Aber wohin?

Menschen sind unterwegs. Zu Hause packt sie das Fernweh und lässt sie abfahren. Sie wollen weit weg und suchen die Fremde. In der Ferne bekommen sie Heimweh und haben Sehnsucht nach Haus und Bekannten. Menschen sind unterwegs. Sie haben ihr Leben hingebracht. Aber wohin? Sie haben ihre Jahre zugebracht. Aber wozu? "Wohin soll ich gehen, und wozu soll ich leben?", sind die bangen Fragen des Unterwegs-Menschen. Vor uns liegen eine unsichere Zukunft und ein sicherer Tod. Aber wir müssen weiter. Hinter uns liegt eine schuldhafte Vergangenheit, die wir nicht so ohne weiteres loswerden. Doch der Strom der Zeit reißt uns mit. Unter uns wackelt der Grund, und wir halten uns krampfhaft an vergängliche Dinge. Über uns ziehen dunkle Wolken und Weltgewitter auf. Wir rennen, um vor ihnen im Haus des Glücks Unterschlupf zu finden. Neben uns Stimmen der Ratlosigkeit und Verführung. Und wir lassen uns locken. In uns kämpfen Träume gegen Verzweiflung. Und um uns sterben die Hoffnungen, eine nach der anderen, an Enttäuschung. An uns nagen die Zweifel, und die Leiden zehren die wenigen Lebenskräfte auf. Es ist jeden Tag das gleiche Hoffen und Bangen, Wagen und Zagen. Und immer weiter geht die Lebensreise. Aber wohin?

Wohin soll ich gehen vor deinem Geist?
Psalm 139,7

Alles ist in Bewegung

Wir kommen woher und gehen wohin. Wir treten aus dem Raum der Vergangenheit, huschen über den schmalen Flur der Gegenwart und gelangen in das Zimmer einer dunklen Zukunft. Alles ist in Bewegung.
Die Erde unter uns dreht sich. Die Wolken über uns ziehen weiter. Die Menschen neben uns hasten voran. Die Fragen in uns halten uns auf Trab. Die Wissenschaft bringt uns immer neue Möglichkeiten. Alles ist in Bewegung.
Die Zeiger an der Uhr drehen sich. Kalenderblätter wechseln. Jahreszeiten folgen einander nach. Die Jahre vergehen. Jahrzehnte versinken in der Erinnerung. Das Leben verändert sich. Auf den Tag folgt die Nacht. Auf die Nacht ein neuer Tag. Leben ist erfahren, ergehen, erleben. Menschen brechen auf, reisen und rasen. Kaum angekommen, machen sie neue Pläne und finden neue Wege. Alle sind unterwegs. Viele Menschen hasten auf vielen Wegen mit vielen Schritten in viele Richtungen auf viele Ziele zu. Hindernisse tun sich auf. Wir gehen weiter. Gefahren drohen uns. Wir lassen uns nicht aufhalten. Stolpersteine bringen uns zu Fall. Wir rappeln uns wieder hoch. Ängste wollen uns lähmen. Sie machen uns nur noch mehr Beine. Sorgen werden riesengroß. Wir versuchen sie abzuschütteln, indem wir noch schneller rennen. Alles ist in Bewegung.

Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden!
1.Mose 4,12

Ich habe es satt
Herr, ich habe es satt, den Hals zu verdrehen und jedem Trugbild nachzugaffen. Ich drehe mich nicht mehr um. Geradeaus sehe ich und schweige. Ich gönne meinem Nacken Ruhe. Denn mein Nacken ist müde vom ewigen Drehen und Wenden.
Mache mich zu einem Menschen, der geradeaus geht, dass ich nur auf deinen Weg schaue, den Weg, den du zeigst.
Meine Ohren sind müde vom Lärm der Züge und Autos, müde vom Nachhall der Worte, vom Kopfweh kommender Tage, sehr, sehr müde und beinahe ertötet vom klingenden, betäubenden Lärm.
Ich habe es satt, gereizt zu werden, gereizt von den vielen Dingen draußen und von der Selbstsucht drinnen.
Herr, reize du mich, dass deine große Liebe mich treibt, und ich in Ewigkeit fröhlich bin. (John Mbiti)

Die auf ihn sehen, werden erquickt und strahlen vor Freude!
Psalm 34,6

Nur Noten oder auch Musik?

