Wie weit ist es mit uns her?

Wenn jemand die Erwartung nicht erfüllt, die Leistung nicht bringt, die Aufgaben nicht bewältigt, das Leben nicht meistert, sagen wir: "Mit dem ist es auch nicht weit her!"
Was einer heute lebt und schafft, ist und bewirkt, hat und kann, steht dieser Redensart nach in einem Zusammenhang mit der Geschichte und den Wurzeln seines Lebens. Wenn Menschen in der Vergangenheit gut gewachsen, tief gewurzelt und richtig geworden sind, können sie auch heute und jetzt gut sein und richtig leben.
Wie weit ist es eigentlich mit uns Christen her? Unsere Wurzeln reichen weit zurück. Lange bevor wir da waren, hat uns Jesus schon geliebt und erlöst. Jesus starb für uns und setzte sein Leben für uns ein, als wir noch gar nicht geboren waren. Und noch weiter ist es mit uns her. Vor Grundlegung der Welt hat Gott uns schon in seiner Liebe gemeint und im Blick gehabt.
Bei so guten und tiefen Wurzeln unseres Lebens sollte der Baum bis in seine letzte Verästelung der einzelnen Lebenstage auch gesund und kräftig sein. Mit den Christen ist es wirklich weit her, was ihre Wurzeln in der Liebe Gottes betrifft. Weil die Wurzeln so weit reichen, sollten auch die Zweige und Äste unseres Lebensbaumes weitreichend sein, weit ausladend und weit einladend.

Denn in Jesus hat uns Gott erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollten heilig und unsträflich sein vor ihm!
Epheser 1,4

Aus der Enge in die Weite

Wer den blühenden Garten Gottes verlässt, findet sich in der Wüste der Welt wieder. Wer die Maßstäbe Gottes, die unser Miteinander ordnen, zerbricht, gerät hinter die Gitterstäbe von Schuld und Angst. Wer die Netze der Liebe Gottes, die uns auffangen, zerreißt, wird von den Netzen aus Neid und Hass eingefangen. Der Mensch wird in seiner falschen Freiheit krank und gekränkt von seiner Einsamkeit und Angst. Aber er steht mit seiner Selbstsucht und Sehnsucht, mit seiner Gier und Lust auf sich selbst nicht allein. Gott selbst hat Sehnsucht nach uns und eine unbändige Lust auf uns. So macht sich Gott auf und geht uns in Jesus den weiten Weg in die Enge unseres Lebens nach. Er wird geboren, wie Menschen geboren werden, unter Wehen und Schmerzen. Er lebt, wie Menschen leben, in vielen mühsamen Alltagen. Er leidet, wie Menschen leiden, wenn sie die Wahrheit sagen und Liebe üben. Er stirbt, wie Menschen sterben, qualvoll und elend. Er geht ins Gericht, wie Menschen ins Gericht gehen müssten, weil sie sich von Gott getrennt haben. Damit kauft Jesus uns los und reißt uns heraus aus den Verderbensnetzen, um uns wieder in das Lebensnetz bei Gott einzubinden. Darum gibt es nur eine Überlebenschance, dass wir uns aus der scheinbaren Weite des Todes, die in Wirklichkeit nur Enge ist, in die enge Bindung an Jesus flüchten, die in Wirklichkeit die Freiheit bedeutet. So werden wir aus unserer Angst und Enge gerettet und die Weite der Liebe wiederfinden.

Er führte mich hinaus ins Weite. Er riss mich heraus; denn er hatte Lust zu mir!
Psalm 18,20

