Arm und reich

"Reichtum ist das geringste Ding auf Erden und die allerkleinste Gabe, die Gott einem Menschen geben kann. Was ist’s gegen Gottes Wort, ja, was ist’s auch nur gegen leibliche Gaben wie Schönheit, Gesundheit und gegen Gaben des Gemüts, wie Verstand, Kunst, Weisheit?
Dennoch trachtet man so emsig danach und lässt sich keiner Arbeit noch Mühe und Gefahr verdrießen noch hindern. Darum gibt Gott gemeiniglich Reichtum den groben Eseln, denen er sonst nichts gönnt." (Martin Luther)

Je mehr ein Mensch sich freut auf zeitlich Ehr‚ und Gut’,
Je weniger hat er zu ew’gen Dingen Mut.
Je mehr hingegen er wart’t auf die ew’gen Dinge,
Je mehr und mehr wird ihm das Zeitliche geringe.
(Angelus Silesius)

Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird das gehören, was du bereitet hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich für Gott.
Lukas 12,20f

Wer ist reich?

Ein armer Poet bekommt von einem reichen Mäzen eine Unterstützung. Auf dem Weg zu dem Generaldirektor sieht er in einem Delikatessengeschäft eine besonders große und leckere Ananas. Er fragt in dem Geschäft nach dem Preis. Und als er die Summe hört, denkt er bei sich, dass er sich so eine teure Frucht nicht leisten kann. Auf dem Rückweg mit seiner Unterstützung in der Tasche kann er der Versuchung nicht widerstehen und kauft sich für den ganzen Betrag die wunderbare Ananas. Beim nächsten Mal stellt ihn der Direktor zur Rede und wirft ihm vor, dass er sich hier das Geld holt und es dort für eine Delikatesse ausgibt. Worauf der arme Poet antwortet: "Aber Herr Direktor, wenn ich kein Geld habe, kann ich mir die Ananas nicht kaufen. Wenn ich das Geld habe, darf ich mir die Ananas nicht kaufen. Wann, sagen Sie, soll ich mir dann eine Ananas kaufen?"
Herr Grün jammert im Kaffeehaus seinen Freunden vor: "Meine Frau will immer wieder Geld von mir. Ich halte es bald nicht mehr aus!" Die Freunde fragen erstaunt zurück: "Und was macht deine Frau denn mit dem vielen Geld?" – "Ich weiß es nicht", meint Grün, "ich gebe ihr ja nichts!"
Irgendwo zwischen Geiz und Verschwendung könnten wir wirklich reich sein, reich im Haben und Geben, reich im Bekommen und Loslassen, reich im Gutestun und genügen.

Denn Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige gelüstet, und sie sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen.
1.Timotheus 6,10

Früchte

Als ich mein Wohlergehen auf den Acker der Dankbarkeit pflanzte, brachte es reichlich Früchte, die ich mit anderen Menschen teilen konnte.
Als ich mein Leiden auf das Feld der Liebe pflanzte, brachte es gute Früchte, die mir in Notzeiten überleben halfen.
Als ich meine Hoffnungen auf dem Acker der Geduld aussäte, wuchsen wunderbare Erfahrungen und Erfüllungen.
Als ich meine Enttäuschungen auf dem Feld der Vergebung einpflanzte, wuchsen reichlich Trost und Versöhntheit.
Als ich meine Tränen ans Herz Jesu legte, verwandelten sie sich in die Perlen eines gereiften Glaubens.

Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt.
Johannes 15,16

Zu spät

Ein Bahnhof einer Kleinstadt. Auf dem Bahnsteig winkende Menschen. Der Zug ist gerade abgefahren. Da kommt keuchend und dampfend ein Mann mit seinem Koffer angerannt. Der Stationsvorsteher: "Guter Mann, der Zug ist abgefahren, Sie kommen zu spät, Sie hätten etwas schneller laufen müssen!" Der Mann wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht, stellt seinen Koffer ab und antwortet: "Schneller laufen konnte ich beim besten Willen nicht, aber ich hätte früher losgehen müssen!" Tagesziele, Berufsziele, Etappenziele und auch das Lebensziel lassen sich am ehesten erreichen, wenn wir rechtzeitig losgehen und die Zeit nicht versäumen.

Herr, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muss. Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben. Sie gehen daher wie ein Schatten und machen sich viel vergebliche Unruhe; sie sammeln und wissen nicht, wer es einbringen wird.
Psalm 39,5-7

Zuhören

Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: zuhören. Das ist doch nichts Besonderes, wird mancher sagen, zuhören kann doch jeder.

Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig.

Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen.

Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten.

Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten.

Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten.

Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf – und er ging hin und erzählte alles das der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war.

So konnte Momo zuhören!

(Michael Ende)

"Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu!"
(Lukas 10,40)

"Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn!" (Jakobus 1,19)

Wissen wir, warum?

Bis vor etlichen Jahren war es in einer Kirche Jütlands Brauch, dass die Kirchenbesucher vor der Tür der Kirche sich ehrerbietig nach der linken Seite verneigten. Da kam ein neuer Pfarrer. Er sah es und fragte nach dem Grund. Er fragte die Jüngeren – sie wussten es nicht. Sie hatten nur gesehen, dass die Alten es so machten. Er fragte die Alten – die hatten niemals darüber nachgedacht. Sie wussten nur, dass es immer so gewesen sei und deshalb auch wohl so sein müsse. Alle verneigten sich, und niemand wusste, warum.
Nach einigen Jahren wurde die Kirche restauriert. Dabei wurde das Rätsel gelöst. Als der Kalkputz weggeschlagen wurde, fand man zur linken Seite der Kirchentür ein altes, noch wohl erhaltenes Freskobild der Madonna mit dem Jesuskind. Das war also der Grund. In den Zeiten vor der Reformation hatte man sich vor dem Bild verneigt, später wurde es überputzt und vergessen. Alle aber verneigten sich auch später noch, obgleich schließlich keiner mehr wusste, warum.
Manche Menschen beten, was andere beten, singen, was andere singen, glauben, was andere glauben, tun, was andere tun, lassen, was andere lassen. Wissen wir, warum? Wissen wir, warum wir in der Bibel lesen, beten, in den Gottesdienst gehen, am Abendmahl teilnehmen, die Gebote halten und die Lüge ablegen? Wir sollten anderen den Grund nennen können und sie vielleicht mit wirklich guten Argumenten überzeugen.

