Zerstörtes Glück

Sie standen am Spielplatz, als der Schüler den Meister fragte: "Wie kommt es, dass alle Menschen glücklich sein wollen und es doch nicht werden?" Der Meister wies auf die spielenden Kinder. "Sie sind glücklich!" – "Wie ist es aber um das Glück der Erwachsenen bestellt?" fragte der Schüler. Der Meister holte aus dem weiten Ärmel seines Gewandes eine Handvoll Münzen hervor und warf sie unter die spielenden Kinder. Da verstummte mit einem Mal das fröhliche Lachen, und die Kinder stürzten sich auf die Münzen. Jedes von ihnen wollte möglichst viele für sich gewinnen. Sie lagen auf der Erde und rauften sich. Statt Lachen erschallte nun ein Geschrei und Gezeter. Das Triumphgeheul der glücklichen Eroberer mischte sich mit Wutgeheul der Unterlegenen. "Und nun", fragte der Meister, "was hat ihr Glück zerstört?"
"Der Streit", erwiderte der Schüler. "Und wer hat den Streit erzeugt?" – "Die Gier!" – ‚Nun hast du die Antwort auf deine Frage. Alle Menschen erfüllt die Sehnsucht nach dem Glück, aber die Gier in ihnen, es zu erjagen, bringt sie gerade um das, was sie sich sehnlichst wünschen!" (Aus einer chinesischen Legende)

Woher kommt Streit unter euch? Kommt er nicht aus euren Begierden, die in euch kämpfen? Ihr seid begierig und erlanget’s damit nicht!
Jakobus 4,1f

Meine Hoffnung

Mir ist es bisher wegen angeborener Bosheit und Schwachheit unmöglich gewesen, den Forderungen Gottes zu genügen.
Wenn ich nicht glauben darf, dass Gott mir um Christi willen dies täglich beweinte Zurückbleiben vergebe, so ist es aus mit mir!
Ich muss verzweifeln. Aber das lass ich bleiben. Wie Judas an den Baum mich hängen, das tue ich nicht. Ich hänge mich an den Hals oder Fuß Christi wie die Sünderin. Ob ich auch noch schlechter bin als diese, ich halte meinen Herrn fest.
Dann spricht er zum Vater: Dieses Anhängsel muss auch durch.
Es hat zwar nichts gehalten und alle deine Gebote übertreten, Vater, aber er hängt sich an mich. Was will’s! Ich starb auch für ihn. Lass ihn durchschlupfen.
Das soll mein Glaube sein! (Martin Luther)

Ich aber traue darauf. dass du so gnädig bist; mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst.
Psalm 13,6

Platzwechsel

Der Organist einer Dorfkirche spielte einmal ein Stück von Mendelssohn. Er spielte es mehr schlecht als recht. Ein Fremder, der vorbeikam, hörte die Klänge, kam in die Kirche und wartete das Ende ab. Dann bat er den Organisten, ihn einmal spielen zu lassen. Energisch wehrte der Organist ab: "Niemand außer mir spielt auf dieser Orgel!" Mehrmals musste der Fremde ihn bitten und anflehen, bis der Organist schließlich nachgab. Der Fremde setzte sich auf die Orgelbank, stellte die Register richtig ein und begann, das gleiche Stück zu spielen. Aber welch ein Unterschied! Die kleine Kirche füllte sich mit himmlischer Musik. Der Organist hörte verwundert zu und fragte dann: "Wer sind Sie?" Bescheiden erwiderte der Fremde: "Ich bin Mendelssohn!" – "Was", rief der Organist, "und ich wollte Sie nicht meine Orgel spielen lassen?"
Jesus hat unser Leben wunderbar erlöst und teuer erkauft. Wir sind sein Werk. Lassen wir ihn ran. Er nimmt es in seine Hand und macht daraus eine himmlische Melodie.

Lasset uns aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens!
Hebräer 12,2

Geben wir unser Bestes?

