Der andere Stein der Weisen

Wir haben zu Hause noch einen anderen Stein der Weisen. Es ist ein wunderschöner, großer Stein, den wir von einer Reise mit nach Hause nahmen. Nun liegt er bei uns in der Fensterbank. Ein ganz gewöhnlicher Stein und doch ein besonderer. Immer wenn wir in der Familie mal wieder meinten, dass einer einen anderen beschuldigen und verurteilen sollte wegen offensichtlicher Fehler und Versagen, haben wir den Stein genommen, ihn umgedreht, uns besonnen und dann wieder hingelegt. Auf der Unterseite stehen mit dickem Filzstift die Worte Jesu geschrieben: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie!" (Johannes 8,7)
Der Stein der Weisen im Zusammenleben von Menschen ist der Stein, der nicht geworfen wird. Der andere Stein der Weisen ist die Besinnung auf die Liebe Jesu und seine Vergebung, von der wir alle leben. So werden wir aufeinander trotz unserer Fehler und Schwächen nicht mit Steinen werfen, wo wir doch selbst im Glashaus sitzen. Wir nehmen den Stein, lassen uns durch die Worte Jesu umstimmen, legen ihn wieder zurück und versöhnen uns. Das ist der andere Stein der Weisen, der Geist der Liebe.

Jesus sprach: "Wo sind deine Verkläger? Hat dich niemand verdammt? So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige nicht mehr!"
Johannes 8,10f

Der Stein der Weisen

Luise Rinser läßt in einer ihrer Erzählungen einen Arzt, der von einer längeren Reise zurückkommt, sagen: "Ich habe ein Geheimnis, ich habe etwas gefunden! Was denn? Den Stein der Weisen: MichSelbst!"
Der Stein der Weisen ist ein Symbol für die Lösung der tiefsten Menschheitsfragen, ein Ausdruck für die Verwirklichung des wahren Menschseins. Der Stein der Weisen ist das große Wunder, auf das Menschen hoffen, die wirkliche Lösung und Erlösung, die Menschen ersehnen.
Aber sie suchen in der Ferne, fahren fort, suchen überall und bleiben doch unerfüllt und finden nichts. Darum sagt Angelus Silesius einmal: "Mensch, geh‘ nur in dich selbst, denn nach dem Stein der Weisen darf man nicht allererst in fremde Lande reisen!"
Sicher ist es besser, zu sich zu kommen, als immer weiter und immer wieder auf andere Dinge abzufahren, sich zu verzetteln und seine Sinne zu zerstreuen. Aber kann ich selbst die Lösung meiner Fragen sein, die Stillung meiner Sehnsucht bieten, die Erfüllung meiner Träume gewähren? Bin ich nicht hoffnungslos überfordert im Vermögen und unterschätzt im Bedürfen, wenn ich selbst der Stein der Weisen sein soll?
Gottes Liebe zu uns, Christi Heil für uns und die Kraft des Heiligen Geistes in uns sind die Lösung. So wird aus dem Stein der Weisen als Symbol das Herz des Weisen als lebendige Wirklichkeit. Nur Gottes Liebe löst meine tiefsten Probleme, stillt meine letzte Sehnsucht, birgt die höchste Erfüllung in sich.
Darum sage ich, wenn ich zurückkomme: "Ich habe ein Geheimnis, ich habe etwas gefunden! Was denn? Den Stein der Weisen: Gott selbst und in ihm auch mich!"

"Jesus Christus ist uns von Gott gemacht zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung!"
(1. Korinther 1,30)

Einsicht gegen Eifersucht

Anna sagte: "Gott hat mich nicht so lieb wie du, es ist bloß anders, nämlich millionenmal größer!" Mit der Sicherheit des Chirurgen schnitt sie in die Wunde, die ein nutzloser Funke Eifersucht gebrannt hatte. Sie sagte: "Fynn, du hast mich lieber als irgendwer sonst, und ich hab dich auch lieber als irgendwer sonst. Aber mit Mister Gott ist das anders. Siehst du, Fynn, Leute lieben von außen rein, und sie können von außen küssen, aber Mister Gott liebt dich innen drin und kann dich von innen küssen, darum isses anders. Mister Gott is nich wie wir. Wir sind bloß ein bißchen wie er. Aber nich sehr viel." –
Anna hatte Blei in Gold verwandelt. Alle weisen Definitionen des Gottesbegriffes waren bei ihr überflüssig. Gnade, Liebe, Gerechtigkeit dienten als schwache Stützen zur Beschreibung des Unbeschreibbaren. Anna brauchte solche Stützen nicht.
"Siehst du, Fynn, Mister Gott ist auch anders, weil er Sachen zu Ende machen kann, und wir können das nicht."

