Das verschleuderte Kreuz

Ein junger, armer Maler in Paris ging im Jahr 1834 mit mühsam ersparten hundert Franken zu einer Auktion. Nachdem er für 75 Franken ein Bett gekauft hatte, wollte er eben sich entfernen, als ein altes, ganz mit Staub und Schmutz überzogenes Kruzifix zur Versteigerung kam, für das unter rohen Späßen nur ganz wenig geboten wurde.
"Es ist sehr schwer, es wird von Blei sein", meinte einer, "ich gebe drei Franken dafür." "Fünf Franken!", rief da unser Maler, dem der Spott der Leute wehtat. Er erhielt’s und ging schnell damit davon.
Am andren Morgen reinigte er es mit einer Bürste und las an seinem Fuß den Namen "Benvenuto Cellini". Das war ja, wie er wusste, ein berühmter Künstler zu Florenz gewesen (1500-1571), und fast noch mehr war er erstaunt, als sich bei weiterer Reinigung ergab, dass das Kruzifix zum Teil aus Gold gefertigt war.
Er ging sofort mit dem Kruzifix zu einem kunstverständigen Goldschmied, der ihm den Wert des seltenen Kunstwerks auf 60 000 Franken schätzte.
So viel bezahlte ihm auch der König dafür, der von dem Fund erfuhr, und setzte dazu noch den jungen Maler an seinem Hofe in Arbeit, so dass er bald zu Ruhm und Ansehen gelangte.
Das kostbare Kruzifix war einst bei der Französischen Revolution im Schloss Versailles vom Pöbel geraubt und dann verschleudert worden.

Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden, uns aber, die wir selig werden, ist es eine Gotteskraft.
1.Korinther 1,18

Wege aus der Ausweglosigkeit

"Komme, was mag! Gott ist mächtig! Wenn unsere Tage verdunkelt sind und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte, so wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine große segnende Kraft gibt, die Gott heißt. Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen. Er will das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln – zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit. Amen." (Martin Luther King)

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
2.Timotheus 1,7

Immer mit der Ruhe

An einem noch recht kalten Tag im späten Frühling begann eine Schnecke den Stamm eines Kirschbaums hinaufzuklettern. Ganz langsam, Zentimeter um Zentimeter kroch sie nach oben. Die Spatzen auf dem Nachbarbaum lachten über die langsame Schnecke. Ein Spatz flog nahe an die Schnecke heran und piepste ihr zu: "He, du Dummkopf, siehst du nicht, dass an dem Kirschbaum gar keine Früchte sind?" Die Schnecke ließ sich überhaupt nicht beeindrucken und antwortete gelassen: "Macht nichts, bis ich oben bin, sind welche dran!"
Auch im Leben geht selbst der Langsamste, der ein Ziel vor Augen hat, noch schneller, als der, der ohne ein Ziel herumsaust und hastig irgendwelchen Nichtigkeiten nachrennt.

So spricht der Herr: Tretet hin an die Wege und schauet und fragt, welches der gute Weg sei, und wandelt darin, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele! Aber sie sprechen: Wir wollen’s nicht tun!
Jeremia 6,16

Wasserkraft

Tränen über den eigenen Schmerz sind wichtig und richtig. Wir haben sie alle geweint und gespürt, wie gut es tut, sich ausweinen zu können. Aber es gibt noch andere Tränen, die Tränen über das Verlorensein der Menschen und die Not ihres Lebens. "Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben." (Psalm 126,6) Jesus weinte über Jerusalem und ließ seinen Tränen über den Unglauben der Menschen seinen Lauf: "Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zu deinem Frieden dient! Aber nun ist es verborgen vor deinen Augen." (Lukas 19,41)
Paulus hat die Menschen in der Weltstadt Ephesus drei Jahre lang begleitet und sie zu Jesus eingeladen: "Denkt daran, dass ich drei Jahre lang Tag und Nacht nicht abgelassen habe, einen jeden unter Tränen zu ermahnen!" (Apostelgeschichte 20,31)
Die Liebe zu den Menschen findet ihren stärksten Ausdruck darin, dass man um sie weinen kann. So schreibt Paulus an die Korinther: "Ich schrieb euch unter vielen Tränen; nicht, damit ihr betrübt werden sollt, sondern damit ihr die Liebe erkennt, die ich besonders zu euch habe." (2.Korinther 2,4)
Auf dem Evangelisationskongress in Manila wurde das Wort vom "compassionate evangelism", von dem "mitleidenden Evangelisieren" geprägt. Die Menschen so sehr zu lieben, dass wir mit ihnen leiden und um sie weinen, wäre sicher ein guter Schlüssel, die Herzen aufzuschließen für Gott.

