Von den Kindern

"Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. Sie kommen durch euch, aber nicht von euch. Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht! Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken. Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen, denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen. Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern. Ihr seid der Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden. Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit, und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit Seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein, denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt Er auch den Bogen, der fest ist!"
(Khalil Gibran)

"Siehe, Kinder sind eine Gabe des IIerrn, und Leibestrucht ist ein Geschenk. Wie Pfeile in der Hand eines Starken, so sind die Söhne der Jugendzeit. Wohl dem, der seinen Köcher mit ihnen gefüllt hat!"
(Psalm 127,3ff)

Von der Liebe

"Wenn die Liebe dir winkt, folge ihr, sind ihre Wege auch schwer und steil. Und wenn ihre Flügel dich umhüllen, gib dich ihr hin, auch wenn das unterm Gefieder versteckte Schwert dich verwunden kann.
Und wenn sie zu dir spricht, glaube an sie. Auch wenn ihre Stimme deine Träume zerschmettern kann, wie der Nordwind den Garten verwüstet.
Denn so wie die Liebe dich krönt, kreuzigt sie dich. So wie sie dich wachsen läßt, beschneidet sie dich. So wie sie emporsteigt zu deinen Höhen und die zartesten Zweige liebkost, die in der Sonne zittern, steigt sie hinab zu deinen Wurzeln und erschüttert sie in ihrer Erdgebundenheit.
Wie Korngarben sammelt sie dich um sich.
Sie drischt dich, um dich nackt zu machen.
Sie worfelt dich, um dich von der Spreu zu befreien. Sie siebt dich, um dich vom Erdendreck zu reinigen. Sie mahlt dich, bis du weiß bist. Sie knetet dich, bis du geschmeidig bist;
und dann weiht sie dich ihrem heiligen Feuer, damit du heiliges Brot wirst für Gottes heiliges Mahl.
All dies wird die Liebe mit dir machen, damit du die Geheimnisse deines Herzens kennenlernst und in diesem Wissen ein Teil vom Herzen des Lebens wirst!"
(Khalil Gibran)

Jesus betet: "Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen!"
(Johannes 17,26)

Was ist wohl das Größte?

Eines Sonntagvormittags fragte Anna: "Was ist wohl das Größte, was Gott gemacht hat?" Ich überlegte und sagte: "Das Größte ist die Erschaffung des Menschen." Sie schüttelte den Kopf und war nicht einverstanden. Ich rätselte herum – vielleicht die Tiere oder Blumen? Ich fragte mich durch die sechstägige Schöpfungsgeschichte hindurch, erntete aber nichts als weiteres Kopfschütteln. Mehr fiel mir nicht ein. Sie holte tief Luft und sagte: "Das Größte ist der siebte Tag."
"Das kapier ich nicht", sagte ich. "Da hat er nun alle seine Wunder in sechs Tagen fertiggekriegt. Und dann ruht er sich aus am siebten Tag. Was ist da so Besonderes dran?" Anna hopste vom Stuhl und setzte sich auf meinen Schoß. Das war ihre Art, wenn es galt, dem unwissenden kleinen Jungen etwas beizubringen. "Warum hat er sich denn am siebten Tag ausgeruht?" fragte sie. "Na, das Ganze war doch ’ne hübsche Menge Arbeit. Da braucht man dann mal ’ne Pause." – "Er hat sich aber nicht ausgeruht, weil er müde war." – "Nanu? Ich bin schon müde, wenn ich bloß dran denke, was er alles gearbeitet hat." – "Er nicht. Er war nicht müde." – "Bestimmt nicht?" – "Am siebten Tag hat er die Ruhe gemacht, geschaffen, meine ich. Und das ist das wirkliche Wunder. Er hat sich die Ruhe ausgedacht und sie dann gemacht. Wie, glaubst du, war das alles, bevor er am ersten Tag angefangen hat mit der Arbeit?" – "Ein ziemlich schauerliches Durcheinander, nehme ich an." -"Ja, und du kannst dich doch nirgendwo ausruhen, wenn alles so’n Riesendurcheinander ist . . . oder? . . . Und als er mit allem fertig war, hatte er die ganze Unordnung in Ordnung gebracht. Und jetzt konnte er sich die Ruhe ausdenken. Und darum ist die Ruhe das allergrößte Wunder!"

"Nun waren ja die Werke von Anbeginn der Welt fertig,- denn so hat er an einer andern Stelle gesprochen von dem siebenten Tag: ,Und Gott ruhte am siebenten Tag von allen seinen Werken.‘ Es ist also noch eine Ruhe vorhanden für das Volk Gottes. Denn wer zu Gottes Ruhe gekommen ist, der ruht auch von seinen Werken so wie Gott von den seinen.
(Hebräer 4,3f.9f)

Was ist das Leben?

