Hier und anderswo

Gelebt und nicht gelebt,
noch immer nicht genug geliebt, gelitten.
So kommt es nun:
hier lagern
und den Baum um Zuflucht bitten.

0 Trösterin Spätsommerwiese,
die Felder an den erntebraunen
Hängen sind im Qualm.
Ich habe nichts als diese
Versunkenheit, ins Land zu staunen.

Mein Fuß wird Wiese
und mein Arm ein Halm.
Ameisen laufen darüber hin,
Falter und Käfer kommen.
Erde zu Erde, das ist der Sinn.

Wer bin ich noch und wessen?
Alles Wünschen fällt von mir ab.
Ich liege in meinem Wiesengrab.
Wie bald wird alles gut sein
und vergessen.

(Detlev Block)

(Aus: Detlev Block, Anhaltspunkte. Vom Besonderen im Alltäglichen, Christliche Verlagsanstatt/ Aussaat Verlag, Neukirchen-Vluyn, 1994.)

"Du lässt sie dahinfahren wie einen Strom, sie sind wie ein Schlaf, wie
ein Gras, das am Morgen noch sprosst, das am Morgen blüht und sprosst und des Abends welkt und verdorrt. Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden!"
(Psalm 90,5f.12)

Ein Wunder

Gott ist das Licht, leuchtend und klar, kraftvoll und warm, ausstrahlend und einladend, freundlich und hell, liebevoll und wahr.
Aber Gott ist auch das Dunkel, undurchsichtig und unbegreiflich, finster und furchtbar, bedeckend und schützend, bergend und beruhigend. Im Licht des Tages und im Schutze der Dunkelheit sind Menschen Gott begegnet.
Gott ist wie eine Oase, Ruheort und Rastplatz, mit Wasser und Schatten, voller Erquickung und Erneuerung, zum Aufleben und Abladen.
Aber Gott ist auch wie eine Wüste, steinig und schwierig, weit und geheimnisvoll, voller Herausforderung und Bewahrung. In der Sicherheit der Oase und in den Gefahren der Wüste hat sich Gott den Menschen gezeigt.
Gott ist wie ein Berg, mächtig und majestätisch, über alles erhaben und erhoben, Gipfel der Freude und Güte, die höchste Zuspitzung von Treue und Verlässlichkeit.
Aber Gott ist auch wie ein Abgrund, tiefstes Geheimnis und gründliche Weisheit, abgründige Liebe und nicht auslotbare Wahrheit.
Auf den Bergen, dem Himmel nahe, und in den Abgründen, den tiefsten Tiefen des Lebens, hat Gott mit Menschen geredet.
Es ist ein Wunder: Gott bleibt sich immer gleich und offenbart sich immer anders. Er ändert sich nie und ist immer überraschend anders. Er ist verlässlich und berechenbar und zugleich unbegreiflich und niemals auszurechnen. Er kommt in unsere Welt und bleibt doch Gott.
Er wohnt in unseren Herzen und lässt sich von unseren Gedanken nicht fassen. Er lässt sich für uns ans Kreuz nageln, aber nie auf unsere Vorstellungen festlegen. Er ist ein wunderbarer Gott!

O welch eine Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!
Römer 11,33

Entgegenkommen

Ein älteres Ehepaar bittet um ein seelsorgerisches Gespräch. Es sei dringlich, aber sie hätten keine Möglichkeit, mich aufzusuchen. Ob ich zu ihnen kommen könnte. Ich fuhr zu den Leuten in die etwa 70 Kilometer entfernte Kleinstadt. Wir sprachen lange miteinander. Zwei Menschenleben wurden vor Gott und miteinander geordnet und Frieden kehrte in die Herzen und das kleine Haus ein. Einige Tage später erhielt ich einen Dankesbrief, in dem mir ein ganz geläufiges Wort völlig neu bewusst wurde: "Vielen herzlichen Dank für Ihr Entgegenkommen…"
Wie schön ist es, wenn Menschen uns in Liebe entgegenkommen. Sie gehen auf uns zu, kommen uns buchstäblich entgegen. Und dann fällt mir ein, wie sehr wir eigentlich um alles bitten, hinter allem her sein müssen, was wir brauchen. Wer läuft uns entgegen, kommt auf uns zu?
Etwas Zeit, ein wenig Verständnis, eine Begegnung, eine Hilfe, ein Gespräch, eine Zuwendung, alles muss ich erbitten, um alles betteln. Immer weiter und immer öfter fahren die Menschen weg und immer seltener wird das Entgegenkommen.
Wenn ich aber zu Gott umkehre und ihn suche, kann ich damit rechnen, dass er mir in seiner väterlichen Liebe entgegenläuft. Mit unendlicher Sehnsucht schaut er nach mir aus und kommt mir weit gegen.

Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn; er lief ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Lukas 15,20

Glaube, Hoffnung, Liebe

Der Glaube ist wie das Salz in der Suppe. Auch wenn er verborgen und unsichtbar ist, das ganze Leben schmeckt anders.
Die Hoffnung ist wie das Gewürz am Gemüse. Auch wenn sie nur eine winzige Spur ist, alle Tage werden herzhaft und sind nicht so fade.
Die Liebe ist wie der Zucker im Tee. Auch wenn sie noch so klein ist, versüßt sie alles und von Bitterkeit ist nichts zu schmecken.

Wir denken ohne Unterlass vor Gott an euer Werk im Glauben und an eure Arbeit in der Liebe und an eure Geduld in der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus.
1.Thessalonicher 1,3

Erst im Rückblick

"Mit 26 Jahren bekam ich Zwillinge, von denen einer behindert war. Ich konnte das einfach nicht akzeptieren, ich habe gehadert: wie kommen wir dazu, so ein krankes Kind zu bekommen, wo wir uns doch so lieben und beide kerngesund sind! Das arme Kind durfte mit eineinhalb Jahren an einer Atemlähmung sterben. Nach dem ersten Schock fühlte ich mich befreit. –
Der andere Zwilling, ein entzückender, begabter Junge, wurde im Februar 45 vom russischen Militär überfahren, als unser Dorf evakuiert wurde und wir zu Fuß auf der Landstraße zu einer anderen Unterkunft unterwegs waren. Ich blieb allein zurück in einem unbewohnten Haus an der Landstraße mit dem sterbenden Kind und einem einjährigen Baby.
In dieser verzweiflungsvollen Nacht, von Gott und Menschen verlassen, hatte ich eine Christusbegegnung. Er holte mich auf dem tiefsten Punkt, der Talsohle meines Lebens ab, nahm mich bei der Hand und erfüllte mich mit neuer Lebenskraft. Ja, er gab mir die Kraft, das tote Kind, in eine dicke Decke fest eingewickelt, in den tiefgefrorenen Garten zu legen und mit dem Kinderwagen allein weiter zu ziehen, bis ich das Dorf fand, wo die anderen untergekommen waren.
Aber ich war nicht allein, Jesus ging neben mir, ich spürte seine Gegenwart ganz deutlich als große Hilfe und Kraftquelle, und er hat mich auch zeit meines Lebens nicht mehr verlassen.
Dennoch musste ich noch erleben, dass mein geliebter Mann, auf dessen Heimkehr ich immer noch hoffte, schon Mitte April 45 gefallen war, 14 Tage vor Kriegsende. Das konnte ich nicht verstehen. Ich glaubte, genug gelernt und begriffen zu haben. Die Losung an jenem Tag hieß: Fürwahr, du bist ein verborgener Gott! – Mein Schmerz war groß, aber ich konnte mich drein fügen, dass Gottes Gedanken höher sind als unsere und seine Wege auch. –
Ja, wenn ich zurückschaue auf mein Leben, muss ich sagen, dass die schwersten Zeiten mir auch den größten Segen gebracht haben, nur dadurch bin ich gereift. Aber man sieht es nicht, solange man drinsteckt, erst im Rückblick!" (Gertraud Rau)

Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Heiland!
Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser.
Jesaja 45,15; 54,8

Die Stille suchen

Besucher kommen zu einem Einsiedler und verbringen einige Zeit bei ihm, um von ihm zu lernen. Der Eremit ist im Gebet versunken, bisweilen geht er zum Brunnen und holt sich frisches Wasser. Sonst ist nur Stille und Schweigen. Abends fragen die Touristen den Einsiedler, wie er die Stille und Einsamkeit ertragen und nutzen kann. Er geht mit den Leuten zum Brunnen, schöpft Wasser, trinkt und bittet die Besucher, in den Brunnen zu schauen. "Was seht ihr?" Sie sehen nichts als einige kleine Wellen. Nach einer ganzen Zeit der Stille und des Schweigens bittet er die Leute, wieder in das Wasser zu schauen. "Was seht ihr jetzt?" – "Wir sehen ganz deutlich unser Gesicht in der still gewordenen Oberfläche des Brunnens." "Seht ihr, das ist der Nutzen des Schweigens. Alles in uns kommt zur Ruhe und man erkennt sich selber, die Welt, die Geheimnisse des Lebens!"

Aber sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn er ist meine Hoffnung. Hoffet auf ihn allezeit, liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus; Gott ist unsere Zuversicht!
Psalm 62,6.9

Wer darf klagen?

