Liebe oder Lüge

Ein Facharbeiter wurde dringend von seiner Firma nach Hause gerufen, weil sein Vater im Sterben lag. Als einziger Sohn erhielt er drei Tage Sonderurlaub. Als der Mann nach stundenlanger Fahrt schließlich im Krankenhaus eintraf und auf die Intensivstation gebracht wurde, sah er sofort, dass der Mann, der dort in tiefer Bewusstlosigkeit mit Schläuchen und Kabeln an Geräten und Monitoren angeschlossen war, nicht sein Vater war. Irgendjemand hatte sich geirrt und einen falschen Arbeiter genannt. Der Mann fragte den Arzt, wie lange der Mann noch leben könnte.
"Nur noch ein bis zwei Stunden! Sie haben es gerade noch geschafft. Ihr Vater kann nicht sterben, bevor Sie nicht noch einmal bei ihm waren!" Der Mann nahm am Bett Platz und dachte an den Vater, der nur in der Hoffnung, seinen Sohn noch einmal zu sehen, am Leben war. Er griff nach der Hand des Sterbenden und sagte ihm leise ins Ohr: "Vater, ich bin da, ich bin gekommen, um dich noch einmal zu sehen!" Der Vater umklammerte die Hand, ein zufriedenes Lächeln blieb auf seinem Gesicht, bis er nach einer Stunde friedlich einschlief.
Ist das eine Lüge oder eine Liebe oder beides?

Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.
Römer 13,10

Das Leben

"Ach Leben! Du bist interessant, manchmal fröhlich, oft sehr schmerzlich, aber so spannend wie ein Buch, das eine wahre Geschichte verkündet, eine Geschichte wahrer Freuden und Leiden, das nicht von erdachten Menschen handelt, die der Phantasie des Dichters entstammen, sondern von Menschen aus Fleisch und Blut. Manchmal möchte man das Ende gerne bald wissen, aber der Roman nimmt so gefangen, dass man sich von seinem Verlauf nicht losreißen kann, man kann nicht ein Kapitel auslassen, nicht eine Seite, ja nicht einen Buchstaben!" (Janusz Korczak)
Lassen wir keinen Buchstaben aus, keinen Moment, keinen Augenblick, keine Sekunde unseres Lebens, das wir nur einmal haben, das zu wertvoll ist, als dass wir es vertändeln und vertreiben. Carpe diem – pflücke den Tag wie eine reife Frucht, eine große Kostbarkeit und einen unwiederbringlichen Schatz.

Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang!
Psalm 90,14

Nur die Liebe zählt

Sie hieß Miriam, die Bitternis, aber sie war ein Sonnenschein.
Sie war mit einem Down-Syndrom behindert, aber sie hatte mehr Herz und Gefühl als viele andere Menschen. Sie war klein im Wuchs, aber groß in der Zuneigung und Empfindsamkeit. Sie hatte ihre Grenzen, aber sie hatte das Größte, was Menschen brauchen und erfahren: Sie wusste sich von Gott, ihren Eltern und Freunden wirklich geliebt. Sie wurde nur 21 Jahre alt, aber sie hat mehr gelebt als viele mit 91 Jahren. Ihr Leben war kurz, aber wesentlich, richtig und intensiv.
Ihre Lebensgeschichte war eine Erfolgsgeschichte besonderer Art: Sie konnte lesen und schreiben, musizieren und basteln, schwimmen und Rad fahren, Ski- und Rollschuhlaufen, in die Stadt fahren und einkaufen, sich behaupten und orientieren. Aber ihre Lebensgeschichte war noch mehr: eine Liebesgeschichte.
Auf einem großen Blatt Papier hatte sie – von 35 Herzen umrahmt – die Summe ihres Lebens aufgeschrieben: NUR DIE LIEBE ZÄHLT
Miriam schrieb mitten in die Herzen die Personen, denen ihre Liebe galt, ihren Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern – "Ich liebe meine Klassenkameraden, so wie die sind!" – und dazu das Wichtigste, was Menschen je wissen, sagen und weiter geben können: "Nur die Liebe zählt!" Sie war ein krankes Kind und starb früh an einer Infektion, aber sie war ein Gotteskind und lebt ewig mit Jesus.
Hunderte Menschen zeigten bei der Trauerfeier, wie sehr sie Miriam in ihr Herz geschlossen, wie viel sie von ihr empfangen und wie viel sie mit ihr verloren hatten.
Sie ist nun am Ziel ihres Lebens. Und wir müssen schauen, dass wir es nicht verfehlen: "Nur die Liebe zählt!"