"Verlasset euch nicht auf Fürsten; sie sind Menschen, die können ja nicht helfen. Denn des Menschen Geist muß davon, und er muß wieder zu Erde werden; dann sind verloren alle seine Pläne. Wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist, der seine Hoffnung setzt auf den Herrn, seinen Gott!"
(Psalm 146,3ff)

Die wirklich Mächtigen

In einem Konzentrationslager lebte einmal ein Gefangener, der, obwohl zum Tode verurteilt, furchtlos und frei war. Eines Tages sah man ihn mitten auf dem Gefängnisplatz Gitarre spielen. Eine große Menge versammelte sich um ihn, denn unter dem Zauber der Musik wurden alle genauso furchtlos wie er. Als die Gefängnisaufseher das merkten, verboten sie dem Mann zu spielen.
Aber am nächsten Tag war er wieder da, sang und spielte auf seiner Gitarre, und die Menge um ihn war größer als zuvor. Wütend schleppten sie ihn weg und zerquetschten seine Finger.
Am nächsten Tag war er wieder da, sang und spielte, so gut er mit seinen blutenden Fingern konnte. Dieses Mal jubelten ihm die Menschen zu. Die Wärter schleppten ihn fort und zerschlugen seine Gitarre.
Am nächsten Tag sang er aus ganzem Herzen. Was für ein Lied! So rein und beglückend. Die Menge fiel ein, und während des Singens wurden ihre Herzen so rein wie seines und ihr Geist genauso unbesiegbar. Dieses Mal waren die Wärter so wütend, daß sie ihm die Zähne ausschlugen. Stille breitete sich über dem Lager aus.
Zu jedermanns Erstaunen war er am nächsten Tag wieder da und wiegte sich tanzend zu einer tonlosen Musik, die nur er hören konnte. Und bald faßten sich alle an den Händen und tanzten um diese geschundene Gestalt in der Mitte, während die Wachen wie angewurzelt dastanden.
(Nach Anthony de Mello)

"Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat!"
(Römer 8,37)

"Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat!"
(1. Johannes 5,4)

Wir haben den besten Anwalt

Haben wir schmerzliche Abschiede hinter uns und Berge von Schwierigkeiten vor uns, sind schwere Wege unter uns und bedrückende Lasten auf uns, finden wir nur Ratlosigkeit neben uns und große Angst in uns, wollen die Tage vor Einsamkeit nicht enden und die Seelen mit ihren Wunden nicht heilen, sind die Hände voller Scherben und die Herzen voller Sorgen, sind die guten Worte aufgebraucht und die Augen vom vielen Weinen ganz blind, wollen Gedanken und Gebete sich nicht mehr finden lassen, wirken die kleinen Tröstungen nicht mehr und sind die Ablenkungen abgenutzt, ist der Sinn abhanden gekommen und die Hoffnung gestorben, dann bleibt uns noch eines: Jesus spricht für uns beim Vater vor und verwendet sich für uns. Er tritt für uns ein und bringt uns durch.

Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, dein Glaube nicht aufhöre!
Lukas 22,31f

Aufhören ist besser als Umkommen!

Ein kleiner Zirkus schlägt am Rande eines Dorfes seine Zelte auf. Die Bewohner sind eingeladen, die Vorstellung soll beginnen. Da bricht im Zirkus ein Feuer aus. Der Zirkusdirektor schickt seinen schnellsten Mann in das Dorf, um Hilfe zu holen. Es ist der Clown, der sich schon für seinen Auftritt im Zirkus fertiggemacht hat. In seinem Clownskostüm rennt er ins Dorf und schreit: "Es brennt, kommt schnell und helft löschen!"
Die Leute im Dorf lachen über ihn und meinen anerkennend, er spiele seine Rolle als Clown vortrefflich. Der Clown bittet eindringlich, es sei wirklich ernst und kein Spaß, das Feuer könnte auch auf das Dorf übergreifen und sie alle mit gefährden. Die Dorfbewohner lachen noch mehr und meinen, das wäre wirklich ein guter Trick um sie in die Vorstellung zu locken, einfach gekonnt und richtig gut. So lachen sie und bleiben zu Hause. Das Feuer breitet sich aus, erfasst schließlich auch das Dorf, und die Bewohner verbrennen in ihren Häusern. (Nach einer Erzählung von Sören Kierkegaard)

Ermahnt euch selbst alle Tage, solange es ‚heute’ heißt, dass nicht jemand unter euch verstockt werde durch den Betrug der Sünde!
Hebräer 3,13

Frag doch mal wieder!

