Das Glück mit dem kleinen Stich

"Hast du Geld, dann hast du nicht Käthen;
hast du die Frau, dann fehln die Moneten.
Hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer.
Etwas ist immer. Tröste dich.
Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und Gelten.
Dass einer alles hat: das ist selten!"
(Kurt Tucholsky)

Jeder kennt die Sehnsucht nach Mehr und die Unzufriedenheit mit dem Vorhandenen. Wir möchten alles: eine Beziehung und die Freiheit, gute Gesundheit und reichlich Geld, eine Arbeit, die Freude macht und Anerkennung findet. So entstehen die Klage über das Fehlende und der Neid auf andere. Dass einer alles hat, das ist selten.
Sollen wir uns damit bescheiden und trösten?
Ein Glück, dass es über Haben, Sein und Gelten, über Besitzen, Bewirken und Bedeuten noch eine andere Weise der Lebenserfüllung gibt!
Gott will uns in seiner Liebe wirklich alles geben, die ganze Fülle und die tiefste Stillung unserer Seele. Das ist das Glück ohne den kleinen Stich!

Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht ALLES schenken?
Römer 8,32

Sollen wir diese Welt lieben?

Bedenkt, dass jetzt um diese Zeit der Mond die Stadt erreicht.
Für eine kleine Ewigkeit sein Milchgebiss uns zeigt.
Bedenkt, dass hinter ihm ein Himmel ist,
den man nicht definieren kann.
Vielleicht kommt jetzt um diese Zeit
ein Mensch dort oben an.
Und umgekehrt wird jetzt vielleicht
ein Träumer in die Welt gesetzt.
Und manche Mutter hat erfahren,
dass ihre Kinder nicht die besten waren.
Bedenkt auch, dass ihr Wasser habt und Brot,
dass Unglück auf der Straße droht
für die, die weder Tisch noch Stühle haben
und mit der Not die Tugend auch begraben.
Bedenkt, dass mancher sich betrinkt,
weil ihm das Leben nicht gelingt,
dass mancher lacht, weil er nicht weinen kann.
Dem einen sieht man’s an, dem andern nicht.
Bedenkt, wie schnell man oft ein Urteil spricht.
Und dass gefoltert wird, das sollt ihr auch bedenken.
Gewiss ein heißes Eisen, ich wollte niemand kränken,
doch werden Bajonette jetzt gezählt, und wenn eins fehlt,
es könnte einen Menschen retten,
der jetzt um diese Zeit in eurer Mitte sitzt,
von Gleichgesinnten noch geschützt.
Wenn ihr dies alles wollt bedenken,
dann will ich gern den Hut, den ich nicht habe, schwenken.
Die Frage ist, die Frage ist,
sollen wir sie lieben, diese Welt?
Sollen wir sie lieben?
Ich möchte sagen, wir wollen es üben.

(Hanns Dieter Hüsch)

Quelle: Hanns Dieter Hüsch, Das Schwere leicht gesagt, 1997/4 (0 tvd-Verlag Düsseldorf, 1991)

"So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben!"

(Johannes 3,16)

Anbindung

Jahrzehnte halten sie zusammen. Ihre Ehe geht durch viele Krisen und Schwierigkeiten. Aber die Liebe reift, und die Beziehung wird immer fester. Da wird der Mann schwer krank und muss monatelang ein schmerzliches Krankenlager erleiden. Jeden Abend vor dem Einschlafen bindet die Frau ihr Handgelenk an seines an, damit sie nachts sofort spürt, wenn ihr Mann wach wird, sich vor Schmerzen wälzt oder etwas braucht.
Solche An-Bindung im tiefsten Sinn des Wortes brauchen wir in den schweren Zeiten und großen Schmerzen des Lebens. Solche Zeichen der Liebe und Zugehörigkeit sind das Schönste und Wichtigste im Leben.
Sie standen sich gegenüber und sahen sich in die Augen.
Sie standen nebeneinander am Altar und gaben Gott ihr Ja.
Sie standen an den Wiegen ihrer Kinder und haben Gott gedankt.
Sie standen Rücken an Rücken und beide schafften ihre Arbeit.
Sie standen all die Jahre vieles durch und standen bis zuletzt zueinander.
Eines Tages liegen sie nebeneinander im Grab,
und miteinander stehen sie auf bei Gott zum ewigen Leben.

Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.
Kolosser 3,14

Abwarten

Nach der Geburt ihres ersten Sohnes geraten Frau und Mann in einen Streit darüber, nach wessen Vater der Junge genannt werden soll. Sie können sich auch nach Tagen nicht einigen und fragen ihren Rabbi um Rat. "Wie heißt dein Vater?", fragt er die Frau. "Mein Vater heißt Levi!" "Und wie heißt dein Vater?", fragt er den Ehemann. "Mein Vater heißt Levi!" Der Rabbi ist völlig verwirrt: "Wo liegt dann das Problem?"
"Mein Vater", sagt die Frau, "ist ein frommer Gelehrter. Und sein Vater ist ein ruchloser Pferdedieb. Wie kann ich zulassen, dass mein Junge nach einem solchen Schurken genannt wird?"
Der Rabbi dachte lange über diese heikle Situation nach und gab schließlich eine kurze Antwort: "Nennt den Jungen Levi und wartet ab, ob er ein Gelehrter oder ein Pferdedieb wird. Dann könnt ihr euch einigen, nach wem er benannt ist!"

Unter den Übermütigen ist immer Streit; aber Weisheit ist bei denen, die sich raten lassen.
Sprüche 13,10

Wahrheit oder Wirklichkeit

Ein Mann erhielt von einer Firma, in der er reichlich eingekauft hatte, einen Brief: "Würden Sie uns bitte umgehend den vollen Betrag senden, den Sie uns noch schulden!" Umgehend schrieb der Mann der Firma: "Der volle Betrag, den ich Ihnen noch schulde, ist genau tausendundfünfhundert Mark!"
Viele Menschen sagen die Wahrheit, ohne die Wirklichkeit, die sie umschreibt, auch zu leben. Die Wahrheiten des christlichen Glaubens wissen und nachsprechen, das ist die eine Seite. Sie auch leben und in der Wirklichkeit des Alltags ausdrücken, eine andere. Sagen und erklären, wie man leben soll, und es auch tun, sind oft zu weit auseinander.

Seid aber Täter des Wortes und nicht Hörer allein, sonst betrügt ihr euch selbst!
Jakobus 1,22

Die richtige Sicht

Eine Frau hat ihre Freundin zu Besuch. Beim Kaffeetrinken erzählt sie ihr, wie unordentlich ihre Nachbarin sei. "Ihr Haus ist nie aufgeräumt, der Garten verwildert, die Kinder schmutzig. Schau dir bloß mal ihre Wäsche an, die da draußen auf der Leine hängt. Es ist fast eine Schande, solch eine Nachbarschaft zu haben. Siehst du die dunklen Streifen und Flecken auf ihrer Wäsche? Schau dir mal ihre Laken und Handtücher genau an!" Die Freundin ging ungläubig zum Fenster und schaute lange hinüber in den nachbarlichen Garten. Dann drehte sie sich um und sagte: "Meine Liebe, die Wäsche da drüben ist ganz sauber. Die Streifen und dunklen Flecken sind auf deinen Fensterscheiben!"
Sind die dunklen Flecken, die wir bei anderen entdecken, nicht oft auf unseren Augen- oder Stubenfenstern?

Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?
Matthäus 7,3

Irrtümer

Wir halten, was nicht hält, und gehen unter im Sumpf der falschen Sicherheiten.
Wir zählen, was nicht zählt, und verlieren alle Werte und Würde.
Wir klammern uns an die Erde, während Gott den Himmel weit für uns geöffnet hat.
Wir verachten das Brot des Lebens, während uns der Hunger ins Gras beißen lässt.
Wir trauen dem frischen Lebenswasser nicht, während der Durst nach Liebe uns zu den abgestandenen Tümpeln der Ideologien treibt.
Wir trinken nicht den Wein der Freude, wir amüsieren uns lieber zu Tode.
Wir nehmen das Opfer Jesu nicht an, wir opfern unser Leben aber den Göttern von Ansehen und Wohlstand.
Wir lassen uns nicht erlösen und bleiben lieber Sklaven unserer eigenen Süchte.
Der Lebendige ist so gut zu uns, und wir spielen dem Leben so übel mit.
Gott hat alles für uns bereit, aber wir tun alles, um verloren zu gehen.
Gott hat unser Leben teuer erkauft, und wir nehmen es ihm weg und leben aus eigener Kraft.

Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?
Römer 9,32

Die Suche nach der Wahrheit

Eine orientalische Geschichte erzählt von drei weisen Männern, die miteinander besprachen, was sie den Menschen auf ihren Lebensweg Gutes mitgeben könnten. Und sie wurden eins darüber, dass sie den Menschen am besten die Wahrheit geben sollten. Aber die Menschen müssten die Wahrheit selbst suchen, damit sie auch als besonders wertvoll erkannt würde. "Wo sollen wir die Wahrheit verbergen?", fragten sich die drei Weisen. Der Erste meinte, in einem Gletscher auf dem höchsten Berg wäre die Wahrheit doch gut versteckt. Der Zweite meinte, das wäre zu leicht und schlug vor, die Wahrheit auf dem Grund des tiefsten Meeres in einer Muschel zu verbergen. Der Dritte aber sagte, das wäre auch noch zu leicht und riet, die Wahrheit im Menschen selbst zu verstecken. Dort werde er sie nur sehr schwer finden.

Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen!
Johannes 8,31f

Ein kleines Stück vom großen Leben

Es ist dem Menschen beigegeben
ein kleines Stück von einem großen Leben
das sich vollzieht ohn‘ Unterschied
Ob Bettler oder hohes Tier
von einer Hand voll Erde sind wir alle hier
Bis Gras wächst über dieses Lied
Wollt darum freundlich sein und euch mit

Heiterkeit versehen
Es hat der Mensch zu kommen und zu gehen
Dieses ist ausgemacht von Anfang an
mit Hochmut ist nicht viel getan
Es ist dem Menschen aufgegeben
.mit Güte Gutes zu erstreben
ohn Unterlass
Auch soll er das was nötig ist zum Leben
mit allen teilen
und aller Kreatur zu Hilfe eilen
bis Blumen wachsen aus dem Gras
Wollt darum gnädig sein und nicht mit Hohn verachten
die nichts auf dieser Welt zustande brachten
Wenn es bestimmt dass wir gen Himmel reisen
dann ist mit Reichtum nichts mehr zu beweisen
Es wird dem Menschen nachgegeben
wenn er bereut und ändert sein bisherig‘ Leben
Der Tanz ist tot
der Mensch kehrt heim zu Tisch und Brot
der Rausch verfliegt die Demut siegt
die Masken sind gefallen
Doch größer wär des Menschen Not
wär nicht ein Gott der milde mit uns allen.

(Hanns Dieter Hüsch)

Quelle: Hanns Dieter Hüsch, Das Schwere leicht gesagt, 1997/4 (0 tvd-Verlag Düsseldorf, 1991)

"Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nicht mehr da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr. Die Gnade aber des Herrn währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten!"

(Psalm 103,15ff)

Loslassen und Gewinnen

Eine Palme lässt ihre Früchte los, wenn sie reif sind. Sie freut sich, wenn andere ihre Früchte teilen und genießen. Die Menschen halten ihre Früchte fest, als wollten sie sagen: "Das sind meine, niemand darf sie mir nehmen und keiner soll davon essen!"
Aber wie soll eine Palme wachsen und reifen, neue Früchte und Blätter bekommen, wenn sie nicht loslassen und dabei alles gewinnen kann? So hat die Palme am Ende noch mehr Weisheit als die aufgeklärten und auf sich bedachten Menschen.

Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt böse Geister aus. Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt es auch!
Matthäus 10,8