Viktoria, Königin von England, ging, wenn sie in ihrer Sommerresidenz Balmoral war, gern in einfacher Kleidung unerkannt in den Wäldern spazieren. Eines Tages geriet sie auf einem solchen Waldspaziergang in ein schweres Unwetter. Auf der Suche nach Schutz entdeckte sie ein kleines einsames Bauernhaus. Die Königin klopfte und fragte die alte Bäuerin, ob sie ihr einen Regenschirm leihen könne. Sie werde dafür sorgen, dass er schnell zurückgebracht würde.
Die alte Frau wusste nicht, wer da vor ihr stand, und antwortete: "Ich habe zwei Schirme, der eine ist ganz neu, den gebe ich natürlich nicht her, aber den alten können Sie haben!" So brachte sie einen abgetragenen Schirm, der schon nicht mehr ganz heil und verschlissen war. Die Königin nahm den alten Schirm und machte sich auf den Heimweg. Wie groß war der Schreck der Bäuerin, als am nächsten Morgen ein Diener in königlicher Livree ihr mit freundlichen Grüßen der Königin den alten Schirm zurückbrachte. Untröstlich war die alte Frau darüber, dass sie der Königin nicht den neuen Schirm geliehen hatte. Immer wieder jammerte sie: "Wenn ich es nur gewusst hätte, ich hätte ihr doch das Allerbeste angeboten!"
Wir werden einmal vor dem König aller Könige stehen und es sehr bereuen, wenn wir ihm nicht unser Allerbestes, uns selbst, gegeben haben.

Jesus war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht!
Johannes 1,10

Trost oder Vertröstung

Die Häsin lag sehr krank. Da kam der Igel zu Besuch und brachte ein paar frische Kleeblätter mit und sagte: "Kommt Zeit, kommt Rat!" Gut gemeint, aber wann kommt die Zeit, und welcher Rat wird es sein? – Tags darauf sah die Eule herein und meinte: "Gut Ding will Weile haben!" Sprach’s und verabschiedete sich. Die Häsin dachte: Ich kann mir aber keine Weile leisten. – Als die Feldmaus durchs Fenster guckte, fiepte sie: "Kopf hoch, Frau Nachbarin, so trägt eben jeder sein Päckchen!" – Die alte Katze sah auch kurz herein und erkundigte sich nach dem Befinden. "Es wird schon werden!" meinte sie schnurrend und meinte es ja ehrlich. – Als dann der Maulwurf seine Hemmungen überwand und durchs Fenster rief: "Keine Sorge! Ende gut, alles gut!", da empfand die Häsin nur noch Bitterkeit. In der Küche tobten die Jungen, und nichts war fertig geworden. Dazu noch die eigene Angst. Witzig sollte es klingen, als die Elster vom hohen Baum rief: "Kommen wir über den Hund, kommen wir über den Schwanz! Geduld, Geduld, Geduld!" – Können die alle sich denn gar nicht vorstellen, wie mir zumute ist? dachte die Kranke. Müssen die denn alle solchen gutgemeinten Unsinn reden?
Während sie noch voller Enttäuschung so nachdachte und merkte, dass all der gutgemeinte Trost im Grunde keiner war, kamen die Ameisen herein, grüßten kurz, stellten Feldblumen auf den Tisch, machten die Küche sauber, versorgten die jungen Hasen, waren bei alledem sehr leise und verabschiedeten sich ohne jeden Aufwand. Da trat viel Ruhe ein und vor allem: Die Hoffnung wuchs. (Peter Spangenberg)

Es lebe ein jeglicher unter uns so, dass er seinem Nächsten gefalle zum Guten, zur Auferbauung!
Römer 15,2

