Einsamkeit

"Die Mühlbäche, die die Räder der Weltgeschichte bewegen, entspringen an einsamen Stellen!" (Wilhelm Raabe)
Mose lebte vierzig Jahre in der Wüste, bevor Gott ihn zum Führer und Befreier seines Volkes machte. Elia floh in die Einsamkeit und wollte sterben, doch Gott machte ihn zu seinem Boten. Jeremia litt unsäglich unter der Einsamkeit seines Prophetenlebens, doch Gott gebrauchte ihn in der Geschichte seines Volkes. Johannes ging in die Wüste und die Jahre der Einsamkeit machten ihn zum Vorläufer Jesu. Viele Menschen, die im Namen Gottes die Welt bewegten, wurden in Einsamkeit und Leiden dazu vorbereitet.

Ich habe mich nicht zu den Fröhlichen gesellt noch mich mit ihnen gefreut, sondern einsam saß ich und von deiner Hand gebeugt.
Jeremia 15,17

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
Johannes 12,24

Nimmst du mich noch einmal an?

Nimmst du mich noch einmal an? Herr, ich hab so viel getan
gegen deinen Willen, deinen Rat. Hat deine Liebe vielleicht
ihre Grenzen jetzt erreicht, und du kannst nicht mehr verzeihen,
was ich tat?

Ging ich auch zuerst nur kleine Schritte fort von dir,
so spür ich doch zwischen uns jetzt die Unendlichkeit.
Und um jede Stunde ohne dich, alle Tage fern von dir,
alle eignen Wege tut es mir heut Leid.

Nimmst du mich noch einmal an? Ob es wieder werden kann,
so wie damals, als ich nahe bei dir war?
Was ich damals von mir stieß, als ich deine Hand verließ,
wird mir erst aus meiner Frage richtig klar.

Du sollst wieder meine erste Freude früh am Morgen sein
und der letzte der Gedanken vor der Nacht.
Und wenn einer von dir Gutes sagt, will ich mich wieder freun,
und es soll mir wehtun, wenn man dich verlacht.

Nimmst du mich noch einmal an? Herr, ich halte mich daran.
Ich darf kommen, und du stößt mich nicht hinaus.
Meine Flucht ist nun vorbei, ich gehör dir wieder neu.
Es ist gut, bei dir zu sein, bei dir zu Haus.

(Manfred Siebald)

"Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen!"
(Johannes 6,35.37b)

Beizeiten

Einst wurde ein Raubmörder zum Tode am Galgen verurteilt. Der Gefängnisdirektor besuchte den Gefangenen am Abend vor seiner Hinrichtung in der Zelle und fragte ihn: "Was möchten Sie gern als letzte Mahlzeit? Sie können essen und trinken, was und wie viel sie gerne möchten!" Der Mann weinte und sagte: "Bedauerlich, wenn Sie mich das einige Monate früher gefragt hätten, wäre der Raubmord gar nicht erst passiert!"
Was ist das für eine Einstellung, die dem Sterbenden alles gewährt und bei Lebzeiten alles verweigert? Was ist das für eine Art, dem Gestorbenen alle Ehre und nur Lob zu gönnen und im Leben damit zu geizen? Was sollen die vielen Blumen auf den Gräbern, wenn wir sie bei Lebzeiten vergessen oder verweigert haben? Lasst uns den Lebenden Gutes tun, Blumen beizeiten schenken und das Geld mit warmen Händen mit anderen teilen.

Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen!
Galater 6,10

Geheimnis der Liebe

In die Natur ist ein Geheimnis der Liebe eingebaut. Ich finde es phantastisch. Das Klopfen meines Herzens, hundertdreitausend Mal am Tage, gratis. Es ist nicht zu glauben, ich atme jeden Tag zwanzigtausend Mal, und für die 137 Kubikmeter Luft, die ich dazu nötig habe, wird mir keine Rechnung ausgestellt.
Die wesentlichen Dinge des Lebens sind umsonst. Sie werden dir gratis gegeben.
Ich frage mich, wie viele Flüge von wie vielen Bienen nötig waren für das kleine Löffelchen goldgelben Honigs zu meinem Frühstück? Und wie viele Blumen dazu blühten? Und wer die Sonne scheinen ließ, denn wenn es regnet, fliegen sie nicht. Das alles für das kleine Löffelchen goldgelben Honigs zu meinem Frühstück.
Der herrliche Apfel, woran ein Apfelbaum die ganze Saison gearbeitet hat. Für jedes Stück Brot, das ich esse, hat jemand ein Saatkorn in die Erde gelegt. Ein Wesen, größer als der Mensch, hat in das Saatkorn den Überfluss blühenden Getreides gelegt. Ich liebe das Saatkorn, das in der warmen Umarmung der Muttererde empor wächst, um Scheunen voll Getreide zu geben für das Brot der Menschen. Ich liebe das Brot, das der Bäcker mit Liebe backt. Das Brot ist eine Gabe von Himmel und Erde, durch Gott an die Menschen und durch die Menschen an Menschen gegeben.
Ich fühle mich geliebt bis in meine Zehenspitzen. Ich möchte danken, aber sag mir, wem ich danken muss! Keinem Präsidenten oder General, keinem Professor oder Technokraten – Gott will ich danken! Gott ist Liebe. Gottes Wille ist Liebe. Gottes Gesetz sind Gesetze der Liebe. (Phil Bosmans)

Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi!
2.Thessalonicher 3,5

Von Mitmenschen und Einsamkeit

"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm ein Gegenüber schaffen, die um ihn sei." (1.Mose 2,18)
"Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei!" (Prediger 4,12)
"Man muss beides verbinden und miteinander abwechseln lassen, Einsamkeit und Zweisamkeit. Die eine weckt in uns die Sehnsucht nach Menschen, die andere die Sehnsucht nach uns selbst." (Seneca)
"Wenn alle Menschen wüssten, was die einen über die anderen reden, so gäbe es keine vier Freunde auf Erden." (Blaise Pascal)
"Der Neid der Menschen zeigt an, wie unglücklich sie sich selbst fühlen; ihre beständige Aufmerksamkeit auf fremdes Tun und Lassen, wie sehr sie sich langweilen." (Arthur Schopenhauer)
Das Schönste und Schwerste im Leben ist das Miteinander von Menschen. Das Schönste und Schwerste im Leben ist die fruchtbare Einsamkeit. Man kann sie nicht vergleichen, man muss sie miteinander versöhnen.

Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt!
Johannes 13,34

Ohne Wurm und Wühlmaus

Sanftmut möge sein auf deinen Lippen,
lieblich und lau wie ein Sommerabend,
der langsam ins Laub der Bergeschen sinkt.

Möge freundlicher Sinn sich breiten in deinen Augen,
anmutig und edel wie die Sonne,
die aus den Nebeln sich hebend die ruhige See wärmt.

Möge Reinheit sich spiegeln am Grund deines Herzens,
heiter und hell wie der Quell des heiligen Brendan,
darin die Taube ihr Bild anschaut.

Möge der Weisheit entsprießen dir jegliche Handlung,
herrlich und hoch wie der Weizen eines guten,
gesegneten Jahres, ohne Wurm und Wühlmaus.
(Aus Irland)

So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld!
Kolosser 3,12

Der Himmel

Es war einmal ein kleiner Heiliger, der hatte viele Jahre ein glückliches und zufriedenes Leben geführt. Als er eines Tages gerade in der Klosterküche beim Geschirrabwaschen war, kam ein Engel zu ihm und sprach: "Der Herr schickt mich zu dir und lässt dir sagen, dass es an der Zeit für dich sei, in die Ewigkeit einzugehen."
"Ich danke dem Herrgott, dass er sich meiner erinnert", erwiderte der kleine Heilige. "Aber du siehst ja, was für ein Berg Geschirr hier noch abzuwaschen ist. Ich möchte nicht undankbar erscheinen, aber lässt sich das mit der Ewigkeit nicht noch so lange hinausschieben, bis ich hier fertig bin?"
Der Engel blickte ihn nach Engelsart weise und huldvoll an, sprach: "Ich werde sehen, was sich tun lässt", und verschwand. Der kleine Heilige wandte sich wieder seinem Geschirrberg zu und danach auch noch allen möglichen anderen Dingen. Eines Tages machte er sich gerade mit einer Hacke im Garten zu schaffen, da erschien auf einmal wieder der Engel. Der Heilige wies mit der Hacke gartenauf und gartenab und sagte: "Sieh dir das Unkraut hier an! Kann die Ewigkeit nicht noch ein bisschen warten?" Der Engel lächelte und verschwand abermals.
Der Heilige jätete den Garten fertig, dann strich er die Scheune. So werkte er fort und fort, und die Zeit ging dahin … Eines Tages pflegte er im Hospital die Kranken. Er hatte eben einem fiebernden Patienten einen Schluck kühlen Wassers eingeflößt, da sah er, als er aufblickte, wieder den Engel vor sich.
Dieses Mal breitete der Heilige nur mitleidheischend die Arme aus und lenkte mit den Augen des Engels Blicke von einem Krankenbett zum anderen. Der Engel verschwand ohne ein Wort.
Als der kleine Heilige sich an diesem Abend in seine Klosterzelle zurückzog und auf sein hartes Lager sank, sann er über den Engel nach und über die lange Zeit, die er ihn nun schon hingehalten hatte. Mit einemmal fühlte er sich schrecklich alt und müde, und er sprach: "O Herr, könntest du deinen Engel doch jetzt noch einmal schicken, er wäre mir sehr willkommen."
Kaum hatte er geendet, stand der Engel schon da … "Wenn du mich noch nimmst", sagte der Heilige, so bin ich nun bereit, in die Ewigkeit einzugehen!"
Der Engel blickte den Heiligen nach Engelart weise und huldvoll an und sprach: "Was glaubst du wohl, wo du die ganze Zeit gewesen bist?" (Albert Schweitzer)

Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.
Matthäus 7,21

Zu allem fähig

Julien Green wurde 1900 in Paris geboren und starb 1998 auch dort. Als Sohn amerikanischer Eltern lebte und schrieb er in zwei Welten, in Frankreich und in Amerika. Seine weltberühmten Romane haben alle nur ein Thema, das Dunkle und Böse im Menschen, ihre Erklärung und Überwindung. Sein Vermächtnis auf seiner Grabplatte lautet:
"Wäre ich mutterseelenallein auf dieser Welt gewesen: Gott hätte seinen einzigen Sohn herabgesandt, damit er mich erlöse …
Aber wer, fragst du, hätte ihn dann ans Kreuz geheftet? Such nicht lange: Ich selber hätte das getan … Und der Jünger, der ihn lieb hat? Das ist das Schmerzlichste an der Geschichte und zugleich das große Geheimnis! Du weißt es recht gut: Auch diesen Jünger findest du in mir."
Ja, wir sind Petrus und verleugnen Jesus, wir sind Judas und verraten ihn, wir sind das Volk und spotten, wir sind die Frauen und weinen, wir sind die Römer und kreuzigen ihn, wir sind die Schächer und fluchen oder beten zu ihm, und wir sind Johannes, der ihn über alles liebt. Allen wurde Jesus in seiner Liebe gleich und der Heiland zugleich. Das ist sein Geheimnis.

Jesus entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz!
Philipper 2,7f

Schönreden oder Gutsagen

In der Politik gibt es handfeste Probleme, aber sie werden schöngeredet. Eine Firma verliert durch Missmanagement Milliarden, aber die Verluste werden schöngeredet. Die Nationalmannschaft spielt grottenschlecht, aber die Leistung wird vom Trainer schöngeredet. Eine Ehe war von Anfang an eine Katastrophe, aber die beiden haben ihre Beziehung vor andern immer schöngeredet. In der Gemeinde gibt es seit Jahren hässlichen Streit und kleinliche Rechthaberei, aber nach außen hin wird alles schöngeredet. Wie viele Male vertuschen und verbergen, überspielen und übergehen wir ernsthafte Schäden, nur um den äußeren Schein zu wahren, reden schön, was überhaupt nicht schön ist?
Gott sieht unsere Probleme, durchschaut unser Versagen, erkennt unsere Störungen, weiß um alle Pleiten, und die Schäden und Katastrophen bleiben ihm nicht verborgen. Und Gott redet diese Dinge niemals schön und überdeckt sie auch nicht mit dem Mäntelchen des heilen Scheins. Nein, vor Gott darf alles aufgedeckt und ans Licht gebracht werden. Und dann redet Gott nicht schön, aber er sagt gut. Gutsagen ist die Übersetzung des Wortes segnen (lateinisch: benedicere). Wenn Gott uns segnet, sagt er damit: Es ist gut, ich bin euch gut, es gibt einen guten Weg und ein gutes Ziel, ich habe eine gute Absicht und gute Gedanken mit euch, ich mache alles gut!
Darum sollten auch wir die Dinge nicht schönreden, aber die Menschen mit all ihren notvollen Schwierigkeiten unter den Segen Gottes stellen!

Der Herr segne euch je mehr und mehr, euch und eure Kinder. Ihr seid die Gesegneten des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Psalm 115,14f

Teuer erkauft

An der Küste Ostafrikas gibt es einen Hafen namens Bagamoyo. Der Name bedeutet "Wirf dein Herz weg!" oder "Lass deinen Mut fallen!" An diesem Hafen wurden früher die Sklaven auf Schiffe verladen. Von dort gab es kein Entrinnen mehr. Wer an diesem Hafen angelangt war, der musste alle Hoffnung aufgeben. Doch einige Missionare ließen sich an diesem Ort nieder, um einige der Sklaven loszukaufen. Sie bezahlten den Sklavenhändlern einen hohen Preis und ließen die Sklaven dann frei. Zuvor aber versuchten sie, ihnen etwas zu erklären: "Für deine Freiheit haben wir Gold bezahlt. Aber für die Freiheit deiner Seele reicht kein Gold oder Silber aus. Dafür war ein Preis zu zahlen, der viel kostbarer ist: Der Sohn Gottes selbst hat dafür sein Leben gelassen." Kein Wunder, dass dieser anschauliche Vergleich bei vielen einen tiefen Eindruck machte! So entstand in Bagamoyo eine der ersten christlichen Gemeinden Ostafrikas. Auch wir haben die Chance, frei zu werden: frei von Sucht und Schwermut, frei von Angst, Hass und Bitterkeit, frei von der Macht des Bösen. Wir sind freigekauft wie diese Sklaven. Wir haben die Wahl, ob wir dem folgen wollen, der das Lösegeld bezahlt hat, oder nicht. (Elfriede Koch)

Denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi!
1.Petrus 1,18f