Das bessere Licht

Es geschah einmal, dass ein Mann eine Laterne anzündete und seines Weges ging. Doch das Licht verlosch. Er zündete die Laterne wieder an, und wieder ging sie aus. Das geschah immerfort. Jedes Mal, wenn er die Laterne angezündet hatte, ging sie wieder aus. Schließlich sagte sich der Mann: "Wie lange soll ich mich mit dieser Laterne ermüden? Ich warte bis die Sonne scheint, dann brauche ich die Laterne nicht mehr!"
So ging es auch dem Volk Israel. Sie waren in Ägypten versklavt. Da kam Mose und befreite sie. Aber dann wurden sie von den Babyloniern versklavt. Da standen Daniel und seine Freunde auf und befreiten sie. Jedoch wurden die Israeliten in Elam, Medien und Persien erneut versklavt. Da kamen Mordechai und Esther und erlösten sie. Danach wurden sie von den Griechen unterdrückt, und die Makkabäer befreiten sie. Schließlich hat sie das römische Reich versklavt. Und nun sagen die Israeliten: "Wir sind jetzt des Sklavenseins und des Erlöstwerdens müde. Lasst uns nicht mehr auf Erlösung durch Fleisch und Blut warten, sondern nur noch um Erlösung durch unseren Erlöser, den Herrn der Heerscharen, den Heiligen Israels, beten. Lasst uns nicht mehr die Laternen anzünden, sondern auf die Sonne warten, dass der Heilige selbst uns sein Licht gebe." (Nach einer rabbinischen Erzählung)

Der Herr ist Gott und leuchtet uns.
Psalm 118,27

Wider die Kritiksucht

Wie ein starkes Gift zersetzt lieblose Kritik die Netze des Miteinander. Aber die Kritiksucht ist ein Bumerang, der auf den Kritiker zurückfällt. Wer immer nur andere kritisiert, sagt nämlich gar nichts über die anderen, er sagt sehr viel über sich selbst und seine enge Lieblosigkeit.
In der griechischen Sagenwelt lebte Momus, der Gott der Kritik. Es gab keinen Gegenstand, der nicht sein Missfallen erregte. Einst veranstalteten Jupiter, Minerva und Neptun einen Wettbewerb. Es ging darum, den vollkommensten Gegenstand zu schaffen. Jupiter machte einen Mann, Minerva ein Haus und Neptun einen Stier. Die Götter wurden eingeladen, um ihr Urteil zu fällen. Momus hatte an allem etwas auszusetzen. Der Mann hatte kein Fenster in der Brust, durch das man seine Gedanken lesen konnte. Dem Haus fehlten die Räder, um es aus böser Nachbarschaft wegzubringen. Der Stier hatte die Hörner nicht unter den Augen, so dass er die Stöße nicht richtig abschätzen konnte. Schließlich machte sich Momus so unbeliebt, dass ihn die anderen Götter aus ihrem Kreis ausschlossen.
In unseren Gemeinden sollte jede aufbauende und mitwirkende Kritik willkommen sein, aber die spitzfindige, lieblose Kritiksucht sollte draußen bleiben. Ein Pfarrer schrieb unter seinen Gemeindebrief einen Nachsatz: "Lieber Leser, sollten Sie einen Druckfehler entdecken, bedenken Sie bitte, dass er absichtlich gemacht wurde. Es gibt immer Leute, die nur nach den Fehlern suchen, und unser Blatt möchte doch für jeden etwas bieten!"

Einer ist Richter, der retten und verdammen kann. Wer aber bist du, der du den anderen richtest?
Jakobus 4,12

Was wir letztlich brauchen

Die Grundbedürfnisse des Menschen lassen sich auf drei wesentliche Dinge reduzieren: Kommunikation, Identität und Kompetenz. Jeder Mensch hat Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Geborgenheit und Liebe. Er möchte mit anderen kommunizieren und andere an sich teilhaben lassen. Alle Sehnsucht zielt auf Einswerden, Angenommensein und Dazugehören. Gott bietet uns diese Gemeinschaft mit sich und unter uns an.
In der Kommunikation finden wir auch unsere Identität. In einer lebendigen Beziehung findet der Mensch zu sich selber. Und je mehr er er selbst und seiner selbst bewusst wird, um so mehr kann und möchte er kommunizieren. Unsere letzte, beste und sicherste Identität finden wir in der Lebens- und Glaubensbeziehung zu Jesus. Da sind wir angenommen und mit uns eins im besten Sinn. Im Einssein mit ihm liegt das Einssein mit uns selbst und auch das Einssein mit anderen.
Aus Kommunikation und Identität wächst dann unverkrampft und gelöst die Kompetenz des Lebens. Aus der Gemeinschaft mit Jesus und aus der Versöhnung mit uns selbst entsteht die Wirkung und Stimmigkeit des Lebens. Wir werden im besten Sinn kompetent, nehmen Einfluss, bewirken und verändern, schaffen und helfen.
Im Glauben an Jesus sind wir geborgen und angenommen, der eigenen Identität gewiss und in Jesu Liebe auch wertvoll und wichtig.