Das Land der tausend Farben

"Ja, glaubt mir", sagte die alte Frau und nickte mit dem Kopf. "Ich bin weit herumgekommen in der Welt! Menschen und Länder habe ich gesehen, so seltsam, dass ihr mir nicht glauben würdet, wenn ich euch davon erzählte. Nehmt zum Beispiel die Leute im Land der 1000 Farben."
"Dieses Land ist wunderschön. Wälder erglühen in allen Farben, Seen schimmern smaragdgrün, Meere wie Aquamarin, Blumen leuchten in den Farben des Feuers oder schimmern weiß wie frisch gefallener Schnee. Doch obwohl alles in den schönsten Farben erstrahlt, kennen die Menschen in diesem Land nur Grau. Wie das möglich ist? Nun, alle Bewohner des 1000-Farben-Landes tragen von Kind an eine dunkle Brille. Ihr denkt jetzt wahrscheinlich, dass diese Menschen keine Farben mögen. Falsch! Jeder von ihnen verzehrt sich nach Farbe und Licht. Viele gibt es, die Jahre damit zubringen, über das Wesen der Farbe zu philosophieren. Einige bemalen ihre Brille, aber auch das lässt sie alles wieder nur einfarbig sehen. Natürlich habe ich ihnen gesagt: ‚Setzt eure Brillen ab! Sie versperren euch den Blick, anstatt ihn zu erweitern! Sie nehmen euch die Farbe!’ Aber die meisten wollten, dass ich ihnen die Farben zuerst erkläre, dass ich beweise, dass Blätter wirklich grün und Sonnenblumen gelb sind. Wie sollte ich ihnen aber, die nur grau kennen, grün, gelb, rot, violett erklären und beweisen? Nur wenige haben den Mut gefunden, den Versuch zu wagen und die Brille abzusetzen. Zuerst mussten ihre Augen sich natürlich an all das Neue gewöhnen, doch inzwischen nehmen sie die Schönheit wahr, die ihnen bis jetzt verborgen blieb. Aber es sind noch zu viele, die sich selbst die Farben vorenthalten."
Zuerst herrschte Stille, dann war ein leises Lachen zu hören. Die alte Frau wandte den Kopf. "Warum lachst du?", fragte sie. "Warum? Die Leute sind wirklich dumm! Da kann man doch nur lachen!", sagte der große, blonde Mann und rückte die dunkle Brille auf seiner Nase zurecht. Sie war ein wenig ins Rutschen gekommen. (Karin Ackermann)

Meine Augen sehnen sich nach deinem Heil und nach dem Wort deiner Gerechtigkeit!
Psalm 119,123

Liebe und Macht

In eine solche Welt, die in ihrer Lust vergeht und sich durch ihre Gewalt zugrunde richtet, lässt Gott sich ein. Er kommt zur Welt, um sie aus diesem sinnlosen Untergehen zu befreien und mit ihr zu seinem Ziel zu kommen. Gott bindet seine Lust auf diese Welt und auf uns Menschen an seine glühende Liebe. Gott bindet seine göttliche Gewalt an seine maßlose Liebe und versöhnt die Macht über die Welt mit der Liebe zur Welt. Darum ist Jesus das Liebeswort Gottes und Machtwort zugleich an diese Welt. Jesu Macht ist seine Liebe, und seine Liebe ist die Macht, die im Leiden den Tod und das Böse überwindet. Das Blut Abels schreit nach Gerechtigkeit. Das Blut Jesu schreit nach Barmherzigkeit. In seinem Leiden und Sterben hält Jesus in Liebe an Gott fest, und in seiner Auferstehung wird Jesus der zweite Adam, der neue Mensch. Jesus stirbt wie Abel, und sein Blut tropft auf die Erde. Aber in seiner Auferstehung ist das Böse der Gewalt überwunden. Kain kann sich bekehren, und das Zeichen, das Gott an ihm machte, ist nun das Kreuz Jesu, unter dem wir neu und anders werden können. Die Passion der Liebe Jesu siegt über die Macht des Bösen im Menschen. Die Liebesmacht Jesu lädt uns ein zur Umkehr und Neugeburt, dass unsere Lust wieder Lust auf Gott und sein Leben, unsere Macht wieder Glaubensmacht und Lebenskraft werden.

Denn der Sünde Sold ist der Tod! Aber Gottes Gabe ist das ewige Leben!
Römer 6,23

