Was uns hält!

Wir Unterwegs-Menschen brauchen einen Aufenthalt, wo wir bleiben. Wir brauchen Anhaltspunkte, um uns zurechtzufinden. Wir benötigen Unterhalt und Unterhaltung, um leben zu können. Wir suchen Rückhalt, damit wir nicht zugrunde gehen. Wir möchten ein gutes Gehalt, aber auch guten Gehalt, wichtigen Inhalt für unsere Lebenszeit. Wir ringen um ein richtiges Verhalten, und mehr als nur auf Haltung sind wir auf einen echten Halt aus.
Das Wort "Halt" stammt aus dem Bereich der Tierhaltung und leitet sich von "Hirte" ab. Ein Hirte hält sich Schafe, er hält die Schafe zusammen und bietet ihnen Aufenthalt und bewahrenden Rückhalt. Der letzte und wichtigste Halt für die Schafe ist der Hirte. Er ist der Halter, und sie halten sich an ihn.
So brauchen auch wir nicht irgendeinen Halt, sondern eine große Liebe und Fürsorge, die uns festhält, eine große Kraft, die uns birgt und Rückhalt gibt in allen Gefahren und Bedrohungen des Lebens. Wir brauchen einen Lebens- und Liebeszusammenhang, in dem wir festgehalten werden.

Meine Seele hängt an dir; deine rechte Hand hält mich.
Psalm 63,9

Liebe verwandelt

Ein russisches Märchen erzählt von einem Spielmann, der durch die Welt zieht, um die Menschen mit seinen Melodien zu erfreuen. Auf seiner Wanderung kommt er durch einen verzauberten Wald und hört dort eine Nachtigall singen. Er spürt sofort, dass die Nachtigall für ihn singt, und antwortet ihr mit seiner Flöte. Nun antwortet ihm wieder die Nachtigall mit ihrem Gesang, und so entsteht ein wunderbares Zusammenspiel. Als die Musik der beiden immer schöner wird, beginnt der Spielmann die Nachtigall zu lieben. Über seiner Liebe wird sein Spiel noch wunderbarer und schöner. Denn auch die Nachtigall spürt die Liebe und erwidert sie. Als die Liebe zueinander stark wird, verwandelt sich der kleine Vogel in das, was er von Anfang an ist, in eine wunderschöne Königstochter.
Man mag Menschen verlocken und zwingen, an sie appellieren und sie erziehen, man mag sie reizen und bedrängen, wirklich verwandeln vermag sie nur die Liebe. Nur durch die Gabe der Liebe werden Menschen, was sie von Anfang an sind: Königskinder.

So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat!
Epheser 5,1f

Die alte Bügelfrau

"Scheint dir auch mal das Leben rau, sei still und zage nicht. Die Zeit, die alte Bügelfrau, macht alles wieder schlicht!" (Wilhelm Busch)
Das klingt so locker und gemütlich, so einfach und beruhigend, ist aber falsch und lebensgefährlich. Die Zeit heilt keine Wunden, ebnet keine Wege, löst keine Probleme und kuriert keine Brüche.
Wenn ein Kind sich den Arm gebrochen oder eine Platzwunde zugezogen hat, wird der Arzt nicht falsch trösten, die Zeit heile alle Wunden. Er wird den Verletzten und seinen Schaden richtig behandeln. Der Arzt und sein helfendes Handeln gehen mit dem Körper und seiner heilenden Kraft eine Verbindung ein. Aus dieser Verbindung von ärztlicher Kunst und heilender Kraft des Körpers entsteht die Heilung, die nun auch Zeit braucht. Aber nicht die Zeit heilt, sondern die Heilung entsteht durch Behandlung und wächst in der vergehenden Zeit.
Gott will das Leben heilen, und das Leben will heil werden. Aus dieser Verbindung von Heilskraft und Heilssehnsucht kann das Heil unseres Lebens in der Zeit, die wir noch haben, entstehen. Machen wir einen Bund des Vertrauens und der Liebe aus unserer Sehnsucht, heil zu werden, und Gottes großer Kraft, heil zu machen. Dann würde unsere Zeit, die wir an den Heiland binden, zur Heilszeit.
Wir brauchen für die Brüche, Verletzungen, Kränkungen und Beschädigungen unseres Lebens, für all seine Tiefen und Schmerzen, seine Rauheiten und Widrigkeiten keine liebe, alte Bügelfrau, sondern einen starken und kundigen Helfer und Heiland.

Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen!
"Aber dich will ich wieder gesund machen und deine Wunden heilen", spricht der Herr.
Jeremia 17,14; 30,17

Die Betten des Prokrustes

Theseus begegnete der griechischen Sage nach auf seinem Weg nach Athen vielen Gefahren und schlimmen Feinden. Der grausamste von ihnen war der Straßenräuber Prokrustes. Er überfiel die Vorbeikommenden und tat ihnen Gewalt an. Er hatte sich zwei Bettgestelle gemacht, ein sehr langes und ein sehr kurzes. Die kleinen Leute unter seinen Opfern legte er in die lange Bettstelle und sprach beim Schlafengehen zu ihnen: "Wie du siehst, ist meine Lagerstatt für dich viel zu groß. Lass dir das Bett anpassen, Freund!" Und dann dehnte er den Gast so lange, bis er unter Schmerzen zugrunde ging. Kam aber ein großer Mensch vorbei, so legte er ihn gewaltsam in die kurze Bettstelle und erklärte ihm: "Es tut mir leid, mein Guter, dass mein Lager für dich viel zu klein ist!" Und dann hieb er ihm die Beine, soweit sie über das Bett hinausragten, ab.
Theseus aber überwand den grausamen Straßenräuber, legte ihn in das kleine Bett und kürzte ihm mit seinem Schwert den Riesenleib.
Heute sind die Prokrustesbetten natürlich ganz anders gebaut. Sie sind Denkschubladen, Vorurteile, falsche Bilder und feste Meinungen, die wir uns von Menschen machen. Wir messen und beurteilen andere nach unseren vorgefertigten Ansichten. Das Grausame ist, wir sehen oft nur zwei Möglichkeiten. Die einen erscheinen uns zu klein, und wir strecken sie, obwohl es ihnen weh tut. Andere sind uns viel zu groß. Die stauchen wir ordentlich zusammen, auch wenn es sie umbringt.

Nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden.
Matthäus 7,2

Sehnsucht nach Leben

Eine junge Frau war sehr verzweifelt und wollte ihrem Leben ein Ende machen. So ging sie zu einem weisen Mann und erzählte ihm von ihrer Absicht, nichts mehr zu essen, bis sie sterben würde. Der alte Mann nickte zustimmend und meinte nur: "Das wird ein schöner Tod werden!" Die Frau war ganz enttäuscht, denn insgeheim hatte sie gehofft, der weise Mann würde sie von ihrem Vorhaben abbringen. So begann sie denn zu fasten. Und im Laufe der Tage spürte sie in ihrem Körper wunderbare Veränderungen. Ihr Leib und ihre Seele wurden gereinigt, und sie fühlte sich mit jedem Tag besser und wohler. Gelegentlich hatte sie ein Gefühl von Traurigkeit, und sie lernte auch seelischen Schmerz kennen, der sich aber immer mehr in eine tiefe Freude am Leben verwandelte. In ihr wuchs mit jedem Tag mehr eine Sehnsucht nach Leben. Sie fastete nun schon über zwei Wochen, und es ging ihr immer besser. Nach drei Wochen war aller Schmerz vorbei, und sie fühlte ihr Herz überströmen von Glück und Lebenshunger. Es war eine unbändige Sehnsucht nach Leben. Und so beschloss sie denn, wieder zu leben, doch ab jetzt wirklich zu leben.

Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit du dich nicht vor den Leuten zeigst mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, der im Verborgenen ist.
Matthäus 6,17f

Nichts unversucht lassen

Ein alter, weiser Afrikaner wurde einmal gefragt, wie er mit Widrigkeiten und Schwierigkeiten, mit Sorgen und Ängsten im Leben fertig wird. Er sagte: "Wenn Schwierigkeiten und Sorgen auftauchen, versuche ich, sie zuerst zu umgehen. Wenn sie sich nicht umgehen lassen, versuche ich, unter ihnen durchzukriechen. Und wenn mir das nicht gelingt, probiere ich, sie zu überspringen. Geht auch das nicht, dann gehe ich mitten durch sie durch!"

Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, denn ich bin der Herr, dein Gott!
Jesaja 43,2f

Wer spielt die erste Geige?

Wenn das Leben ein Orchester ist, spielen viele verschiedene Instrumente zu einer guten Musik zusammen. Die kleine Flöte bringt ihre hellen Töne hervor. Der große Bass ertönt stark und tief. Die Harfe singt, die Trompeten und Posaunen erschallen dazu. Die Klarinetten und Oboen mischen sich ein. Die Trommeln wirbeln dazu. Die Triangel klingt mit ihren zarten Tönen, und die Pauke ist wuchtig und laut. Instrumente werden geblasen, gestrichen, gezupft und geschlagen, und alles klingt und passt zusammen.
Viele Gaben, Kräfte, Stimmen und Wirkungen kommen in einem Leben zusammen, wie in einem Orchester. Die kleinsten sind wichtig, und die größten sind nicht das Ganze. Alles klingt und spielt zusammen.
Unter allen Instrumenten gibt es im Orchester ein besonderes: die erste Geige. Sie ist wichtig, besonders und herausgestellt. Sie gibt den Ton an, sie führt und trägt die Melodie. Wer spielt im Leben die erste Geige?
In manchen Menschenleben spielt Jesus sozusagen die erste Geige. Er hat einen besonderen Platz, große Geltung und den ersten Rang. Er gibt den Ton an, nach ihm sollen sich alle anderen Kräfte richten. Er ist der große Star im Leben. Aber am Dirigentenpult steht der Mensch. Er gibt die Einsätze, die Tempi und die Pausen. Aber Jesus möchte in meinem Leben nicht die erste Geige spielen, einen besonderen Platz unter meiner Regie einnehmen. Nein, Jesus möchte mit seiner Übersicht und Kraft der Dirigent meines Lebens sein. So wird die Musik des Lebens lebendig und gut. Und ich selbst bin dabei erlöst von dem Druck, alles leiten und führen und richtig machen zu müssen. Wenn Jesus der Dirigent ist, muss ich auch nicht immer die erste Geige spielen, selbst als kleine Pikkoloflöte bin ich noch wichtig und ganz dabei.