Aus der Weite in die Enge

Dem Menschen ist es bei Gott zu eng. Er will hinaus in die Weite. Die Maßstäbe Gottes engen ihn ein. Er sucht die Freiheit und reißt sich von Gott los. So verliert er das Paradies, die Geborgenheit bei Gott. Dafür findet er sich in der tödlichen Weite der Weltwüste wieder und hat nun alle Freiheit, umzukommen. Er ist sich selbst verantwortlich, aber auch sich selbst preisgegeben. So findet sich der Mensch hinter den Gitterstäben der Angst und Gier, der Unerfülltheit und Einsamkeit wieder. Gott, der die Vögel gemacht hat, baut keine Käfige. Aber der Mensch, der sich von Gott losreißt, findet sich wie ein angstkranker Vogel im Käfig seiner eigenen, kleinen Welt wieder. Vor diesem Käfig lauert hämisch die Bedrohung unseres gefangenen Lebens in der Gestalt eines fetten Katers, der uns aus dem Käfig lockt mit den Worten: "Du hast wohl Angst vor der Freiheit?!"
So sind wir doppelt geschlagen. Die Geborgenheit bei Gott tauschen wir mit dem Käfig unserer Angst. Und aus dem Käfig unserer Angst gibt es nur den Weg in das sichere Verderben. Und das nennen wir ein freies Leben! Der Anschluss an den ewigen, großen, lebendigen Gott soll angeblich das Leben einengen. Und die tödliche Einsamkeit im Käfig unseres Selbst soll angeblich die Freiheit sein.

Wir gingen alle in die Irre, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der Herr warf unser aller Sünde auf ihn!
Jesaja 53,6

Schmerzen und Trost

Blaise Pascal (1623-1662) war Naturwissenschaftler, Erfinder, Schriftsteller, Philosoph und Christ. Er hatte ein kurzes, aber ungewöhnliches Leben. Mit 16 Jahren veröffentlichte er eine mathematische Studie über die Kegelschnitte. Als Zwanzigjähriger erfand er die erste Rechenmaschine. Aber er war von schwerer Krankheit gezeichnet. Von seinem 18. Lebensjahr an hat er nicht einen Tag ohne Schmerzen erlebt. Er starb mit 39 Jahren.
Neben seinem im Mantel eingenähten "Memorial", einem ergreifenden Zeugnis über seine Bekehrung, und den "Pensees", den fragmentarischen Gedanken, ist sein "Krankengebet" das Kostbarste aus seiner Feder. Im neunten dieser 15 Gebete schreibt Pascal: "Verleihe mir die Gnade, Herr, deinen Trost mit meinen Schmerzen zu verbinden, damit ich leide als ein Christ. Ich bitte nicht darum, den Schmerzen entnommen zu sein; aber ich bitte darum, den Schmerzen der Natur nicht ausgeliefert zu sein ohne die Tröstungen deines Geistes. Ich bitte nicht darum, eine Überfülle des Trostes zu haben ohne irgendeinen Schmerz. Ich bitte auch nicht darum, in einer Überfülle der Leiden zu sein ohne Tröstung. Aber ich bitte darum, Herr, miteinander fühlen zu dürfen die Schmerzen der Natur und die Tröstungen deines Geistes. Denn das ist der wahre Stand des Christseins. Möchte ich nicht Schmerzen fühlen ohne Trost, sondern Schmerzen und Trost miteinander, um am Ende dorthin zu gelangen, nur noch deine Tröstungen zu empfinden ohne irgendeinen Schmerz."
Solange wir auf Erden leben, werden sich die Schmerzen der Natur und die Tröstungen des Geistes mischen, werden die Gebrochenheit des natürlichen und das Heil des geistlichen Lebens miteinander sein, bis die Vollendung des ewigen Lebens uns erlöst.

Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein. noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein. denn das Erste ist vergangen!
Offenbarung 21,4

Nicht vergessen!

Eine Witwe hatte alles an ihren Sohn gewandt, damit er etwas werden könnte. Nun war der Sohn ein erfolgreicher Geschäftsmann. Aber er hatte die Mutter darüber vergessen. Doch eines Tages, nach langen Jahren des Schweigens, packte den Sohn die Unruhe. Er machte sich auf den Weg, um nach der Mutter zu sehen. Er fuhr zwei Tage und stand endlich vor dem kleinen Haus. Die Mutter zog ihn überrascht und erfreut ins Haus. Es gab Stunden des Erzählens und des glücklichen Erinnerns. Gegen Abend wollte der Sohn sich verabschieden, um sein Hotel aufzusuchen. Die Mutter meinte: "Du kannst bei mir übernachten." Der Mann sah sich in der ärmlichen Stube um. "Aber du bist doch gar nicht auf Besuch eingerichtet!"
Da öffnete die Mutter die Tür zur Kammer. Dort stand ein Bett frisch bezogen, und alles war bereit für einen Besuch. Der Sohn fragte erstaunt: "Aber du wusstest doch gar nicht, dass ich komme!" Die Mutter antwortete: "Ich habe all die Jahre auf dich gewartet und immer alles bereit gehalten, wenn du kommst." Wenn schon eine Mutter ihr Kind nicht vergisst, wie viel weniger wird Gott seine Menschenkinder vergessen. Gott hat alles bereit. Er wartet mit Sehnsucht auf uns. Und wir sollten Gott nicht länger warten lassen.