"Fragen kann ich nach Person und Sache, nach Ort und Zeit,
nach Maß und Mittel, nach Grund und Ziel.
Wer Fragen stellt, erweist Vertrauen,
und darum tut es uns so gut,
wann immer jemand fragend mit uns spricht.
Fragen sind Geburtshelfer des inneren Lebens;
nur eine einzige, geschickt gestellte Frage, und neues Leben drängt ans Licht der Welt.
Urfragen gibt es, die uns treffen:
Adam, wo bist du?
Wo ist dein Bruder Abel?
Willst du gesund werden?
Was willst du, daß ich dir tun soll?
Urfragen, die Gott selbst uns Menschen stellt,
Fragen, die das Ziel uns zeigen,
Fragen, die den Weg uns weisen.
Und Fragen sind wie dürres Holz,
geworfen in die schwache Glut erloschener Gespräche,
und wieder prasselt hell das Feuer,
und wieder spürt das Herz ein heißes Glühn.
Fragen geben dem Erfragten Wert –
fragwürdig sein – welch schönes Kompliment!
Demütig ist, wer ernstlich fragt,
er schämt sich seiner Dummheit nicht,
und wirklich Meister ist nur der zu nennen,
der gute Fragen stellen kann."
(Reinhard Deichgräber)

"Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh es!"
(Johannes 1,46)

Der fragwürdige Mensch

"Wer nicht fragt, bleibt dumm!" heißt es in einem Kinderlied. Normalerweise fragen Kinder ihren Eltern Löcher in den Bauch. Sie wollen alles wissen, hinter alles kommen, immer noch weiterfragen. Ein Ausdruck der Würde des Menschen ist die Gabe, fragen zu können. Leider haben viele Menschen das Fragen aufgegeben. Sie meinen alles zu wissen, geben sich mit halben Antworten zufrieden, und ihre Neugier ist an Resignation erstickt. Die bohrenden Lebensfragen wollen gestellt und Antworten darauf gesucht werden: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn? Was ist die Kraft, die die Welt im Innersten zusammenhält?
In dem Buch "Anna" von Fynn gibt es ein wunderschönes Gebet des liebenswürdigen Kindes: "Bitte, Mister Gott, laß mich nicht so dumm bleiben wie alle anderen und wie ich jetzt bin. Ich möchte so gern alles lernen. Bitte sag mir doch, wie man richtig fragt!"

"Nach drei Tagen fanden die Eltern Jesus im Tempel sitzen, mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte!"
(Lukas 2,46)

Krönung des Lebens

Ein Heiliger trug eine goldene Krone. Als er in den Himmel kam und sah, dass alle anderen Heiligen juwelenbesetzte Kronen trugen, fragte er: "Warum hat meine Krone keine Juwelen?"
Der Engel antwortete: "Weil du keine gegeben hast. Diese Juwelen sind die Tränen, welche die Heiligen auf Erden vergossen. Du hast keine Tränen geweint."
"Wie konnte ich", fragte der Heilige, "wo ich so glücklich war in der Liebe zu Gott?"
"Das ist viel", sagte der Engel. "Hier ist deine Krone, sie ist aus Gold, aber Juwelen sind nur für die, die weinten." (Französische Legende)

Als Jesus hinzukam, sah er die Stadt und weinte über sie und sprach: Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient! Aber nun ist’s vor deinen Augen verborgen.
Lukas 19,41f

Nicht die Größe macht es, aber die Liebe!

Ein Löwe schlief im Schatten eines Baumes, als ihm eine kleine Maus über die Pranken lief. Erschrocken wachte der Löwe auf und wollte die Maus gerade verschlingen, als sie ängstlich zum Löwen sagte: "Was hast du schon von einem so winzigen Tier für einen Genuss? Lass mich laufen, und du gewinnst in mir einen Freund für das ganze Leben!"
Der Löwe lachte und sagte schließlich: "Dann lauf nur, kleiner Freund! Wenn ich dich brauche, werde ich dich rufen."
Eines Tages verfing sich der Löwe in einem Fangnetz. Je mehr er sich zu befreien suchte, desto enger zog sich das Netz um ihn zusammen. Da brüllte der Löwe laut in seiner Not. Sogleich kam die kleine Maus, zernagte Masche um Masche des Netzes und befreite ihren großen Freund. (Nach einer alten Fabel)

Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!
1.Korinther 16,14