Ein Ochse zieht einen großen Wagen. Er hat Mühe, die schwere Last den steilen Weg hinauf zu schaffen. Er spürt, wie die Peitsche ihn antreibt und der schwere Wagen ihn zurückhält. Aber geduldig und klaglos geht der Ochse den Weg voran. Da hört er, wie der Wagen auf dem holprigen Weg und unter der starken Last ächzt und stöhnt, knarrt und knurrt. Immer schwieriger wird der Weg und immer lauter seufzt und klagt der Wagen. Da dreht sich der Ochse herum und sagt zu dem Gefährt: "Sei still, ich ziehe hier die ganze Last und du machst solch ein Gestöhne und Geschrei!"
Wer darf klagen? Nur der Ochse, der die Last zieht, oder auch der Wagen, der den holprigen Weg unter sich und die schwere Last auf sich spürt? Ich denke an eine Mutter und ihr behindertes Kind. Klaglos zieht sie die Mühe und Sorge, Last und Betreuung durch. Das Kind trägt seine Last und ist oft verzweifelt, stöhnt und weint unter den engen Grenzen und starken Schmerzen. Wer darf klagen? Beide, auch die Mutter darf ihr ganzes Weh herausschreien. Und Gott verträgt sie beide.
Ich denke an einen Mann, der seine Frau, nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt, liebevoll pflegt. Er zieht mit letzter Kraft die Pflege durch, klaglos und wie selbstverständlich. Seine Frau ist in ihrer Behinderung manchmal verzweifelt, dann wieder aggressiv und unleidlich. Sie seufzt und stöhnt. Wer darf klagen? Beide, auch der Mann darf seine Grenzen eingestehen und seine Leiden herausbringen. Und Gott hört sie beide in ihrer so unterschiedlichen und doch gemeinsamen Last.

Herr, Gott, mein Heiland, ich schreie Tag und Nacht vor dir!
Psalm 88,2

Liebe auf dem Prüfstand

Es gibt Tage, da trägt man einander auf Händen, voller Begeisterung und ohne Sorgen. Es kommen Tage, da muss man einander ertragen. Und es kann Tage geben, an denen nichts mehr geht. Aus Ärger, Wut, Dummheit ging etwas in die Brüche. In euer Zuhause und in euer Herz kam die Nacht. Dann möchte man und kann doch nicht. Man möchte eine Hand ausstrecken, doch sie erstarrt wie Eis. Man möchte vergeben und sagt doch: Warum hast du das getan?

In solchen Tagen gibt es nur eine Lösung: Geduld, viel Geduld und Suche nach Versöhnung. Du musst eine Weile blind fliegen, ohne zu sehen, ohne zu verstehen. Dir wird bewusst, dass der andere anders ist und dir im Letzten immer fremd bleiben wird. Und dann geh auf die Suche nach Vergebung. Wenn du nicht vergeben kannst, entsteht eine Mauer. Und eine Mauer ist der Anfang von einem Gefängnis.

(Phil Bosmans)

"Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Jesus Christus gemäß!"

(Römer 15,5)

Meine kleine Küche

Ich liebe meine kleine Küche, Herr,
und jeden Winkel und jeden Topf.
Darum segne mich und all mein Tun,
wenn ich Schüsseln wasche und koche.

Die Mahlzeit hier auf meinem Herd
würze von oben her mit Segen und Freundlichkeit
und vor allem mit Liebe von dir.

Die Nahrung, die die Erde gibt,
der Tisch, den du uns deckst –
wir danken dir für unser täglich Brot.

Hier ist meine kleine Küche,
und alle, die eintreten,
mögen ein frohes Herz
und Frieden finden und Glück.
(Aus Irland)

Ich will ihre Speise segnen und ihren Armen Brot genug geben.
Psalm 132,15

Wie das Wunder geschah

An der Theologischen Fakultät der berühmten Universität von Oxford wurden vor langer Zeit in den Examensarbeiten die Wundergeschichten aus dem Johannesevangelium bearbeitet. Die angehenden Theologen sollten über die Bedeutung des Wunders auf der Hochzeit zu Kana schreiben, auf der Jesus so viel Wasser in allerbesten Wein verwandelt hatte. Vier Stunden hatten die Studenten Zeit und alle schrieben eifrig Seite um Seite, was sie über diese Wundertat für Einsichten und Erkenntnisse gewonnen hatten. Nur ein Student saß bis zuletzt regungslos da, sinnierte vor sich hin und hatte noch kein einziges Wort zu Papier gebracht. Der Professor mahnte ihn, er möchte, als es Zeit zum Abgeben war, doch wenigstens etwas schreiben. Der junge Theologe nahm seinen Federhalter und schrieb den einen Satz: "Das Wasser des Gesetzes erkannte Jesus, den Heiland, wurde rot vor Liebe und verwandelte sich in den Wein der Freude!"

Ihr Herz soll fröhlich werden wie vom Wein; ihre Söhne sollen’s sehen und sich freuen, ihr Herz soll fröhlich sein über den Herrn. Ich will sie locken und sie sammeln, denn ich will sie erlösen!
Sacharja 10,7f