Ist das das Leben?
Geboren werden, wachsen, spielen, lernen,
reifen und – sich vom Elternhaus entfernen,
ins Leben stürmen und das Leben meistern,
sich freuen, resignieren und begeistern,
lieben und Treue üben, sich enthalten,
schaffen und ruhen und – wieder sich entfalten,
zerstören, bauen, jagen, rennen, hetzen,
und – mit fünfundsechzig sich zur Ruhe setzen,
mit achtzig sterben und – dann ist es aus!? _
Ist das das Leben?
Nein! Ich will nach Haus:
will hin zu dem, der es uns gab und gibt.
Ich will das Leben, das mich losgeliebt
von Schuld und Tod, ich will die Zuversicht,
das Brot, den Weg, die Wahrheit und das Licht,
das Leben, das kein Leid, kein Kreuz,
kein Grab mehr bricht:
Ich will nur ihn, nur ihn, nur ihn allein,
ich will nur Jesus, will nur den allein,
der Leben ist und war und noch wird sein,
wenn alles "Leben" dieser Welt vergeht
und Leben aus dem Staub ersteht,
das ewig bleibt.
(M. Tepelmann)

Und das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.
1.Johannes 5,11

Eine gute Antwort

"Vor einigen Jahren erhielt ich die Gelegenheit, mit Mutter Teresa von Kalkutta zu sprechen. Ich hatte damals mit vielen Dingen zu kämpfen und wollte die Chance nutzen, Mutter Teresa um Rat zu fragen. Kaum hatten wir uns begrüßt und Platz genommen, legte ich mit meinen Problemen los. Dabei versuchte ich, Mutter Teresa davon zu überzeugen, wie schwierig und kompliziert doch alles sei. Nachdem ich gut zehn Minuten geredet und mein Herz ausgeschüttet hatte, wurde ich endlich still, worauf Mutter Teresa mich ruhig ansah und sagte: Nun, wenn Sie jeden Tag eine Stunde Anbetung vor dem Herrn verbringen und niemals etwas tun, von dem Sie wissen, dass es unrecht ist, dann werden Sie es recht machen!`
Als Mutter Teresa das sagte, wurde mir sofort klar, dass sie meinen großen Luftballon komplizierter Selbstanklagen zum Platzen gebracht und mich auf den weit weg von mir selbst liegenden Ort wirklicher Heilung hingewiesen hatte. Ich war von ihrer Antwort so verblüfft, dass es mich nicht mehr allzu sehr drängte und ich es auch nicht mehr für notwendig hielt, das Gespräch fortzusetzen. Es wäre gestohlene Zeit gewesen angesichts der vielen Leute, die vor der Tür warteten und Mutter Teresa sehen wollten. So dankte ich ihr und verabschiedete mich. Ihre wenigen Worte haben sich meinem Herzen bis heute tief eingeprägt. Ich hatte diese Worte nicht erwartet. Es war eine sehr direkte und einfache Antwort, die mich um so tiefer traf. Ich wußte, dass Mutter Teresa die Wahrheit gesagt hatte, die ich nun für den Rest meines Lebens leben musste.
Mutter Teresas Antwort war wie ein Lichtblitz in meiner Dunkelheit. Plötzlich kannte ich die Wahrheit über mich selbst."
(Henri J.M. Nouwen)

"Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott!"
(Micha 6,8)

Große Sprüche

Ein Elefant brach aus einer Herde aus und stürmte davon. Er kam an eine kleine, wackelige Brücke, die einen tiefen Abgrund überspannte. Der Elefant donnerte über die Brücke, die unter seinem Gewicht zitterte und ächzte, schaukelte und bebte. Als er glücklich auf der anderen Seite der Schlucht angekommen war, rief der Floh, der sich in einem Ohr des Elefanten häuslich eingerichtet hatte, ganz zufrieden mit sich: "Junge, Junge, die Brücke haben wir aber ganz schön wackeln lassen!"

Aber Menschen sind ja nichts, große Leute täuschen auch; sie wiegen weniger als nichts, soviel ihrer sind. Gott allein ist mächtig!
Psalm 62,10.12