Als Menschen, die Gott wert geachtet hat, mit dem Evangelium zu betrauen, reden wir!
1.Thessalonicher 2,4

Der Heinzie

Er ging mit uns zur Schule, und unsere Väter waren alle Bergarbeiter. Aber der Heinzie hatte es schwer mit uns. Er hatte einen Buckel und lernte schwer. Er kam bald in die Sonderschule, die wir verächtlich "Brettergymnasium" nannten. Er wurde ausgelacht und sogar getreten. Wir machten seinen Gang nach und seine langen Arme, die nicht wussten, wohin. Da auch etwas mit seiner Sprache nicht stimmte, ahmten wir ihn nach, und wer es am besten konnte, bekam Beifall. Ich schäme mich noch heute dafür. Nach der Schule hörte ich nichts mehr von ihm. Ich wurde Soldat und geriet in Gefangenschaft. Als ich zurückkam, schlug ich mich mit Jobs durch. Beim CVJM fand ich einen neuen Sinn in meinem Leben und wurde Mitarbeiter. Und eines Tages traf ich Heinzie auf der Straße. Ich wollte an ihm vorbeieilen, aber er sah mich so traurig an, dass ich stehen blieb. Er sagte: "Ich freu‚ mich, dass du gesund aus dem Krieg zurück bist." – "Ja, ja", knurrte ich und trat von einem Fuß auf den anderen. "Ich hab’ gehört, du bist jetzt bei den Frommen – ist besser als die Hitlerjugend früher."
"Ja, ja", knurrte ich. "Meinst du, ich könnt‚ auch zu den Frommen kommen?" fragte er. "Ja, ja", sagte ich wieder – weiter fiel mir nichts ein. Er erschien dann im CVJM. Sonst gab ich immer damit an, welche Typen ich da anschleppte. Aber den Heinzie ließen wir alle links liegen. Doch Heinzie war immer da, saß am Tisch und sagte kein Wort. Er war so ein Stück Mobiliar geworden. Aber auf einmal war er nicht mehr da. Fiel uns erst gar nicht auf. Wochenlang erschien er nicht. Da haute mich der Vorsitzende an: "Hör mal, der Heinz wohnt doch da oben bei euch. Erkundige dich doch mal, was los ist." Ich traf seine Mutter an. Die war ganz traurig. "Der Heinzie ist im Krankenhaus. Er war ja schon immer schwach, auch das Herz, aber jetzt geht es zu Ende." Schlechten Gewissens fragte ich nach dem Krankenhaus und besuchte ihn. Die Schwester sah auch traurig aus. Aber sie freute sich über meinen Besuch. "Sonst kommt nur die Mutter, und die weint." Da lag der Heinzie. Ganz bleich und dünn. Er konnte kaum noch reden. Doch er lächelte. Er hielt meine Hand fest. "War schön bei euch", sagte er, und: "Du warst immer so gut zu mir." Ich schämte mich. Heinzie sagte: "Kannste noch mal kommen und die Bibel lesen?" Das tat ich. Noch zwei Tage, dann starb Heinzie. Die Schwester sagte: "So wie er ist selten einer bei uns gestorben. So einen Glauben – wenn ich den nur auch hätte!" – "Das hab’ ich noch gar nicht gesehen an ihm", sagte ich.
Am Grab sollte ich für unsere Gruppe etwas sagen. Ich sagte alles, und alle schämten wir uns. Aber ich sagte auch: "Der Heinzie – Liebe hat er gebraucht. Aber er hat nicht immer Liebe gekriegt. Doch er lebte und starb in Gottes Liebe und war ein Vorbild im Glauben. Wir alle brauchen die Liebe Gottes." Dann rannte ich weg.
(Fritz Pawelzik)

Was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist. Und das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt.
1.Korinther 1,27f

