Das Glück

"Wo suchen die Menschen das Glück? Dort, wo es niemals ist. Nämlich im Reichtum, in der Befriedigung des eigenen Ehrgeizes, darin, dass sie bei Nachbarn und Bekannten Bewunderung erwecken. Sie meinen, Reichtum könnte ihnen alles geben, was Glück schafft. Also tritt ihnen der Schweiß auf die Stirn, Dornen zerkratzen ihnen die Füße, und dennoch, ohne auf ihre zerrüttete Gesundheit zu achten, auf die vielen nervenaufreibenden Anstrengungen, die bitteren Enttäuschungen, immer weiter jagen sie blindlings dem Gold hinterher!" (Janusz Korczak)

Jesus sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.
Lukas 12,15

Gerecht geteilt

Als ich meinem kleinen Patenjungen einst eine Tafel Schokolade mitbrachte, bestand seine Mutter darauf, dass er sie mit seinem gut ein Jahr jüngeren Bruder teilen sollte. Schweren Herzens brach er die Tafel in zwei Teile, verglich sie kurz miteinander und gab seinem Bruder die etwas kleinere Hälfte. Ganz behutsam erinnerte seine Mutter ihn daran, dass man beim Teilen immer dem anderen die bessere Hälfte gibt. Worauf er seinem Bruder die Teile in die Hand drückte und meinte: "Dann soll er teilen!"

Ein sehr reicher Mann wollte einst angesichts seines nahen Todes seinen großen Besitz gerecht unter seine Söhne aufteilen. Da er aber damit rechnete, dass jeder von beiden den anderen übervorteilen würde, machte er bei einem Notar folgendes Testament: "Die im Einzelnen aufgeführten Besitztümer soll mein ältester Sohn nach seinem Dafürhalten in zwei Teile teilen. Mein jüngerer Sohn aber soll davon zuerst die Hälfte wählen, die er bekommen möchte. So hoffe ich, gerecht geteilt zu haben!"

Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was einen guten Ruf hat, sei es eine Tugend, sei es ein Lob – darauf seid bedacht!
Philipper 4,8

Mehr wahre Glückseligkeit

Sich amüsieren heißt eigentlich von der Wortgeschichte her: die Muse loswerden. Amüsement wäre also das Vergnügen ohne Kunst und Verstand, ohne Inspiration und Weisheit, der Spaß der Hohl- und Plattköpfe.
"Wenn die Menschen gewohnt wären, unter das Getümmel ihrer Geschäfte und Zerstreuungen bisweilen ernsthafte Augenblicke der Betrachtung zu mengen: so würden ihre Freuden vielleicht weniger rauschend sein, aber die Stelle derselben würde eine ruhige Heiterkeit der Seele einnehmen, der keine Zufälle mehr unerwartet sind. Und selbst die sanfte Schwermut, dieses zärtliche Gefühl, davon ein edles Herz aufschwillt, wenn es in einsamer Stille die Nichtswürdigkeit alles dessen erwägt, was bei uns allgemein für groß und wichtig gilt, würde mehr wahre Glückseligkeit enthalten als die ungestüme Belustigung des Leichtsinnigen und das laute Lachen des Toren." (Immanuel Kant)

Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet.
Jesaja 61,10

Wenn Gott ruft

Einst kam ein junger Mann nach Bethel zu Vater Bodelschwingh mit dem Wunsch, als Missionar nach Übersee zu gehen. Begeistert erzählte er, dass er sich dazu berufen fühle. Bodelschwingh war zunächst sehr zurückhaltend, denn er wusste, wie oft menschliche Begeisterung einen solchen Lebenswunsch auslösen konnte. So schickte er den jungen Mann erst einmal in das tropenmedizinische Institut, um seine Tropentauglichkeit feststellen zu lassen. Der Arzt hatte für den jungen Mann nach der umfangreichen Untersuchung eine niederschmetternde Nachricht. Höchstens ein Jahr werde er den Strapazen der Tropen standhalten können. Sein ärztliches Urteil: nicht tropentauglich.
Traurig kam der Mann mit dem Arztbericht zu Bodelschwingh. Der fragte ihn unverblümt: "Wären Sie denn nun bereit, für ein Jahr hinauszugehen und das unter Umständen mit Ihrem Leben zu bezahlen?" "Ja", sagte der junge Mann, ohne zu zögern, "ich bin bereit!" – "So gehen Sie in Gottes Namen hinaus!" So wurde der junge Mann Missionar der Bethel-Mission und blieb über 50 Jahre auf dem Missionsfeld.
Wenn Gott ruft und nicht menschliche Begeisterung uns bewegt, dann gibt es auch einen Weg und eine Erfüllung.

