Aufwachen und Aufstehen

Was haben wir eigentlich bei unserer Geburt gemacht? Wir waren dabei, aber wir wurden geboren und mit dem Leben beschenkt.
Was machen wir eigentlich beim Aufwachen? Wir sind dabei, aber es geschieht mit uns, und der neue Tag liegt wie eine wunderbare Gabe vor uns. Aufgeweckt werden wir, geboren werden wir. Leben beginnt also immer mit dem Geschenk des Lebens und des Tages, das wir passiv empfangen. Aber dann müssen wir aktiv werden. Das Aufstehen passiert dann nicht mehr mit uns, sondern aktiv durch uns. Wenn Menschenkinder dann wach und des Lebens bewusst geworden sind, müssen sie aktiv werden und den Tag und das Leben auch gestalten. Aufwachen heißt: Wir nehmen unser Leben auch in die Hand und gestalten es bewusst und willentlich und aktiv. So wird unser ganzes Leben und jeder einzelne Tag ein wunderbarer Zusammenhang von Empfangen und Tun, von passivem Beschenktwerden und aktivem Tätigwerden sein.

Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!
Jesaja 60,1

Traumhaft leben – lebhaft träumen

Nein, Träume sind keine Schäume. Sie sind wichtige Erfahrungen an der Grenze. Träume leben an der Grenze von Tag und Nacht. Wachträume sind Ausdruck einer Sehnsucht, und Nachtträume sind die Verarbeitung des Lebens im Innern. Träume deuten den Zusammenhang von Bewusstem und Unbewusstem an. Nur einen Teil unseres Seins erleben wir bewusst, ein anderer Teil vollzieht sich völlig unbewusst, aber ebenso real. Träume zeigen das Ineinander von aktivem Gestalten und passivem Widerfahren. Ich träume, das spricht von aktivem Wünschen und Wollen. Mir träumt, bedeutet ein Widerfahren, das mich überkommt. Träume wohnen auch an der Grenze von Finsternis und Licht. Gott zeigt in den Träumen sein wahres Gesicht, aber auch die Fratze des Teufels wird in ihnen erkennbar. Wunschträume sind ein Urbild für Glück, wenn wir von Traumhaus und Traumreise und Traumurlaub sprechen. Alpträume hingegen sind das Urbild für Schrecken und Angst. Träume enthalten beides, Offenbarung und Verhüllung zugleich. Im Traum wird etwas deutlich, indem es verborgen wird. Und im Traum verbirgt sich eine Wahrheit, die darin erkennbar wird.
An der Grenzerfahrung im Traum wird sichtbar, dass unser ganzes Leben an der Grenze wohnt, an der Grenze von Tag und Nacht, Bewusstsein und Unterbewusstsein, aktivem Wollen und passivem Erleiden, Gott und Teufel, Sehnsucht und Angst, Offenbarung und Verhüllung.
Die Bibel erzählt immer wieder davon, dass Gott die Träume, in denen der Mensch normalerweise seine Alltagserlebnisse und Lebenswünsche verarbeitet, benutzen kann, um sein Wesen und Wirken zu offenbaren, seine Gerichte oder sein Heil anzukündigen, besondere Führungen und Berufungen zu schenken und Menschen auf besondere Dinge aufmerksam zu machen.

Und Jakob träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder.
1.Mose 28,12

Zum Nachdenken

Eine Kirche, die Angst hat, die Welt zu verlieren, wird sich in der Welt verlieren.
Eine Kirche hat nur soviel Einfluss auf die Welt, wie sie sich von ihr unterscheidet.
Eine Kirche, die nur den Menschen im Blick hat, wird unmenschlich. Nur wenn sie Gott im Blick hat, kann eine Kirche auch menschlich sein. Der schmale Weg der Nachfolge Jesu lässt uns Fremde sein in dieser Welt. Aber nur als Jesusverhaftete werden wir die Weltverhafteten erreichen. Die Kirche ist nicht beauftragt, Gott dem Geschäftsleben, der Presse, der Kultur- und Sportwelt oder der Politik und Wirtschaft anzupreisen. Ihre Diener sind nicht Diplomaten, die Kompromisse herstellen, sondern Propheten, die ein Ultimatum stellen.
Wenn die Kirche zwischen Weltflucht und Weltsucht hin und her taumelt, wird es den Menschen in ihr ganz schwindelig. Nur wenn eine Kirche wirklich Jesus nachfolgt, der in seiner Weltbejahung durch das Kreuz der Weltverneinung hindurchgegangen ist, wird sie das Salz der Erde und das Licht der Welt sein können.

Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. So jemand die Welt liebt, in dem ist nicht die Liebe des Vaters.
1.Johannes 2,15

In welchem Kreis?