Gewalt

Der Bruch des Menschen mit Gott hat auch den Bruch mit der Schöpfung Gottes zur Folge. Das zeigt die zweite geschichtliche Tat des Menschen, die Gewalttat. "Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain gegen seinen Bruder Abel und schlug ihn tot." (1.Mose 4,8)
Die Macht löst sich von der Liebe und wird zur zerstörenden, brutalen Gewalt, die das Leben umbringt. Wer Gott nicht mehr im Auge hat, hat Böses im Auge. Wer an Gottes Macht, Leben zu geben, nicht mehr gebunden ist, verfällt der bösen Macht, Leben zu nehmen.
Von Kain und Abel angefangen, zieht sich durch die Menschheitsgeschichte ein Meer von Blut und Tränen, von Mord und Gewalt. Die Waffe Kains hat sich im Laufe der Jahrtausende vergrößert und vergröbert bis hin zu den schrecklichsten atomaren, biologischen und chemischen Waffen unserer Zeit, aber auch verfeinert und verborgen im Alltagsleben der Familie und Gesellschaft. Kain lebt überall, und Abel stirbt unter uns. Bis heute schreit sein Blut zum Himmel. Es schreit nach Gerechtigkeit. Lusttat und Gewalttat stehen am Anfang der Geschichte. Sie stellten die Weichen für die gesamte Menschheitsgeschichte. Die Lust ohne die Liebe zu Gott zerstörte die Gottesbeziehung. Die Gewalt ohne die Liebe zerbrach die Menschenbeziehung. Die Abwendung von Gott, dem Lebensgeber, bringt die menschliche Geschichte auf die Straße des Todes.

Denn der Sünde Sold ist der Tod!
Römer 6,23

Lust

Die erste geschichtliche Tat des Menschen war – biblisch gesehen – eine Lusttat. "Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon!" (1.Mose 3,6) Die Lust auf die verbotene Frucht war in Eva und Adam stärker als die Liebe zu Gott, der sie vor dem Verderben bewahren wollte. So löste sich die Lust aus der Liebe heraus und brachte die Zerstörung in die Welt.
Die Lust auf Wissen und Haben, Macht und Materie, Erfüllung und Befriedigung, die Lust auf sich selbst und die Welt trat an die Stelle der Liebe zu Gott. Und Gott gab die Menschen in diese Verkehrung dahin, dass sie die Lust am Geschöpf mehr treibt als die Liebe zum Schöpfer. "Darum hat Gott sie in den Begierden ihrer Herzen dahingegeben, sie, die Gottes Wahrheit in Lüge verkehrt und das Geschöpf verehrt und ihm gedient haben statt dem Schöpfer." (Römer 1,24f)
So steht der Mensch unter dem Diktat seiner Lust und sucht verzweifelt, durch Lustbefriedigung die Lebenserfüllung zu finden. Die Erfüllung der Wünsche soll die Befriedigung der Seele werden, doch am Ende bleiben nur verletzte Seelen und unerfülltes, gebrochenes Leben zurück.

Die Welt vergeht mit ihrer Lust, wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit!
1.Johannes 2,17

Vom Leben überholt

Eine ältere Frau – graue Haare, buntes Leben – stärkt sich nach einem anstrengenden Stadtbummel im Schnellimbiss. Sie lässt sich eine Terrine Gulaschsuppe geben und findet einen freien Tisch, stellt ihre Suppe darauf und hängt ihre Handtasche darunter. Noch einmal kämpft sie sich durch die Menge der Leute und Tische und holt sich einen Löffel. Als sie zurückkommt, steht da ein junger Mann am Tisch und löffelt die Gulaschsuppe. Er ist schwarz und kommt aus Afrika. Die Frau schluckt ihre Entrüstung herunter, stellt sich dazu und isst mit ihm die Suppe. Nun schaut der Schwarze ganz verwundert. Aber dann löffeln sie beide einander zulächelnd die Suppe. Als die Terrine gemeinsam geleert ist, fragt der Afrikaner die Frau: "Darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen?" Die Frau nickt beglückt über so viel Freundlichkeit. Der Mann holt zwei Tassen Kaffee, und sie trinken ihn schweigend aus. Schließlich verabschiedet sich der junge Mann und verlässt den Imbiss.
Die Frau ist voller Freude über die ungewöhnliche Begegnung. Aber plötzlich durchzuckt sie ein Gedanke. Sie fasst nach der Handtasche unter dem Tisch und greift ins Leere. Die Tasche ist weg. "So ein Gauner", denkt sie und stürzt dem Mann hinterher. Aber der ist im Gewühl der Innenstadt längst verschwunden. Enttäuscht kehrt die Frau in den Imbiss zurück und entdeckt auf dem Nebentisch ihre Terrine Gulaschsuppe und ihre Handtasche darunter.

Einen jeglichen dünken seine Wege rein! Aber der Herr prüft die Geister!
Sprüche 16,2