Frieden ernährt – Unfrieden verzehrt

Es ist ein altes Sprichwort: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selber darein. – Aber der Löwenwirt in einem gewissen Städtlein war schon vorher darin. Zu diesem kam ein wohlgekleideter Gast. Kurz und trotzig verlangte er für sein Geld eine gute Fleischsuppe. Hierauf forderte er auch ein Stück Rindfleisch und ein Gemüs, für sein Geld. Der Wirt fragte ganz höflich, ob ihm nicht auch ein Glas Wein beliebe? "O freilich ja", erwiderte der Gast, "wenn ich etwas Gutes haben kann für mein Geld." Nachdem er sich alles hatte wohl schmecken lassen, zog er einen abgeschliffenen Sechser aus der Tasche und sagte: "Hier, Herr Wirt, ist mein Geld." Der Wirt sagte: "Was soll das heißen? Seid Ihr mir nicht einen Taler schuldig?" Der Gast erwiderte: "Ich habe für keinen Taler Speise von Euch verlangt, sondern für mein Geld. Hier ist mein Geld. Mehr hab ich nicht. Habt Ihr mir zuviel dafür gegeben, so ist’s Eure Schuld." – Dieser Einfall war eigentlich nicht weit her. Es gehörte nur Unverschämtheit dazu und ein unbekümmertes Gemüt, wie es am Ende ablaufen werde. Aber das Beste kommt noch. "Ihr seid ein durchtriebener Schalk", erwiderte der Wirt, "und hättet wohl etwas anderes verdient. Aber ich schenke Euch das Mittagessen und hier noch ein Vierundzwanzigkreuzerstück dazu. Nur seid stille zur Sache und geht zu meinem Nachbarn, dem Bärenwirt, und macht es ihm ebenso." Das sagte er, weil er mit seinem Nachbarn, dem Bärenwirt, aus Brotneid im Unfrieden lebte und einer dem anderen jeglichen Tort und Schimpf gerne antat und erwiderte. Aber der schlaue Gast griff lächelnd mit der einen Hand nach dem angebotenen Gelde, mit der andern vorsichtig nach der Türe, wünschte dem Wirt einen guten Abend und sagte: "Bei Eurem Nachbarn, dem Herrn Bärenwirt, bin ich schon gewesen, und eben der hat mich zu Euch geschickt und kein anderer." (Johann Peter Hebel)

Wer eine Grube gräbt, der kann selbst hineinfallen, und wer eine Mauer einreißt, den kann eine Schlange beißen.
Prediger 10,8

Gott kennen ist Leben

"An einem Vorfrühlingstage war ich allein im Wald und lauschte seinem Rauschen. Ich dachte an meine Unruhe während der letzten drei Jahre, an mein Suchen nach Gott, an mein dauerndes Schwanken zwischen Freude und Verzweiflung. Und plötzlich sah ich, dass ich nur lebte, wenn ich an Gott glaubte. Wenn ich nur an ihn dachte, erhoben sich in mir die frohen Wogen des Lebens. Alles ringsum belebte sich, alles bekam einen Sinn. Aber sobald ich nicht mehr an ihn glaubte, stockte plötzlich das Leben. Was suche ich also noch? rief eine Stimme in mir. Er ist es doch, ohne den man nicht leben kann! Gott kennen und leben ist eins. Gott ist das Leben. Seitdem hat mich diese Leuchte nie mehr verlassen." (Leo Tolstoi)

Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.
Johannes 17,3

Ballast ablegen

Ein Mensch war unterwegs zum Land seiner Sehnsucht. Es war eine lange und beschwerliche Reise. Endlich kam er an einen breiten Fluss. Er wusste: Drüben, am andern Ufer, liegt das Land der Herrlichkeit – und er konnte es kaum erwarten, hinüberzukommen.
Der Mensch fand einen Fährmann mit seinem Boot, der bereit war, ihn so schnell wie möglich überzusetzen. "Aber", sagte er, "du musst dein Gepäck hier lassen. Ich nehme nur die Menschen mit, ohne allen Ballast." Der Reisende erschrak sehr, und es schien ihm unmöglich, alle die Dinge, die er angesammelt hatte, die er liebte, die er für lebensnotwendig hielt, die er auf seiner weiten Reise mühsam bis hierher geschleppt hatte, einfach abzulegen und am Ufer des Flusses zurückzulassen.
"Alles?", fragte der Mensch, hoffend, doch ein wenig von seiner Habe mitnehmen zu können. "Alles. Ich nehme nur dich mit, ohne dein Gepäck, oder du bleibst hier mit deinen Sachen. Entscheide dich", antwortete ernst der Fährmann. (Nach einer alten Sage)

Lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens!
Hebräer 12,1f

Wie viel Land braucht der Mensch?

Leo Tolstoi erzählt die Geschichte von einem Bauern. Er ist arm und hat kaum das Nötigste zum Leben. Da erlaubt ihm eines Tages ein reicher Grundbesitzer, so viel Land zu erhalten, wie er in der Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu Fuß umschreiten kann. Aber er muss, bevor die Sonne untergeht, wieder an dem Punkt angekommen sein, an dem er morgens losgegangen ist.
Der arme Bauer ist überglücklich, geht frohen Mutes los, ohne Hast mit ruhigem Schritt. Doch dann gewinnt die Verlockung, möglichst viel von dem Land zu umrunden. Sein Schritt wird schneller, sein Blick gieriger. Er geht einen noch größeren Kreis ab, um mehr Land zu bekommen. Dort noch einen Teich, dahinter noch eine besondere Wiese und da noch ein schattiges Wäldchen. Er rennt schneller, Angstschweiß bedeckt seine Stirn. Mit allerletzter Kraft erreicht er beim Untergang der Sonne den Ausgangspunkt. Ein riesiges Stück Land gehört nun ihm. Doch da bricht er vor Erschöpfung zusammen und stirbt. Sein Herz war der Anstrengung und der Gier nach immer mehr nicht gewachsen. Nun braucht er nur das winzig kleine Stückchen Land für sein Grab. So wenig Land braucht der Mensch!

Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.
Lukas 12,20f