"Die Leute", sagte der kleine Prinz, "schieben sich in die Schnellzüge, aber sie wissen gar nicht, wohin sie fahren wollen. Nachher regen sie sich auf und drehen sich im Kreis…" Und er fügte hinzu: "Das ist nicht der Mühe wert!" (Antoine de Saint-Exupéry)

Immer schneller, immer aufgeregter und abgelebter drehen sich die Menschen im Kreis. Im Kreis um sich selber, im Kreis um irgendein goldenes Kalb, im Kreis um die Erde. Am Ende sind sie ganz schwindelig und krank. Es gäbe einen besseren Kreis, der uns zur Ruhe kommen und Heilung finden lässt. Es ist der Kreis der Freude und Begegnung, der Kreis des Lebens und der Hoffnung, der Kreis der Liebe und Geborgenheit. Er ist überall zu finden, wo sich Menschen ernsthaft um Christus scharen.

"Und Jesus sah rings um sich auf die, die um ihn im Kreis saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und meine Brüder! Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter."
(Markus 3,34f)

Satt sein ist mehr!

Man erzählt von einem alten Bäcker, der ganz besonderes Brot hatte. "Sie sehen heute so bedrückt aus", fragte der Bäcker einen Mann, der bei ihm Brot einkaufen wollte. "Ich habe Angst um mein Kind, es ist gestern verunglückt und liegt nun in der Unfallklinik." Der Bäcker nahm das Brot auf dem Ladentisch, brach zwei Stücke ab und gab eines davon dem Mann. "Essen Sie mit mir das Brot", sagte er, "ich will an Sie und Ihr Kind denken." So etwas hatte der Mann noch nie erlebt, solch ein Brot noch nie gegessen. Beide aßen ihr Stück schweigend und dachten an das Kind im Krankenhaus und erflehten seine Besserung. Eine Frau kam in den Laden, um Brot zu kaufen. Der Bäcker brach noch einen Bissen ab, reichte ihn der Frau und sagte: "Essen Sie mit uns, sein Kind liegt schwerverletzt im Krankenhaus. Er soll wissen, dass wir seine Not teilen und mit ihm hoffen und beten." Und die Frau nahm das Stückchen Brot und aß es mit den beiden Männern. Brot ist etwas Lebendiges und Stärkendes. Wer es mit anderen teilt und gemeinsam isst, hat mehr davon: Lebenskraft und Lebensfreude, Lebenshoffnung und Lebenserfüllung. Das besondere Brot ist die Liebe.

Und Jesus nahm das Brot, dankte, brach es und gab es ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn.
Lukas 24,30f

Unsichtbare Kraft

Wenn beim Werkeln die Kiste mit Nägeln umfällt, und die vielen kleinen und großen Nägel im Sand liegen, wie soll man sie alle einzeln auflesen und zusammenbekommen? Man nimmt einen starken Magnet, fährt einige Male darüber und schon sind die Nägel wieder beisammen. Der Dreck fällt herunter und leicht kann man die Nägel wieder in die Kiste einsortieren. Man sieht dem Magneten nicht an, welche Kraft in ihm steckt, und doch sind die Kräfte wirksam und stark.
Gottes Geist ist eine solche Kraft, mit der Gott über diese Welt und unser Leben fährt. Damals zu Pfingsten tat es Gott und dann immer wieder. Gottes Kraft und seine Liebe heben die Menschen aus dem Staub des Irdischen heraus. Sie werden durch seine Güte angezogen und zur Gemeinde dazugefügt. Gottes Geist sucht uns, hebt uns aus dem Staub der Not und bringt uns hoch und zur Erlösung. Verlorene werden durch Gottes Geist aufgelesen und eingesammelt, und es bildet sich seine Gemeinde mit vielen Gaben und Aufgaben.

Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; und wurden hinzugetan an dem Tage bei dreitausend Menschen.
Apostelgeschichte 2,41

Neuen Mut

"Der Heilige Geist kommt herab und erfüllt die Jünger, die vorhin dasaßen in Trauer und Furcht, und macht ihre Zungen feurig und zerspalten, entzündet sie, dass sie keck werden und frei von Christus predigen und sich vor nichts fürchten.
Da siehst du ja klar, dass nicht sein Amt sei, Bücher schreiben noch Gesetze machen, sondern dass er ein solcher Geist ist, der in das Herz schreibt und schafft einen neuen Mut, dass der Mensch vor Gott fröhlich wird und Liebe zu ihm gewinnt und danach den Leuten mit fröhlichem Gemüte dient!" (Martin Luther)