Jesus ist das Haupt der Gemeinde, er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, damit er in allem der Erste sei!
Kolosser 1,18

Es allen recht machen?

Johann Peter Hebel erzählt von einem Mann, der auf seinem Esel vom Markt nach Hause reitet. Sein Junge läuft nebenher. Kommt ein Wanderer vorbei und meint: "Das ist nicht recht, Vater, dass ihr reitet und lasst euer Kind laufen. Ihr habt stärkere Beine!" Da stieg der Vater vom Esel herab und ließ den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wandersmann und sagt: "Das ist nicht recht, Junge, dass du reitest und deinen Vater zu Fuß gehen lässt! Du hast jüngere Beine." Da saßen sie beide auf und ritten eine Strecke. Kommt ein dritter Wandersmann und schimpft. "Was ist das für ein Unverstand, zwei kräftige Leute auf einem schwachen Tier! Sollte man da nicht einen Stock nehmen und euch beide hinabjagen?" Da stiegen beide ab und gingen zu dritt zu Fuß, rechts der Vater, links der Sohn und in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter Wandersmann und lacht: "Ihr seid drei kuriose Gesellen. Ist es nicht genug, wenn zwei zu Fuß gehen? Geht es nicht leichter, wenn einer von euch reitet?" Da banden sie dem Esel die vorderen und dann die hinteren Beine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der Schulter heim.
Wer sich immer nur nach anderen richtet, richtet sich selbst zugrunde!

Ein jeder sei in seiner Meinung gewiss! Was richtest du deinen Bruder? Oder du, was verachtest du deinen Bruder? Darum lasst uns nicht mehr einer den andern richten; sondern richtet vielmehr darauf euren Sinn, dass niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Ärgernis bereite!
Römer 14,5.10.13

Nach oben schauen

Als Gott die Welt machte, fragte er die Tiere nach ihren Wünschen. Er hörte sie alle an und erfüllte ihnen ihre Wünsche. Die Menschen aber wurden ärgerlich darüber, dass Gott sie nicht gefragt hatte. "Wir können mit uns und dieser Welt nicht zufrieden sein!", stellten sie vor Gott fest. "Das sollt ihr auch gar nicht", antwortete Gott, "eure Heimat ist nicht die Erde, auf euch warten die Überraschungen der Ewigkeit!"
Seitdem tragen die Tiere ihre Augen zur Erde, der Mensch aber geht aufrecht und schaut zum Himmel. (Nach einer mittelalterlichen Legende)
Der Mensch ist der Nach-oben-Schauende (anthropos), seine Sehnsucht geht bis an den Himmel und bis in die Ewigkeit. Aber von daher sollte er auch die Erde und das Leben in der Zeit ganz ernst nehmen. Darum hat Wilhelm Raabe einmal empfohlen: "Schau auf zu den Sternen, hab acht auf die Gassen!"

Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Prediger 3,11

Den Damm gar nicht erst aufreißen

Zwei Weise hatten viele Jahre miteinander gelebt. Nie waren sie in einen Streit geraten. Schließlich sagte der eine zum anderen: "Einmal wollen wir doch versuchen, uns zu streiten wie andere Leute!" Der andere fragte: "Aber wie geht das, wie sollen wir uns streiten?" Der erste antwortete: "Sieh, ich lege hier einen Ziegelstein zwischen uns und sage: Er gehört mir! Nein, er gehört mir, sagst du dann. Und schon geht der Streit los." Also suchten sie einen Ziegelstein, legten ihn zwischen sich, und der eine Weise begann: "Der Stein gehört mir!" Darauf der andere: "Nein, er gehört mir!" Darauf der eine: "Ja, er gehört dir. Also nimm ihn, ich brauche ihn gar nicht!" So waren sie außerstande, sich zu streiten. (Mönchsväter im 4. Jh.)

Wer Streit anfängt, gleicht dem, der dem Wasser den Damm aufreißt. Lass ab vom Streit, ehe er losbricht!
Sprüche 17,14