Es war einmal ein Mann, der sammelte Noten. Alle Regale seines Zimmers waren angefüllt mit den Noten wunderbarer Musikstücke. Alles Geld gab der Mann aus, um immer mehr und noch wertvollere alte Notenausgaben zu erwerben. Er sortierte sie sorgfältig ein und freute sich an seiner wachsenden, kostbaren Sammlung.
Einse Tages klingelte ein Durchreisender an seiner Tür. Er war etwas heruntergekommen und stellte sich als "Bruder Tippel" von der Landstraße vor. Der Mann führte seinen bettelnden Gast in die gute Stube, um ihm etwas zu Essen zu bringen.
Staunend blickte der Durchreisende auf die vollen Regale mit all den schönen Notenausgaben. Dann fragte er: "Was sind das alles für wunderbare Bände in deinen Schränken?" – "Ich sammle Noten", erwiederte der Gastgeber. "Spielst du sie denn auch?", fragte der andere. Da wurde der Mann etwas verlegen: "Nein, ich spiele kein Instrument, und ich habe auch keine Zeit, die Noten zu spielen, meine Zeit reicht kaum, sie alle zu sammeln!" "Bruder Tippel" schwieg eine Zeit, dann holte er eine alte Mundharmonika aus seiner Manteltasche und begann, darauf zu spielen. Es klang nicht immer ganz rein und sehr virtuos, aber der Mann war mit Hingabe bei seiner Musik.
Als er schließlich ging, verabschiedete er sich: "Ja, ja, so ist das, die einen sammeln ihr Leben lang Noten, die anderen machen ihr Leben lang Musik." (Nach R. Deichgräber)

Was nützen uns die Tage, die wir im Kalender bei uns tragen, wenn wir sie nicht leben? Was nützen uns die Erfahrungen, die wir in Bücher eintragen, wenn wir sie nicht ausleben? Was nützen uns die Einsichten, die wir im Kopf spiechern, wenn sie nicht Hand und Fuss bekommen?

"Die Menschen gehen daher und machen sich viel vergebliche Unruhe. Sie sammeln und wissen nicht, wer es einbringen wird!"
(Psalm 39.7)

Menschenkind nochmal!

Gott hat ein Land erschlossen für seine Menschenkinder. Es ist von Wahrheit und Liebe umgeben und hat einen wunderbaren Namen: Jesus. Er ist die ganze Wahrheit Gottes über das Leben und die restlose Liebe Gottes zum Leben in einem. Die Wahrheit Jesu deckt das Leben auf, entbirgt alle Not und Last, macht die tiefe Verlorenheit offenbar. Die Liebe Jesu deckt Sünden zu, birgt verwundete Herzen und schenkt eine tiefe Lebensbeziehung zu Gott. Jesus will Menschenkinder mit seiner Wahrheit frei machen und mit seiner Liebe festhalten. In diesem Land werden Menschenkindern ihre Lasten abgenommen und ihre Erwartungen angenommen und erfüllt. In diesem Land brauchen Menschenkinder einen festen Wohnsitz.
Gott hat einen Baum gepflanzt. Der Baum trägt Lebensfrüchte, obwohl er ein Baum des Todes und des Fluches war. Das Kreuz Jesu war zunächst ein Fluch- und Todeszeichen. Aber durch die Lebenshingabe Jesu wurde das Kreuz zu einem Sieges- und Lebenszeichen verwandelt. Unter dem Baum Gottes, dem Kreuz Jesu, kommen Menschenkinder zum Leben, zur Hoffnung über den Tod. Hier muss das Gespenst der Vergeblichkeit und Vergänglichkeit weichen. Unter dem Kreuz Jesu werden sterbliche, schuldige Menschenkinder mit einem erfüllten Leben hier und mit einem ewigen Leben dort beschenkt. Jesus ist die Durchbruchstelle des Lebens in die Welt des Todes. Und nur in ihm werden Menschenkinder zum Leben hindurchbrechen.
Gott hat einen Anker bereit für seine Menschenkinder. Er kommt herab und zeigt sich den Menschen. Jesus ist die tiefste Stufe, die Gott herabgestiegen ist, und zugleich die höchste Stufe, die ein Mensch emporsteigen kann. Jesus ist der Treffpunkt zwischen Gott und Mensch. Wer in Jesus sein Vertrauen setzt, wirft seinen Lebensanker in Gott selbst hinein. Jesus verbindet Menschenkinder mit Gott und macht aus ihnen Gotteskinder. Zum Leben geboren heißt, zur Gemeinschaft mit Gott geboren, für eine Lebensbeziehung mit ihm gemacht. Die Sünde, die von Gott trennt, nimmt Jesus hinweg. Nun ist der Weg frei bis zum Herzen Gottes.
Menschenkind, geh in sein Land, flieh unter seinen Baum und wirf deinen Anker in sein Herz!

Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen!
Johannes 6,37

Menschenkind

Mit Wehen zum Leben geboren, mit Liebe gestillt, mit Hoffnung herangewachsen, auf Freude gewartet: wertvoll das Menschenkind, aber auch verletzlich, liebenswert und zerbrechlich zugleich. Kostbar das Leben und gefährdet, zauberhaft und abgründig in einem. Leben kann gelingen und scheitern, aufblühen und welken, erfüllt werden und in tausend Scherben zerspringen.
Menschenkind, mit beiden Beinen auf der Erde und mit allen Träumen im Himmel. Aufgewiegelt und abgewrackt, eingelullt und ausgelaugt, hochgeputscht und tief gefallen, aufgebraucht und abgelebt!
Menschenkind tastet herum und sucht das Wärmeland der Liebe, den Überlebensbaum der Hoffnung und den Rettungsanker des Glaubens. Wo ist das warme Land der Liebe, in dem alle Not bedeckt ist?
Wo ist der grüne Baum der Hoffnung über den Tod hinaus?
Wer gibt den Anker, mit dem Menschenkinder ihr Lebensschiff festmachen können?

Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?
Psalm 8,5

Das Leben ist nicht einfach

Die Angst vor dem Weniger und die Gier nach dem Mehr zerreiben wie zwei schwere Mühlsteine die Seele. Menschen sind um das Glück besorgt und von der Sorge zerfressen, sie sind in Hast und Hetze zu Arbeitstieren verkommen oder von Unlust gelähmt. In der Wüste von Stress und Langeweile bedroht, von Rebellion aufgebracht und von Resignation niedergedrückt. Leichtfertig die einen, schwermütig die anderen. Die Sehnsucht erkrankt an Fernweh und Heimweh zugleich. Menschen suchen das Weite und die Wärme, sie brauchen Freiheit und Geborgenheit zugleich. Träume sterben an Enttäuschung und verwandeln sich über Nacht in Alpträume, die sich dunkel aufs Gemüt legen.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit aufgespalten, von Neugier und Ekel umgetrieben, zwischen Karriere und Misere eingerichtet, zwischen Idylle und Katastrophe geängstet, an Mangel und Überdruss krank geworden, vom Einerlei und Vielerlei ermüdet, zwischen Selbstverwirklichung und Selbstverweigerung aufgespießt, zwischen Lust und Frust betäubt, suchen Menschen ein außerordentliches Leben und finden noch nicht einmal ein ordentliches.

