Im Bann des Vorurteils

Albert Einstein soll einmal gesagt haben, man könne eher einen Atomkern spalten als ein menschliches Vorurteil. Wahrscheinlich hat er Recht, denn es ist schwer, ein Vorurteil aufzuknacken.
In einer griechischen Fabel wird sehr anschaulich das Vorurteil beschrieben. Ein Reisender bat Äsop um Auskunft über die Leute Athens: "Sag mir, guter Mann, wie sind denn die Leute in Athen? Kann man ihnen trauen und mit ihnen auskommen?" Worauf Äsop den Reisenden fragt: "Sag du mir erst, wo kommst du her, und wie sind die Leute dort?" Der Fremde antwortete: "Ich komme aus Argos. Die Menschen dort sind schlecht. Allesamt Lügner, faule Bäuche und Tagediebe. Sie streiten sich den ganzen Tag. Und ich bin froh, endlich dort wegzukommen!" Darauf antwortete Äsop: "Schade, guter Mann, dass ich dich enttäuschen muss. Du wirst die Leute in Athen nicht anders finden als die in Argos, von wo du gerade kommst!"
Einige Tage später kam wieder ein Reisender und fragte den Dichter nach den Leuten von Athen. Als Äsop sich auch bei ihm nach seiner Herkunft und den Bewohnern seiner Stadt erkundigte, sagte der Mann: "Ich komme von Argos. Die Leute dort sind sehr freundlich. Ich mag sie gut leiden. Eigentlich bin ich ganz ungern von dort weggegangen." Da lächelte Äsop und sagte schmunzelnd: "Guter Freund, ich freue mich, dir sagen zu können, dass die Leute in Athen genau so freundlich sind. Du wirst gut mit ihnen auskommen und dich dort bald sehr wohlfühlen!"

Wer aber bist du, dass du den Nächsten verurteilst?
Jakobus 4,12

Das Lese- und Lebensbuch

Die Bibel ist nicht nur Nahrung für lebenshungrige Menschen – das auch. Die Bibel ist nicht nur eine Tankstelle, an der verbrauchte Kraft nachgetankt werden kann – das auch. Die Bibel ist nicht nur eine Vitaminspritze für Müde und Erschöpfte – das auch. Die Bibel ist nicht nur ein Belebungsbad für dreckige und verschwitzte Menschenkinder – das auch. Die Bibel ist nicht nur gute Medizin für kranke Herzen – das auch. Die Bibel ist nicht nur ein wirksames Beruhigungsmittel für aufgescheuchte Seelen – das auch.
Bibellesen ist vor allem ein Treffpunkt von Liebenden!
Bibellesen und Gebet sollten wir nicht nur unter sachlichen Gesichtspunkten wie Nahrungsaufnahme, Belebung oder Beruhigung verstehen. Es geht vielmehr um die Pflege einer Liebesbeziehung. Gott spricht in seiner Liebe zu uns, wir hören geöffnet zu und antworten im Gebet und Handeln.
Das erste Motiv zum Bibellesen und Beten ist nicht: wir brauchen es! Sondern Gott wartet in Liebe auf mich, und wir suchen den Ort des persönlichen Zwiegesprächs. Dass in dieser Begegnung auch Kraft getankt und Nahrung empfangen wird, Erneuerung und Belebung, Reinigung und Weisung geschieht, versteht sich dann von selbst.
So lesen wir unsere Bibel als Horchende und Gehorchende, still zum Empfangen, aktiv zum Ausleben. Wir lesen sie aus Liebe und dann zum Nutzen.

Wenn dein Wort offenbar wird, so erfreut es und macht klug die Unverständigen. Ich tue meinen Mund weit auf und lechze, denn mich verlangt nach deinen Geboten. Wende dich zu mir und sei mir gnädig, wie du pflegst zu tun denen, die deinen Namen lieben!
Psalm 119,130ff

Vertrauen wird belohnt

Um Rübezahl, den sagenhaften Berggeist des Riesengebirges, ranken sich viele Legenden. Er neckt die Wanderer, führt sie in die Irre, wenn sie ihn ärgern, oder beschenkt sie, wenn sie ihn um Hilfe bitten. Und vor allem hütet er die riesigen Bergschätze.
Eine Sage erzählt, dass ihn eines Tages zwei arme Wanderer um eine milde Gabe bitten. Rübezahl gibt jedem von ihnen einen einfachen Stock. Der eine Wanderer verachtet das offensichtlich wertlose Geschenk, spottet über Rübezahl und wirft den Stock ärgerlich weg. Der andere behält ihn im Vertrauen darauf, dass er irgendeine Bedeutung und einen Wert hat. Bald darauf verwandelt sich der einfache Stock in pures Gold, macht den armen Wanderer reich und belohnt sein Vertrauen.
Gott hat uns viel verheißen und auf unsere Bitten hin uns manches anvertraut. Den Menschen scheint es bisweilen als wertloses Holz und sie werfen die Hoffnung fort. Aber das Vertrauen wird belohnt, die Verheißungen verwandeln sich dem Glaubenden in reiche Erfüllung und Belohnung.

Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat!
Hebräer 10,35

Kaufkraft und Willenskraft

Überall, in jeder Gemeinschaft und bei jeder Arbeit kommt eine Zeit, da steht es dir bis oben hin, da meinst du es nicht mehr auszuhalten. Die Arbeit, die dir am Anfang so viel Freude machte, wird langweilig, und die Leute, mit denen du begeistert begonnen hast, findest du unmöglich. Wenn du dann einfach aufgibst, bist du für keinen und zu nichts mehr wert. Du wirst erst Glück und Erfolg haben, wenn du das gelernt hast: durchhalten. Heute ist zu viel von Kaufkraft die Rede und zu wenig von Willenskraft, von der Kraft durchzuhalten. Länger durchhalten ist das Geheimnis aller Siege. (Phil Bosmans)

Ein Geduldiger ist besser als ein Starker und wer sich selbst beherrscht, besser als einer, der Städte gewinnt!
Sprüche 16,32

Nimm und lass!

Nimm dir Zeit für die Arbeit,
sie ist eine Gabe Gottes.
Lass dir Raum für die Muße,
sie ist die Batterie für die Seele.
Nimm dir die Freiheit, du selbst zu sein,
Gott nimmt dich an, wie du bist.
Lass Gott Gott sein, heilig, ewig, herrlich und unbegreiflich,
mach ihn nicht zu deinem Kumpel oder Kuscheltier.
Nimm alles, was das Leben bietet,
danke Gott und teile es mit den Nächsten.
Lass alles, was Gott verbietet,
viele unnötige Schmerzen bleiben dir erspart.
Nimm Rücksicht auf Schwächere,
verachte sie nicht, sie sind genau so geliebt.
Lass Stärkere dich locker überholen,
beneide sie nicht, bei Gott haben sie dir nichts voraus.
Nimm jeden einzelnen Tag ganz ernst,
du lebst ihn nur ein einziges Mal.
Lass das Ziel nie aus den Augen,
die Krönung und Vollendung des Lebens kommt noch.
Nimm die Nöte und Schmerzen des Lebens wahr,
sie sind Ausdruck der gebrochenen Welt.
Lass dich von Gott trösten und segnen,
er wartet auf dich in seiner ewigen Welt.

Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene erlangt!
Hebräer 10,35

Traurig und tröstlich

Traurig ist die Geschichte von Claude Eartherly, dem Piloten, der die Atombombe auf Hiroshima abgeworfen hat. Nach seiner Entlassung aus der Armee verübte er zwei Selbstmordversuche und kam schließlich in eine psychiatrische Anstalt. Seine Schuldgefühle raubten ihm den Schlaf und den Verstand.
Tröstlich ist der Brief, den 30 Mädchen aus Hiroshima an den Piloten schrieben. "Wir Mädchen sind zwar glücklicherweise dem Tod entkommen, aber durch die Atombombe haben wir Verletzungen in unseren Gesichtern und am ganzen Körper davongetragen. Nun hörten wir kürzlich, dass Sie nach dem Vorfall von Hiroshima mit einem Schuldgefühl leben und dass man Sie deshalb in ein Hospital für Geisteskranke gebracht hat.
Dieser Brief kommt zu Ihnen, um Ihnen unsere aufrichtige Teilnahme zu überbringen und Ihnen zu versichern, dass wir jetzt nicht die geringste Feindseligkeit gegen Sie persönlich hegen. Wir haben gelernt, freundschaftlich für Sie zu empfinden in dem Gedanken, dass Sie ebenso ein Kriegsopfer sind wie wir. Wir wünschen, dass Sie sich bald erholen und sich denen anschließen, die sich dafür einsetzen, das barbarische Geschehen, Krieg genannt, durch den Geist der Brüderlichkeit zu überwinden!"