Der Schmuck der Christen

König Wilhelm von England hatte eines Abends eine fröhliche und ausgelassene Runde an seinen Tisch geladen. Darunter war auch die Hofdame Frau von Stein, die wegen ihrer vornehmen Herkunft und ihrer Frömmigkeit geschätzt wurde. Der König wurde albern und spottete übermütig über Gott. "Steiny", so nannte er die Hofdame scherzhaft, "was sagen Sie dazu?" Frau von Stein schwieg. Der König fragte nochmals, aber die Hofdame schwieg. Die Situation wurde sehr gespannt. Da fragte der König zum dritten Mal und fügte hinzu: "Ich denke doch, dass ich ein Mann bin, der einer Antwort würdig ist!" Frau von Stein blickte ihn an und sagte ernst: "Gott sagt, dass für die Spötter schreckliche Gerichte bereit sind!" – Der König sprang auf und lief erregt im Saal auf und ab. Das Mahl war unterbrochen. Niemand der Gäste wagte sich zu rühren. Da winkte der König einem Diener und gab ihm leise einen Auftrag. Nach kurzer Zeit kam der Diener zurück und brachte ein Etui. Der König entnahm dem Etui eine kostbare Kette und überreichte sie der Hofdame: "Steiny, Sie haben mir heute etwas gesagt, was mir noch niemand zu sagen gewagt hat. Ich weiß das zu würdigen, dass Sie Ihren himmlischen König höher achten als Ihren irdischen. Nehmen Sie diesen Schmuck als Erinnerung an diesen Abend!"
Der Schmuck der Christen ist ihre Liebe zu Gott und das mutige Eintreten dafür.

Du hast den Menschen wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Schmuck hast du ihn gekrönt.
Psalm 8,6

Altkleidersammlung

Ab und an muss man alte Kleidung abgeben, um Platz zu schaffen für neue Sachen. Auch im Kleiderschrank des Lebens sammelt sich manches an, was ausgemustert werden sollte.
Die weiße Weste, die schon lange fleckig ist und nur noch lächerlich wirkt. Ich gebe sie weg, bitte Gott um seine Vergebung für all die Flecken und lasse mir dann das neue Kleid der Gerechtigkeit geben. Die Zwangsjacke, in die ich meine Nächsten immer wieder stecke, damit sie meinen Vorstellungen entsprechen und meinen Bildern vom Leben genügen. Bisweilen zwänge ich mich auch selbst hinein und setze mich unter Druck von Erfolg und Leistung, Gutsein und Frommsein. Ich gebe sie an Gott ab und erbitte für uns alle die wunderbare Weite der Liebe.
Das dicke Fell gebe ich auch mit weg. Ich dachte, es wäre gut gegen Verletzungen und Enttäuschungen, Ängste und Sorgen. Aber mit dem dicken Fell wurde ich der Schwierigkeiten auch nicht Herr, denn sie wurden nun Herr über mich und ließen mich unter dem dicken Fell gehörig schwitzen. Die rosa Brille, die ich mir aufgesetzt hatte, um all das Dunkel und Schlechte in einem besseren Licht sehen zu können, lege ich auch dazu. Lieber nehme ich von Gott den Gürtel der Wahrheit, der den Mantel der Liebe sorgsam zusammenhält.

Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir KIeider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet.
Jesaja 61,10

Der schmale Weg

Wir gehen zu Jesus durch die enge Pforte der Buße und Bekehrung, aber in ein weites Leben voller Hoffnung. Wir gehen mit Jesus auf einem schmalen Weg, also in einer ganz engen Bindung zu ihm, aber mit einem weiten Herzen voller Liebe. Der schmale Weg zum wirklichen Leben hat nicht die Mehrheit der Masse, aber die Wahrheit des Einen bei sich. Der schmale Weg ist tief genug für alle wichtigen Dinge des Lebens und bietet die höchste Aussicht in die letzte Dimension bis zum Thron Gottes. Es besteht überhaupt kein Grund, den wunderbar schmalen Weg zu verbreitern. Alle, die das Leben suchen, haben darauf Platz. Und alles, was das Leben bietet, ist auf dem schmalen Weg zu finden.

Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und ihrer sind viele, die darauf gehen. Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal. der zum Leben führt, und es sind wenige, die ihn finden.
Matthäus 7,13f

Zerrissene Kinderschuhe

Familie Müller wohnt am Stadtrand in einer bescheidenen Wohnung. Das kleine Einkommen des Vaters, die vielen Ausgaben für die fünf Kinder zwingen zu äußerster Sparsamkeit. Da geht die Waschmaschine, die doch täglich gebraucht wird, kaputt. In der Zeitung findet Herr Müller ein günstiges Angebot für eine gebrauchte Waschmaschine. Er fährt sofort nach der Arbeit hin und gelangt zu einem vornehmen Haus mit einem wunderbaren Garten. Alles sieht nach Reichtum und Wohlstand aus. Ein freundliches Ehepaar bittet ihn herein. Die Waschmaschine wird besichtigt. Sie ist gut erhalten und sehr günstig im Preis. Erleichtert erzählt Herr Müller von seinen Sorgen, wie viel die fünf Kinder an Kleidung und Schulzeug brauchen. "Fast jede Woche bringe ich ein Paar zerrissene Kinderschuhe zum Schuhmacher!" Da geht die Hausfrau schnell aus dem Zimmer und kann dabei ihr Weinen nicht verbergen. Erschrocken fragt Herr Müller, ob er irgend etwas Kränkendes gesagt habe. "Nein", sagt der Hausherr, "aber wir haben nur ein Kind, ein achtjähriges Mädchen. Es ist seit seiner Geburt gelähmt. Und ein Paar zerrissene Kinderschuhe würde uns zu den glücklichsten Menschen der Welt machen!" – Herr Müller geht doppelt beschenkt nach Hause, mit der günstig erworbenen Waschmaschine und mit einer ganz neuen Freude an den Kindern, die soviel Zeug brauchen und Kosten machen.

Du hast mir meine Klage verwandelt in einen Reigen und mich mit Freude gegürtet, dass ich dir lobsinge und nicht stille werde. Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit.
Psalm 30,12f

Gottes Schatzkammern

Beten ist ein fröhliches, vertrauensvolles Nehmen. Beten schließt die Schatzkammern Gottes auf. Gott hat alles, was wir brauchen. Gott weiß alles, was uns fehlt. Gott kann alles, was er möchte. Gott gehören alle Schätze des Himmels und der Erde. In seinen Schatzkammern ist alles, was für uns gut ist und Segen bringt. Darum halten wir im Gebet Gott unsere offenen, leeren, bittenden Hände hin und warten darauf, dass er sie zu seiner Zeit mit seinen Gaben nach seinem Willen füllt.
Gott hat aber noch andere Schatzkammern. Darin liegen nicht die Dinge, die wir von ihm erbitten. Darin wohnen die Menschen, die Gottes Kinder sind. Menschen, die Gott gehören, sind seine eigentlichen Schätze. Die wirklichen Perlen Gottes, die wertvollen Juwelen seines Reiches sind Menschen, die ihn von Herzen lieben.
Wenn wir die Schätze Gottes sind, brauchen wir andere Schätze vielleicht nicht mehr so dringend. Wenn wir die Perlen Gottes werden, müssen wir sie nicht unbedingt in die Hand bekommen. Wenn wir der Reichtum Gottes sind, müssen wir nicht selber noch Reichtümer horten. Dann wäre unser Gebet nicht nur der Weg, an die Schätze Gottes heranzukommen. Dann wäre das Gebet ein Weg, ein Schatz Gottes zu werden.

Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen!
1.Thessalonicher 5,16ff

Gönne dich dir selbst!

"Wenn du dein ganzes Leben und Erleben völlig ins Tätigsein verlegst und keinen Raum mehr für die Besinnung vorsiehst, soll ich dich da loben? Darin lobe ich dich nicht. Wenn du ganz und gar für andere da sein willst, nach dem Beispiel dessen, der allen alles geworden ist, lobe ich deine Menschlichkeit – aber nur, wenn sie voll und echt ist. Wie kannst du aber voll und echt Mensch sein, wenn du dich selbst verloren hast? Auch du bist ein Mensch. Damit deine Menschlichkeit allumfassend und vollkommen sein kann, musst du also nicht nur für die anderen, sondern auch für dich selbst ein aufmerksames Herz haben. Wenn alle Menschen ein Recht auf dich haben, dann sei auch du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat. Warum solltest einzig du selbst nichts von dir haben? Wie lange noch schenkst du allen anderen deine Aufmerksamkeit, nur nicht dir selbst? Wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein? Denk also daran: Gönne dich dir selbst. Ich sage nicht: Tu das immer. Ich sage nicht: Tu das oft. Aber ich sage: Tu es immer wieder einmal! Sei wie für alle anderen auch für dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen!" (Bernhard von Clairvaux)

Hab acht auf dich selbst und auf die Lehre; beharre in diesen Stücken. Denn wenn du solches tust, wirst du dich selbst retten und die dich hören!
1.Timotheus 4,16