Kann auch eine Frau ihr Kind vergessen? Und wenn sie es vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen!
Jesaja 49,15

Ein anständiger Vogel

Ein Mann kommt an den Königshof und sieht viele neue Dinge. Als er so durch den Palast schlendert, sieht er zum ersten Mal in seinem Leben einen königlichen Falken. Eine solche Vogelart hatte er noch nie gesehen. Er kannte aus seiner Heimat nur eine Taube. Also lockte er den Vogel, nahm die Schere und beschnitt die Krallen, die Flügel und den Schnabel des königlichen Falken.
"Nun siehst du aus wie ein anständiger Vogel", sagte er, ‚wie schlecht haben sie dich hier behandelt."
Wie eng und festgelegt leben manche Menschen in ihrer bekannten und vertrauten Welt und schneiden alles, was ihnen fremd ist, auf ihr Maß zurück. Wenn wir andere Menschen beschneiden, damit sie nach unseren Maßen anständige Menschen werden, machen wir sie kaputt und bringen uns um die Chance, von ihnen zu lernen.

Verlasset die Torheit. so werdet ihr leben, und geht auf dem Wege der Klugheit!
Sprüche 9,6

Ansichten

Diogenes lebte als Philosoph ein einfaches Leben. Eines Abends saß er vor seiner Tonne und aß zum Abendbrot Linsen. Sein Philosophenkollege Aristippos, der am Hofe ein angenehmes Leben führte, weil er dem König nach dem Munde redete, sagte zu Diogenes:
"Wenn du lernen könntest, dem König gegenüber unterwürfig zu sein, müsstest du nicht solchen Abfall wie Linsen essen."
Darauf entgegnete Diogenes: "Wenn du lernen könntest, mit Linsen auszukommen, brauchtest du nicht dem König zu schmeicheln!‚’

Ich habe gelernt. mir genügen zu lassen, wie ich’s finde. Ich kann niedrig und kann hoch sein, mir ist alles und jedes vertraut!
Philipper 4,11f

Unterwegs und immer zu Haus – behaust sein

Die Schnecke trägt ihr Haus mit sich. Sie ist unterwegs und gleichzeitig zu Hause. Weiterziehen und sich Zurückziehen sind bei ihr ausgewogen. Die Schnecke bleibt sensibel für die Spannung von Nähe und Distanz. Sie streckt die Fühler aus und zieht weiter. Sie will Leben erfahren, ergehen, erkunden, erleben. Sie ist ganz offen und empfindsam für die kleinsten Dinge. Aber sie zieht auch die Fühler ein und sich in ihr Haus zurück. Sie braucht Nähe und Distanz zugleich, Weiterziehen und Zurückziehen gehören zusammen.
Auch bei Jesus sehen wir diese Spannung. Er war offen und sensibel für Menschen und Leben, hatte gleichsam alle Fühler ausgestreckt und sich hingehalten und offengelegt. Dann hat er sich zurückgezogen und die Distanz gebraucht. Ganze Zeiten suchte er die Stille und Einsamkeit zum Beten und Sinnen, um Kraft zu schöpfen und sich neu zu orientieren.
Das können wir von Jesus lernen, er trug sein Haus, seine Geborgenheit immer bei sich. Er war auch im Unterwegssein immer bei Gott zu Hause. Die letzte Geborgenheit tragen wir bei uns, wenn Jesus mit uns ist, immer und überall, jeden Tag und jede Nacht. So können wir weitergehen ohne Hast und Hektik, ohne Gier und Angst, ohne Flucht und Rausch. Aus der Flucht vor uns selbst und der Flucht zu uns selbst wird die Zuflucht bei Gott. Dort sind wir geborgen. Im Glauben tragen wir diese Zuflucht immer bei uns. Wir ziehen weiter und uns zu Gott zurück. Wir suchen die Nähe und Distanz und kommen darin zur Ruhe.