Als Paulus die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.
Apostelgeschichte 16,10

Der falsche Blick

Ein persisches Märchen erzählt von einem reichen Kaufmann und seinem wunderschönen Papagei. Der Kaufmann war in seinen Papagei so vernarrt, dass er viele Stunden mit dem Papagei das Sprechen und allerlei Kunststücke übte. Jedes Mal, wenn der Papagei etwas gut gesagt oder eines seiner vielen Kunststücke gemacht hatte, bekam er aus einem Sack zur Belohnung ein Stück Zucker. So achtete und liebte der Papagei den Zuckersack über alles.
Eines Abends, als der Kaufmann nach einem langen Arbeitstag müde zu Bett ging, bat er den Vogel, wach zu bleiben und auf das Haus mit seinen wertvollen Schätzen Acht zu geben. Der Papagei wachte sorgsam die ganze Nacht und ließ dabei seinen Zuckersack nicht aus den Augen. Gegen Morgen kamen die Diebe und raubten das ganze Haus aus. Alle die kostbaren Sachen nahmen sie mit, den Sack mit dem Zucker ließen sie achtlos zurück.
Am nächsten Morgen ging der Kaufmann entsetzt durch die Räume und beklagte den Verlust all seiner Schätze. Doch immer wieder plapperte der Papagei: "Der Zuckersack ist doch da!"
So kommt mir eine Gesellschaft vor, die langsam all ihrer wirklichen Werte beraubt und ihrer eigentlichen Schätze verlustig geht. Aber die Menschen beruhigen sich mit ihren kleinen Zuckersäckchen und trösten sich mit den Liebhabereien, die ihnen geblieben sind. Die Schöpfung wird verdorben, die Gesellschaft krank, Ehe und Familie zerstört, die Werte verlassen und das Gute belächelt – Hauptsache, wir behalten unsere kleinen Zuckerstückchen.

Denn solche dienen nicht unserem Herrn Christus, sondern ihrem Bauch; und durch süße Worte und prächtige Reden verführen sie die Herzen der Arglosen.
Römer 16,18

Was verfolgt uns?

Einen Tag war Wojciech Ciesiski alt, als britische Soldaten am Sonntag, den 15. April 1945, das KZ Bergen-Belsen befreiten. Heimlich, im Dreck der Elendsbaracken, hatte ihn seine Mutter Alexandra zur Welt gebracht. Das Kind war gesund, obwohl die Mutter schwer an Typhus erkrankt war.
Seinen 55. Geburtstag feierte der Ingenieur aus Warschau am Ort seiner Geburt. Zusammen mit rund 250 Überlebenden aus aller Welt nahm Ciesieski an einer Gedenkfeier auf dem ehemaligen KZ-Gelände in Bergen-Belsen teil. "Ich muss nicht in meinen Pass sehen, um zu wissen, wo ich geboren bin. Das vergisst man nie. Wir haben das Lager zwar verlassen, aber das Lager verlässt uns nie!", sagte der polnische Katholik.
Viele Menschen haben in ihrer Kindheit schreckliche Eindrücke und bedrückende Erlebnisse gehabt, die sie nie mehr loswerden. In Angstträumen und Schwermut tauchen diese dunklen Erfahrungen immer wieder auf.
Was verfolgt uns nicht alles aus unserer Lebensgeschichte?
Aber auch Gott möchte uns mit seiner Güte und Freundlichkeit, seiner Liebe und Barmherzigkeit verfolgen, solange wir leben. Und es kann sein, dass sich das Gute Gottes gegen das Böse dieser Welt irgendwann auch in unserer Seele durchsetzt.

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
Psalm 23,6

Offen gesagt, was das Herz sich wünscht

Wenn ich eine Pflanze wäre, möchte ich keine von den nützlichen Pflanzen sein, die zuviel mit den Menschen zu tun haben. Weder Hafer noch Korn, noch gelagerte Gerste, die nicht ins Feld gehen können, wie es in Ordnung wäre. Man lässt dem Korn nicht einmal seine Kornblumen, um sich zu zerstreuen.
Vor allem möchte ich nicht zu diesen Gemüsen gehören, die so fügsam und aufgereiht sind, diese liniengerade abgesteckten Mohrrüben, diese mit der Rute gelenkten Bohnen, diese Salate, die man zwingt zu erbleichen, ihr Herz zusammengepresst, wenn es ringsum so schön ist und sie so gern ganz geöffnet sein möchten.
Ich wäre noch einverstanden, ein Kraut für Heilgetränke zu sein, Quendel oder Malve oder Salbei, nur müsste es auf einer dieser windgepeitschten Höhen sein, wo nur Hirten sie pflücken. Aber lieber wäre ich Heidekraut, blauer Enzian, Ginster, Distel im Notfall, auf einer verlassenen Heide.
Und wenn ich ein Tier wäre, möchte ich kein Tier im Hause oder auf dem Bauernhof sein, weder eine Ziege, die man an den Pfahl bindet, noch eins von diesen Hühnern im Wirtschaftshof. Nein, nein, da wäre ich lieber Hase oder Fuchs oder Hirschkuh oder Nachtigall, die dem Menschen nur an dem Tage begegnen, da er sie tötet.
Und doch werde ich mein ganzes Leben lang eins der zahmsten Haustiere sein, ein Lasttier, ein Kettenhund, ein Kanarienvogel im Käfig. Oder Suppengemüse. Das wird der Wille Gottes gewesen sein. (Marie Noel)

Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.
Matthäus 11,28-30

Worauf du dich verlassen kannst!