So habe ich es auch für gut gehalten, es für dich, hoch geehrter Theophilus, in guter Ordnung aufzuschreiben, damit du den sicheren Grund der Lehre erfahrest, in der du unterrichtet bist.
Lukas 1,3f

Einkehr

Bei einem Wirte wundermild,
da war ich jüngst zu Gaste;
ein goldner Apfel war sein Schild
an einem langen Aste.

Es war der gute Apfelbaum,
bei dem ich eingekehret.
Mit süßer Kost und frischem Schaum
er hat mich wohl genähret.

Es kamen in sein grünes Haus
viel leicht beschwingte Gäste.
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
und sangen auf das Beste.

Ich fand ein Bett zu süßer Ruh
auf weichen, grünen Matten.
Der Wirt, er deckte selbst mich zu
mit seinem kühlen Schatten.

Nun fragt‘ ich nach der Schuldigkeit.
Da schüttelt er den Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
von der Wurzel bis zum Gipfel!
(Ludwig Uhland)

Gastfrei zu sein, vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt!
Hebräer 13,2

Nicht vergessen

Eine ganz fromme Frau erzählte im Bibelkreis, dass sie zur Beichte gewesen sei. Eine andere Frau warf ein: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie eine schwere Sünde begangen haben, die Sie beichten müssten." "Doch, denken Sie mal, ich habe vor Wut einmal meine Schwiegermutter aus dem Haus gejagt!" "Aber das ist doch schon lange Jahre her, das haben Sie doch sicher schon längst gebeichtet!" – "Ja, das habe ich schon öfter gebeichtet. Ich erinnere mich nämlich so gerne daran."
Manche Menschen sind in ihre Sünde verliebt und kokettieren mit ihr. Gott will nicht, dass wir uns mit unserer Sünde beschäftigen, die er uns längst vergeben hat. Wir machen Gott klein und lächerlich und uns selbst noch mit unseren Schwächen groß und wichtig. Es gibt wirklich Größeres und Wichtigeres.

Darum sollt ihr so beten: Vater unser im Himmel. Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Matthäus 6,9-13

Ich glaube es nicht

Sie sagen
Idealismus ist ein Intelligenzdefekt.
Ich glaube es nicht

Sie sagen
Die Bergpredigt wäre nicht so gemeint.
Ich glaube es nicht

Sie sagen
Du sollst nicht töten ist so zu verstehen, dass…
Ich glaube es nicht

Sie sagen
Bei etwas gesundem Menschenverstand
Müsste doch jeder…
Ich glaube es nicht

Sie sagen
Selbst Christus würde, wenn er heute…
Ich glaube es nicht

Und wenn man mir Berge
Schwarzen und roten Goldes verspricht
Ich glaube es nicht

(Hanns Dieter Hüsch)

(Aus: Hanns Dieter Hüsch, Das Schwere leicht gesagt, 1997/4, tvd-Verlag Düsseldorf, 1991)

"Einem jeden wird sein eigenes Wort zur Last werden, weil ihr so die Worte des lebendigen Gottes verdreht!"

(Jeremia 23,36)

Weltmeister im Jammern

Auf einer Bahnfahrt im Liegewagen wollte sich ein Geschäftsmann entspannen und ein wenig schlafen. Unter ihm lag auf seiner Pritsche ein Mann, der ihn daranhinderte. Unaufhörlich stöhnte der Mann leise vor sich hin: "Du liebe Zeit, hab ich einen Durst … oh, hab ich einen Durst!" Nach einigen Stunden war der Geschäftsmann so entnervt, dass er aufstand, im Bordrestaurant zwei Flaschen Wasser besorgte, den langen Weg zu seinem Abteil zurückging und dem Mann das Wasser zum Trinken anbot. "Vielen Dank", sagte der Mann und trank genüsslich das Wasser aus. Kaum war der Geschäftsmann oben auf seiner Liege, hatte sich ausgestreckt und die Augen zugemacht, als er es von unten wieder stöhnen hörte: "Du liebe Zeit, hatte ich einen Durst … oh, war ich durstig!"
Ein Hotelbesitzer beklagt sich bei der Stadt über erhebliche Einbußen seines Geschäfts, nachdem die neue Schnellstraße an seinem Haus vorbeiführt.
Darauf hingewiesen, dass sein Hotel doch immer ausgebucht sei, antwortet er: "Vor dem Bau der Schnellstraße musste ich jeden Abend etwa vierzig Gästen absagen, nun sind es pro Tag nur noch etwa zwanzig Gäste, die kein Quartier mehr bei mir finden!"
Wir haben so viel und bejammern immer das, was angeblich fehlt. Die Macht des Fehlenden hat besonders die Menschen im Griff, die schon so viel besitzen. Das Jammern und Stöhnen darf nicht zum guten Ton werden.

Sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles im Namen unseres Herrn Jesus Christus!
Epheser 5,20