Und als Jesus das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren abgehetzt und zerstreut, wie Schafe, die keinen Hirten haben.
Matthäus 9,36

Wasserkraft

"Weine nur, wenn Leid dich drückt,
wenn die Fluten höher steigen.
Wenn aus Trübsal Zweifel blickt
und sich ringsum Brände zeigen.
Jede Träne, die dir rinnt,
hat Gott gnädig aufgefangen.
Heiße Tränen Perlen sind,
die an Gottes Thron gelangen.

Jede hat er dort gezählt
für die Krone voll der Gnaden.
Jede hat er auserwählt,
voll mit Tränenlast beladen.
Der, der dir dein Denken gab,
zeigt dir, was nicht auszudenken.
Was hier Tränen sind, vermag
er in Perlen dir zu schenken."
(Helmut Spörl)

Sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du zählst sie!
Psalm 56,9

Höre mein Gebet, Herr, vernimm mein Schreien und schweige nicht zu meinen Tränen!
Psalm 39,13

Wasserkraft

Ein Lehrer spricht im Sachkundeunterricht mit den Kindern über die Wasserkraft. Anschaulich lernen sie, wie früher der Bach das Mühlrad antrieb und der Müller so das Getreide zu Mehl verarbeiten konnte. Reißende Gebirgsströme trieben mit ihrer Wasserkraft die riesigen Schneidemaschinen in den Sägewerken an. Dann wurde die Dampfmaschine erfunden und Dampflokomotiven zogen die Personen- und Güterzüge durch die Welt. Stauseen wurden errichtet und mit Wasserkraft große Turbinen angetrieben und Strom erzeugt. Die Kinder sind erstaunt über die Vielfalt der Wasserkraft. Als der Lehrer in den folgenden Stunden den Stoff noch einmal abfragen will, fragt er die Klasse: "Wer von euch kann mir ein besonders eindrückliches Beispiel der Wasserkraft nennen?" Da meldet sich ein kleiner Pfiffikus und sagt verschmitzt: "Meine Mutter heult so lange, bis ihr mein Vater das neue Kleid kauft!"
Tränen sind eine Kraft. Sie drücken Trauer und Schmerz aus. Sie laufen vor Rührung und Bewegung. Sie sind Ausdruck von Mitleid und Erbarmen. Und sie geben dem Bitten und Betteln eine besondere Dringlichkeit.

Zu dieser Zeit wurde Hiskia todkrank. Und der Prophet Jesaja kam zu ihm und sprach: So spricht der Herr: Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben! Er aber wandte sein Gesicht zur Wand und betete zum Herrn. Und Hiskia weinte sehr. Als aber Jesaja noch nicht hinausgegangen war, kam das Wort des Herrn zu ihm: Kehre um und sage Hiskia: So spricht der Herr: Ich habe dein Gebet gehört und deine Tränen gesehen. Siehe, ich will dich gesund machen, und ich will fünfzehn Jahre zu deinem Leben hinzutun.
2.Könige 20,1-6

Zu einem Baum

Welche Betroffenheit auf einmal,
wenn der Blick auf einen Baum fällt,
auf einen Baum wie diesen.
Sag Eiche, sag Linde, sag Ahorn.

Schön so ein Stamm. Gesammelte Kraft
aus allen Wettern und Jahreszeiten,
sich eigenwillig verschenkend
in eine Wolke aus zärtlichem Gelb und Grün.

Nicht weglaufen wollen, stehen und wurzeln.
Blühen und welken und wieder blühen.
Auch über schmerzlichem Boden
das Dach der Treue breiten.

Blätter – wie viele verraschele Träume.
Äste – wie viele abgeschlagene Bitten.
Aber die Narben lachen,
und die Verwundungen haben überlebt.

Auch er nicht in den Himmel gewachsen.
Die Sprache des Holzes sagt demütig ja.
Wäre er Mensch,
wäre er wissend und weise.

Schön so ein Baum
und gut sich darunter zu stellen.
Er will nichts anderes sein,
als was er ist.
So einen Freund müsste man haben.
So müsste man selber sein.

(Detlev Block)

Quelle: Detlev Block, Anhaltspunkte. Vom Besonderen im Alltäglichen, Christliche Verlagsanstatt/ Aussaat Verlag, Neukirchen-Vluyn, 1994.

"Die Weisheit ist ein Baum des Lebens allen, die sie ergreifen, und glücklich sind, die sie festhalten!"