Denn auf dich traut meine Seele. und unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis das Unglück vorübergehe.
Psalm 57,2

Die Fühler ausstrecken – empfindlich werden!

"Schnecke, Schnecke komm heraus, strecke deine Fühler aus!", haben wir als Kinder gesungen, wenn die Schnecke sich in ihr Haus zurückgezogen hatte. Die Schnecke ist weich und verletzlich. Mit ihren sensiblen Fühlern nimmt sie ihre Umgebung wahr und reagiert darauf. Aber die Schnecke ist nicht nur einfach weich und verletzlich. Sie scheidet das Harte aus sich aus und bildet daraus ihr Haus, in das sie sich zurückziehen kann.
So hat auch Jesus das Harte des Lebens aus sich herausgetan und zum Schutzraum gegen das Böse und Gefahrvolle gemacht. Jesus war hart gegen das Böse und Zerstörerische und blieb doch selbst in der Liebe weich und verletzlich. Die Gewalthaber der Welt sind hart und verletzen andere. Der Liebhaber der Welt ist sensibel und wird darum auch verletzlich. Die Gewalt verletzt andere, die Liebe wird selbst verletzlich. Darum stirbt Jesus am Kreuz, aber seine Liebe, in der er so verletzlich ist, heilt eine ganze Welt von ihren tödlichen Wunden. Jesus scheidet das Harte aus, bleibt selber weich und schafft einen Raum des Schutzes und der Zuflucht für verwundete Menschen. In einer Welt, in der alle Menschen cool und hart sein wollen, werden Christen empfindsam und weich und bewirken damit schließlich mehr als alle Gewalttätigen.

Wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mitleiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht ist allenthalben gleichwie wir, doch ohne Sünde.
Hebräer 4,15

Besinnen vor Beginnen – bedächtig gehen

Bevor man redet, sollte man das Gehirn einschalten. Bevor man etwas beginnt, sollte man sich besinnen. Wer einen Sprung nach vorne machen will, geht weit zurück. Die Rückbesinnung unseres Handelns und Lebens fällt zu oft aus. So rennen wir los und stürzen voran. Jesus ging seinen Weg nach vorn, bedacht und rückversichert bei seinem Vater und seiner Weisung. Er lebte nach vorn und fragte zurück. So könnten wir unser Leben aufbauen, die Welt gestalten und an der Zukunft mitwirken, indem wir zurückfragen:
Wem dient es, was wir vorhaben? Gibt es Gott die Ehre und den Menschen die Würde? Verträgt es die Schöpfung und baut es auf? Es ist wichtig, sich auf die Ordnungen und Weisungen Gottes, die Werte und Wahrheiten des Lebens zurückzubesinnen. Was nützt aller Fortschritt und Fortgang, wenn es dabei von der Richtigkeit des Lebens weit und verhängnisvoll fort geht?
Wir besinnen uns auf den Lebensweg Jesu und erkennen, wie seine Liebe und seine Hingabe, die auch das Opfer und Leid mit einschließen, den wirklichen Fortschritt erzielen. Bedächtigkeit statt Gedankenlosigkeit, Gelassenheit statt Nachlässigkeit sollten unsere Schritte und Vorhaben leiten. Wer Gott und seiner Geschichte nachdenkt, wer Jesus und seinem Leben nachfolgt, wer dem Heiligen Geist und seinem Drängen nachgibt, wird am Ende ganz vorn sein. Denn Gott hinterher bedeutet allemal, der Zeit weit voraus zu sein.

Ein kluges Herz handelt bedächtig. Dem Toren ist die Torheit eine Freude; aber ein verständiger Mensch bleibt auf dem rechten Wege. Die Pläne werden zunichte, wo man nicht miteinander berät; wo aber viele Ratgeber sind, da gelingen sie!
Sprüche 15,14.21f