Jesus spricht: "ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern. Und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten!
Johannes 6,35

Späte Frucht

In den Gräbern der alten ägyptischen Könige fand man unter den Grabgaben auch Gefäße mit Weizenkörnern, die bereits 5.000 Jahre alt waren. Als man sie in die Erde legte und mit Wasser begoss, keimten die Weizenkörner und wuchsen zur Frucht. Noch nach 5.000 Jahren hatten sie die Keimkraft in sich und warteten nur auf den richtigen Boden, um auch wachsen und Frucht bringen zu können.
Auch Gottes Wort ist 2-3.000 Jahre alt. Aber es hat in sich eine erstaunliche Kraft. Die Worte Gottes enthalten das ganze volle Leben und Wachsen. Es braucht nur in ein Herz und Leben gelegt zu werden, um seine Kraft auch zu entfalten. Wenn nichts wächst, liegt es nicht am alten Wort Gottes, sondern am harten menschlichen Herzen, das zu steinig und zu hart geworden ist. Wo sich aber ein Herz für das Wort öffnet, da wird es auch seine Früchte hervorbringen.

Bei dem das Wort Gottes in das gute Land gesät ist, das ist, der das Wort hört und versteht und dann auch Frucht bringt!
Matthäus 13,23

Gabe des Schweigens

Es gibt die Sprache mit Worten und mit Händen. Es gibt die Sprache der Augen und des Körpers. Und es gibt die Sprache des Schweigens. Der alte Abt eines Klosters fühlt nach einem langen und mühevollen Leben, dass es wohl bald mit ihm zum Ende kommt. Da möchte er noch einmal seinen besten Freund besuchen, um von ihm Abschied zu nehmen. Ein junger Mönch begleitet ihn auf der langen und schwierigen Wanderung in das Bergkloster. Dort fallen sich die beiden alten Freunde in die Arme und freuen sich am Wiedersehen. Nun setzen sie sich nieder und blicken sich schweigend an. Nach einigen Stunden erhebt sich der Abt, nimmt den Arm des jungen Mönchs und macht sich mit ihm auf den Heimweg. "Warum habt ihr nicht miteinander gesprochen?", fragt der junge Mönch. Und der Alte antwortet ihm: "Reden kann ich mit jedem Menschen auf der Welt, aber zum Schweigen braucht man einen wirklichen Freund!" In den Stunden des Schweigens hatten die beiden Männer mehr an Gemeinschaft und Teilhabe erfahren als im Reden. Denn in der Stille redet das Herz, und in der Stille redet Gott zu uns und wir mit ihm.

Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen!
Jesaja 30,15

Nachtragen oder Ablegen

Ein Junge hat seine Mutter durch Grobheiten tief verletzt. Der Junge ist längst weitergegangen, aber die Mutter trägt es in ihrer Seele dem Jungen nach, und sie trägt schwer daran.
Eine Frau hat ihren Mann schwer gekränkt. Sie hat das gar nicht so empfunden und lebt fröhlich fort. Aber der Mann trägt es ihr in seinem Herzen nach und ist damit sehr belastet.
Ein Arbeitskollege ist von einem anderen hintergangen worden und in seiner Ehre verletzt. Der Kollege ist schon in einer anderen Abteilung, aber der andere trägt es ihm noch nach und macht sich dadurch sein Leben schwer.
In einer Gemeinde hat es hässliches Gerede übereinander und gegeneinander gegeben. Man ist zerstritten und trägt es sich noch Jahre später mit Groll und Bitterkeit nach.
Wer einem anderen Menschen etwas nachträgt, hat schwer daran zu schleppen. Wie töricht ist es, einem anderen etwas nachzutragen. Man büßt nur die Fehler der anderen am eigenen Leibe. Darum gibt es für die Kränkungen und Verletzungen, die wir empfangen, nur eine richtige Möglichkeit: sie bei Gott ablegen und ihm bewusst übergeben. Verdrängen schadet, nachtragen schadet, nur ablegen und an Gott übergeben befreit. Vertragen ja, nachtragen nie!

Ertrage einer den anderen und vergebt euch untereinander, wenn
jemand Klage hat wider den anderen.
Kolosser 3,13