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
2.Timotheus 1,7

Weise Worte sind besser

Es war einmal ein Hirtenbüblein, das war wegen seiner weisen Antworten, die es auf alle Fragen gab, weit und breit berühmt. Der König des Landes hörte auch davon, glaubte es nicht und ließ das Büblein kommen. Da sprach er zu ihm: "Kannst du mir auf drei Fragen, die ich dir vorlegen will, Antwort geben, so will ich dich ansehen wie mein eigen Kind, und du sollst bei mir in meinem königlichen Schloss wohnen." Sprach das Büblein: "Wie lauten die drei Fragen?" Der König sagte: "Die erste lautet: Wie viele Tropfen Wasser sind in dem Weltmeer?" Das Hirtenbüblein antwortete: "Herr König, lasst alle Flüsse auf der Erde verstopfen, damit kein Tröpflein mehr daraus ins Meer läuft, das ich nicht erst gezählt habe, so will ich Euch sagen, wie viele Tropfen im Meere sind." Sprach der König: "Die andere Frage lautet: Wie viele Sterne stehen am Himmel?" Das Hirtenbüblein sagte: "Gebt mir einen großen Bogen weiß Papier", dann machte es mit der Feder so viele feine Punkte darauf, dass sie kaum zu sehen und fast gar nicht zu zählen waren und einem die Augen vergingen, wenn man darauf blickte. Darauf sprach es: "So viele Sterne stehen am Himmel, als hier Punkte auf dem Papier: Zählt sie nur." Aber niemand war dazu imstand. Sprach der König: "Die dritte Frage lautet: Wie viele Sekunden hat die Ewigkeit?" Da sagte das Hirtenbüblein: "In Hinterpommern liegt der Diamantberg, der hat eine Stunde in die Höhe, eine Stunde in die Breite und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt alle hundert Jahr ein Vöglein und wetzt sein Schnäblein daran, und wenn der ganze Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Sekunde von der Ewigkeit vorbei."
Sprach der König: "Du hast die drei Fragen aufgelöst wie ein Weiser und sollst fortan bei mir in meinem königlichen Schlosse wohnen, und ich will dich ansehen wie mein eigenes Kind." (Aus den Märchen der Brüder Grimm)

Der Weisen Worte, in Ruhe vernommen, sind besser als des Herrschers Schreien unter den Törichten.
Prediger 9,17

Ich wachse

Die Zeder
Ich wachse langsam. Meine Zeit
ist eine lange Geduldigkeit.
An jedem wuchs ich, was mir war,
kein Reif zu jäh, kein Frost zu hart.
Ich wachs am Dunkel, daraus ich stieg,
ich wachs am Licht, darin ich mich wieg,
ich wachs am Wurm, der an mir nagt,
ich wachs am Sturm, der durch mich jagt.
Verwandelnd zwing ich jede Kraft,
hinaufzudehnen meinen Schaft.
Ich dulde Blitz und Glut und Guss,
ich weiß nur, dass ich wachsen muss.
Und schau ich hoch auf alle Welt,
und kommt die Stunde, die mich fällt:
Schmück Tempel ich und Paradies
des Gottes, der mich wachsen ließ.

(Ernst Bertram)

"Der Gerechte wird grünen wie ein Palmenbaum, er wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon. Die gepflanzt sind im Hause des Herrn, werden die Vorhöfe Gottes grünen. Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein, dass sie verkündigen, wie es der Herr recht macht!"
(Psalm 92,13ff)

Richtig leben

Wozu sind wir Menschen denn nun da, und wie können wir richtig leben, aufleben, erleben und überleben? Augustin hat einmal gesagt, dass wir Menschen dazu geschaffen wurden, um Gott zu genießen und die Welt zu gebrauchen. Aber der Mensch hat diese Ordnung verdreht und auf den Kopf gestellt. Er will die Welt genießen und Gott gebrauchen. Und beides geht nicht. Die Welt können wir nicht im letzten Sinn genießen, weil sie die Erfüllung für unsere Sehnsucht nicht bietet und enthält. Die Welt, das sind wir ja auch. Wir sind aber auf Größeres aus und werden niemals in der Welt die Stillung unserer Lebenssehnsucht erfahren. Darum führt ein konsequenter Weltgenuss dann auch zur Weltzerstörung und -vernichtung. Und Gott gebrauchen, wird deswegen nicht gehen, weil sich Gott dazu nicht hergibt. So liegt die Ursünde des Menschen darin, dass er seine Welt zum Gott und seinen Gott zum Gebrauchsgegenstand macht. An beidem scheitert der Mensch. Darum müssen wir umdenken und umkehren. Nur Gott schenkt uns die Freude, die wir suchen, die Erfüllung, auf die wir aus sind. Und wenn wir in Gott zum Frieden gekommen sind, dann können wir auch die Welt und ihre unzähligen Möglichkeiten zur Lebensgestaltung und Lebenserhaltung nutzen.

Habe deine Lust am Herrn, der wird dir geben, was dein Herz wünscht!
Psalm 37,4