt und dem verherrlichten Leib Jesu gleichgestaltet. Das Losungswort zum Ostersonntag aus Philipper 3,21 erfüllte sich buchstäblich.
Gott hat meine Mutter in seiner Fürsorge so gnädig heimgesucht, so liebevoll zu sich genommen, so bedeutungsreich hinausgeführt über alles Irdische und hineingenommen in das ewige Leben:
Sie kam zum Friedhof, aber nicht mehr mit Schmerzen.
Sie kam zur Auferstehungsfeier, aber mit der himmlischen Gemeinde.
Sie kam zu ihrem Mann, aber nicht mehr mit Tränen und Blumen, sondern in unaussprechlicher Freude. Und Gott wird ihre Tränen abwischen.
Fünf Wochen vor ihrem Tod hatten wir im großen Familien- und Bekanntenkreis ihren 80. Geburtstag gefeiert mit viel Loben und Danken, Erzählen und Erinnern. Geburtstag, Todestag, Ostertag, Auferstehungstag sind nun so nahe zusammengerückt. Tage, die Gott schenkt und so tief erfüllen kann, dass der Tod zum Leben und Sterben zum Auferstehen und Abschied zum Wiedersehen und Tränen zur Freude werden." (Gertrud Kühner)

Jesus Christus wird unsern nichtigen Leib verwandeln, dass er gleich werde seinem verherrlichten Leibe.
Philipper 3,21

Die heilige Woche

Der Weg durch die Passionszeit
mündet ein in die "Heilige Woche",
in Tage,
in denen mein ganzes Menschsein zu Wort kommt.
Sie sind Höhepunkte, Verdichtung, Ziel
von allem, was vorher war.
Ein ganzes Leben
zusammengeballt in wenigen Tagen, Stunden:
Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Ostern.
Mein ganzes Leben,
das einmünden, einfließen darf
in Jesu Leben:
Komm,
grüße den armen Jesus mit deiner Armut,
grüße den leidenden mit deinen Wunden,
zum entblößten geselle dich mit deiner Blöße
und zum ohnmächtigen mit all deiner Ohnmacht.
Schenke dem verlassenen deine Verlassenheit
und dem dürstenden deinen Durst.
All deine Klage birg in seine Klage,
was in dir schreit, in seinen Schrei.
Bette mit ihm deine Nächte in die Hand des Vaters
und alles Unvollendete senke ein in sein "Vollbracht".
Neige mit ihm dein Haupt
und lass fallen in seinen Tod all deinen Tod
und warte – wie er –
auf den dritten Tag.

So steht’s geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.
Lukas 24,46f