Was sollen wir denen sagen, die äußerlich und innerlich erschüttert zu uns kommen mit der Klage: "Alles ist uns zerbrochen: das Vertrauen zu den Menschen, das Vertrauen zu uns selber. Unser Leben, einst mit stolzen Hoffnungen angefangen, hat uns bitter enttäuscht." Was sollen wir den jungen Leuten sagen, die, von der Unruhe dieser Zeit ergriffen, hierhin und dahin laufen? Hinter ihrem oft wunderlichen Wesen, ihren verzerrten und verkrampften Worten und Gedanken verbirgt sich doch nur diese eine Sehnsucht: "Gebt uns einen festen Grund, auf dem man stehen kann!" Wo ist die Gewissheit, die uns Ruhe gibt? Was sollen wir unserm eigenen Herzen sagen, wenn es, von Schuld und Schicksal hin- und hergerissen, immer wieder schwankend werden will, wenn auch da, wo der Glaube eine Macht wurde, der Zweifel wieder Raum gewinnt und die Niederlagen und Enttäuschungen unsre Müdigkeit zu einem Nebel werden lassen, den wir nicht mehr durchstoßen können? Ich weiß nur einen Rat: dass wir uns unverwandt an die Tat Gottes halten, die so fest und klar ist wie die Ewigkeit – an das Sterben und Auferstehen Jesu Christi. (Friedrich von Bodelschwingh)

Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir. Und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.
Johannes 10,11.27f

Ist da etwas Schweres im Wege?

"Steh froh auf zu deinem Werktage, wenn du es kannst. Und kannst du es nicht, was hindert dich daran? Ist da etwas Schweres im Wege? Was hast du gegen das Schwere? Dass es dich töten kann. Es ist also mächtig und stark. Das weißt du von ihm. Und was weißt du vom Leichten? Nichts. An das Leichte haben wir gar keine Erinnerung. Selbst wenn du also wählen dürftest, müsstest du nicht eigentlich das Schwere wählen? Fühlst du nicht, wie verwandt es mit dir ist? … Und bist du nicht im Einklang mit der Natur, wenn du es wählst? Meinst du, dem Keim wäre es nicht leichter, in der Erde zu bleiben? – Es gibt gar nicht ein Leichtes und ein Schweres. Das Leben selbst ist das Schwere. Und Leben willst du doch? Du irrst also, wenn du das Pflicht nennst, dass du das Schwere auf dich nimmst. Es ist Selbsterhaltungstrieb, was dich dazu drängt. Was aber ist denn Pflicht? Pflicht ist, das Schwere zu lieben … du musst da sein, wenn es dich braucht." (Rainer Maria Rilke)

Ja, du machst hell meine Leuchte, der Herr, mein Gott, macht meine Finsternis licht. Denn mit meinem Gott kann ich über Mauern springen!
Psalm 18,29f

Das beste Band

Parvis, der König von Persien, hatte einen Feldherrn, der sich durch seine hervorragenden Fähigkeiten sowohl beim König als auch beim Heer hohes Ansehen erworben hatte. Leider jedoch war er ein Mensch mit hitzigem Gemüt und neigte dazu, voreilig Entschlüsse zu fassen. – Eines Tages fühlte er sich vom König gekränkt und beschloss deshalb, einen Aufstand gegen ihn vorzubereiten. Parvis erfuhr davon und beriet sich mit seinen Wesiren. Diese zweifelten nicht daran, dass der Rebell unverzüglich in Ketten zu legen sei. Der König hörte sich den Rat an, er hörte jedoch auch auf sein Herz. Er ließ den Feldherrn kommen – und überschüttete ihn mit Freundlichkeiten. Er bat ihn wegen der Kränkung um Verzeihung, versicherte ihn seiner bleibenden Gunst und rühmte seine Verdienste. Die Folge war, dass der Feldherr nicht nur sogleich von seinem Vorhaben abließ, sondern dem König fortan mit unerschütterlicher Treue zur Seite stand. Zu seinen Wesiren aber sagte der Herrscher: "Für Hände und Füße braucht man viele Ketten, und die sind grausam. Für das Herz jedoch braucht man nur eine. Und wenn ein Mensch edler Art ist, umfängt sie ihn für alle Zeit." (Nach einer orientalischen Geschichte)

Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit!
Kolosser 3,14