Vielmehr liebt eure Feinde; tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.
Lukas 6,35

Er hat große Dinge an mir getan

"Ich lobe dich, Herr, errettet durch deine Barmherzigkeit.
Ich lobe dich, Herr, geehrt durch deine Erniedrigung.
Ich lobe dich, Herr, geführt durch deine Milde.
Ich lobe dich, Herr, regiert durch deine Weisheit.
Ich lobe dich, Herr, beschirmt durch deine Macht.
Ich lobe dich, Herr, geheiligt durch deine Gnade.
Ich lobe dich, Herr, erleuchtet durch dein inneres Licht.
Ich lobe dich, Herr, erhöht durch deine Güte."
(Mechthild von Magdeburg)

Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
Lukas 1,46-49

Was haben wir in der Hand?

Eine alte indianische Geschichte erzählt von einer jungen Frau, die eines Tages vom Großen Geist die Erlaubnis erhält, einmal durch ein Kornfeld zu gehen und sich eine Ähre zu nehmen. Diese Ähre sollte dann in ihren Händen zu reinem Gold werden. Da ging die junge Frau in das Ährenfeld hinein. Sie ging ganz langsam und suchte nach der schönsten und größten Ähre. Jedes Mal, wenn sie eine gefunden zu haben glaubte, zögerte sie, weil sie eine noch bessere und reifere zu finden hoffte. So ging sie weiter und weiter, konnte sich nicht entschließen. Schließlich wurden die Halme weniger, die Ähren kleiner, und plötzlich war sie am Ende des Feldes angelangt und stand ohne eine Ähre in den Händen da.
Während wir unterwegs sind, um die besten Möglichkeiten für uns zu finden, die größten Chancen auszumachen, verrinnt das Leben. Wir träumen davon, dass sich in unseren Händen alles in Gold und Reichtum verwandelt. Und dann stehen wir am Ende oft mit leeren Händen da. Solange uns die Frage bewegt: Was gehört mir? Was kann ich erreichen, gewinnen, festhalten?, werden wir besorgt und bedrückt nach einem bisschen Glanz suchen. Wenn aber sich die Frage verwandelt: Wem gehöre ich? Wer kann mich gewinnen und festhalten?, dann gibt es eine wunderbare Antwort: Der größte Reichtum, der schönste Glanz besteht darin, dass wir in Gottes Hand und von seiner Liebe festgehalten werden.

Ich gebe ihnen das ewige Leben und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen!
Johannes 10,28

Schätze

Die wirklichen Schätze liegen nicht auf der Straße. Die wesentlichen Reichtümer sind nicht in den Schaufenstern ausgestellt. Die Werte, die das Leben lebenswert, den Menschen menschenwürdig und die Geschichte sinnvoll machen, sind nicht auf den Gemeinplätzen zu finden.
Die Schätze, die ein Herz ausfüllen und ein Leben reich machen, muss man suchen, oft abseits der Wege, fern der Menge und jenseits des Gewohnten. Denn das ist das Besondere an den Schätzen, dass sie verborgen sind. Oft zeigen sich die wahren Schätze hinter ihrem Gegenteil verborgen. Manche Berge von Schwierigkeiten wurden die Orte besonderer Gotteserfahrungen. Manche Wüsten der Einsamkeit wurden die Weiten besonderer Einsichten. Und manche Nächte der Schwermut und Trauer wurden zu den hellsten Lichtern der Tröstung und Heilung.

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und kaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.
Matthäus 13,44

In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.
Kolosser 2,3

Erinnerung

Sie standen gemeinsam im Stall: ein Pferd, ein Ochse, ein Rennauto und ein kleiner Esel.

"Eins will ich euch sagen", begann das Pferd, "meine Vergangenheit lässt euch vor Neid erblassen. Eine Linie meiner Vorfahren lässt sich auf die berühmten Stuten des Propheten zurückführen, eine andere Linie reicht bis zu den Lipizzanern, eine dritte führt zu den Trakehnern, und schließlich habe ich das Blut der Kavallerie Napoleons in mir."

"Als ich noch Stier war", begann der Ochse, "war ich stolz darauf, dass sie mich als Goldenes Kalb gossen. Als ich Ochse wurde, verband ich mit meiner Tradition den Aufstand der Nubier."

"Typisch Ochse", wieherte das Pferd.

"Ich fuhr die großen Rennen", begann das Auto. Auf dem Nürburgring, in La Panne und überall in der Welt. In mir saß der große Männer Fangio. Könnt ihr euch das vorstellen?"

Und so fuhren sie fort, sich ihrer Vorfahren zu rühmen, obwohl das Pferd hinkte, der Ochse auf einem Auge blind war und das Rennauto keinen Motor mehr hatte.

"Was ist mit dir, du Esel?", wandte sich das Pferd an den Grauen.

"Nichts weiter", antwortete der leise, "aber einer meiner Vorfahren trug das Christkind."

(Peter Spangenberg)

"Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Hin

(Sacharja 9,9)