(Sprüche 3,18)

Die Notlüge

Samuel Keller erzählt in seinen Erinnerungen:
"Als ich einen schwer kranken Mann besuchte, der das Abendmahl von mir erbeten hatte, traf ich den Arzt am Krankenbett und fragte ihn auf lateinisch, wie es um den Mann stehe. Ebenfalls auf lateinisch sagte mir der Arzt, dass der Mann die Nacht nicht überlebe. Dann tröstet der Arzt den Mann mit einer guten Medizin und macht ihm Hoffnung auf Besserung. Als der Arzt gegangen war, sah mich der Mann mit klaren Augen an und sagte: Herr Pastor, Sie werden mich nicht belügen, was sagte der Arzt, wie es um mich steht?
Als ich es ihm schonend erklärt hatte, bat der Mann seine Frau, die beiden Jungen aus der Fabrik zu holen, damit er vor dem Abendmahl noch mit ihnen reden könne. Ich unterhielt mich mit dem Mann. Und bald darauf kamen Mutter und die Söhne in das Krankenzimmer. Jetzt hat der Sterbende einen Abschied mit seinen Jungen gemacht, der eines Königs würdig gewesen wäre. Was er ihnen über die wichtigen Dinge des Lebens ans Herz legte, wie er über ihre Aufgabe an der Mutter und den kleinen Geschwistern mit ihnen sprach, war ergreifend, und tief bewegt knüpfte ich daran an und wir feierten alle zusammen das Abendmahl. Ein tiefer Friede zog in die Herzen und das Haus ein, und versöhnt konnte der Mann noch in der Nacht heimgehen.
Das wäre bei einer Notlüge nicht geschehen, wenn ich dem Beispiel des Arztes gefolgt wäre. Haben nicht gerade Sterbende ein besonderes Recht auf Wahrheit und Liebe?"

Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten!
Epheser 4,25

Vergebung ist besser als Vergeltung

Einst lebte ein König, dessen Land vom benachbarten König erobert worden war. Der besiegte König und seine Familie wurden gefangen genommen. Nur der Prinz entkam. Er wollte seine Familie befreien. – Am Tag der Hinrichtung seines Vaters stand er verkleidet unter den Schaulustigen und suchte verzweifelt einen Weg, um den Vater zu retten. Dieser sah den Sohn und sagte, als spräche er zu sich selbst: "Handele nicht übereilt. Groll kann nur durch Vergeben überwunden werden." – Nach dem Tod des Vaters wollte der Prinz Rache, ließ sich von dem verhassten Herrscher als Diener einstellen und gewann sein Vertrauen. – Als der König auf einer Jagd seinen Kopf in den Schoß des Jünglings bettete und einschlief, zog dieser seinen Dolch und setzte ihn an die Kehle des Schlafenden. Da erinnerte er sich der Worte seines Vaters und konnte den König nicht töten. Als dieser erwachte, erzählte er dem Prinzen, ihm habe geträumt, der Sohn des früheren benachbarten Königs habe ihn töten wollen. Da gab sich der Prinz zu erkennen und berichtete ihm von seinem Vorhaben und dessen Verhinderung. Der König war tief beeindruckt, bat den Prinzen um Verzeihung und setzte für ihn das ehemalige Königreich wieder instand. (Nach einer indischen Erzählung)

Sprich nicht: Ich will Böses vergelten! Harre des Herrn, der wird dir helfen!
Sprüche 20,22

Unbesiegbar

Vom Menschen kann der nicht besiegt werden, der seine eigenen Laster besiegt hat. Denn keiner wird besiegt, solang ihm nicht vom Gegner das, was er liebt, fortgenommen wird.
Wer daher das allein liebt, was ihm nicht fortgenommen werden kann, der ist zweifellos unbesiegbar und wird auch von keinem Neid mehr geplagt sein. Dann liebt er nämlich etwas, in dessen Liebe und Genuss er sich mit vielen teilt, und je mehr es sind, umso reichlicher werden sie zu beglückwünschen sein. Denn er liebt Gott aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und aus ganzem Verstand und liebt den Nächsten wie sich selbst. Diesem Nächsten also missgönnt er nicht zu sein, was er selbst ist; er verhilft ihm vielmehr dazu, so viel er kann. Und auch verlieren kann er den Nächsten nicht, den er wie sich selbst liebt, weil er auch in sich selbst nicht das liebt, was den Augen oder den anderen leiblichen Sinnen unterliegt. Er hat ja den, den er wie sich selbst liebt, im Innern bei sich selbst. (Aurelius Augustinus)

Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat!
Römer 8,37