Die Hauptsumme aller Unterweisung aber ist die Liebe aus reinem Herzen und aus gutem Gewissen und aus ungefärbtem Glauben.
1.Timotheus 1,5

Es geht auch einfach

In grauer Vorzeit beklagte sich einst ein mächtiger König, dass der harte, unebene und bisweilen steinige Boden seines Reiches seinen Füßen Schmerzen bereite. Und so befahl er, das ganze Land mit dicken Kuhhäuten auszulegen.
Als sein Hofnarr von solchem Vorhaben hörte, lachte er den König aus, nannte ihn einen viel größeren Narren: "Was für eine total verrückte Idee, Eure Majestät! Warum solch ein unnützer Aufwand? Lasst Euch zwei kleine Stücke weicher Kuhhaut zurechtschneiden und unter Eure Füße binden, so habt Ihr die gleiche Wirkung!"
Das tat der König, und so wurden die Schuhe erfunden.

Niemand betrüge sich selbst. Wer unter euch meint, weise zu sein in dieser Welt, der werde ein Narr, dass er weise werde!
1.Korinther 3,18

Die Freude, Freude zu machen

Elisabeth von Thüringen hatte als Witwe vor den Toren der Stadt Marburg ein Hospital gegründet und pflegte darin Kranke und Arme. Eines Tages erhielt sie zu ihrer eigenen Versorgung zweitausend Mark in Silber vom Landgrafen Heinrich Raspe. Sogleich beschloss sie, ein Viertel der Summe an Arme zu verteilen, und ließ bekannt machen, alle Notleidenden der Umgebung sollten sich an einem bestimmten Tag im Hospital einfinden.
Als der Tag herangekommen war, versammelte sich eine große Schar von Armen, Kranken und bedürftigen Alten im Hof des Hospitals. Während des ganzen Tages verteilte Elisabeth das Geld und tröstete und ermutigte die Leute. Am Abend blieben noch viele Schwache und Alte da, denn der Heimweg am gleichen Tag war ihnen zu beschwerlich. Elisabeth ließ mitten im Hof ein großes Feuer anzünden, damit sich alle wärmen konnten. Dann wurden sie gewaschen und gespeist. Die geschundenen und verhärteten Menschen spürten, dass ihnen nicht bloß ein Almosen gegeben wurde, sondern ihnen Liebe und Herzlichkeit begegnete. Sie fühlten sich als eine große Familie und sangen und lachten. Da sagte Elisabeth zu ihren Gefährtinnen: "Seht, ich habe immer gesagt, man muss die Menschen froh machen." (Aus Legenden der Christenheit)

Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!
Philipper 4,4f

Äußere und innere Verwandlung

Eine alte indische Fabel erzählt von einer Maus, die in großer und ständiger Angst vor der Katze lebte. Ein Zauberer hatte Erbarmen mit der ängstlichen Maus und verwandelte sie in eine Katze. Aber nun hatte die Katze eine ständige Angst vor dem Hund. Also verwandelte der Zauberer sie in einen großen Hund. Doch nun als Hund fürchtete sie den Panther. Und der Zauberer verwandelte sie in einen schwarzen Panther. Doch nun hatte sie solche Angst vor dem Jäger.
Da gab der Zauberer auf, verwandelte sie wieder in eine Maus und meinte: "Dir wird keine äußere Verwandlung helfen, denn du hast immer das Herz einer Maus!"
Welche Rolle auch immer wir im Leben der Gesellschaft einnehmen, wir bleiben im Herzen immer dieselben Menschen. Es sei denn, wir könnten innen verwandelt und mit einem neuen Herzen beschenkt werden.

Und ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben und will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben.
Hesekiel 11,19

Keiner sucht mich

Rabbi Baruchs Enkelkind spielte einst mit anderen Jungen Verstecken. Er suchte ein besonders gutes Versteck und verbarg sich sorgsam. Dort wartete er, dass ihn sein Spielkamerad suche und ob er ihn wohl finden könne. Als er sehr lange dort gesessen und niemand ihn gefunden hatte, kam er aus seinem Versteck hervor und da musste er überrascht feststellen, dass ihn überhaupt niemand gesucht hatte. Weinend kam er in die Stube des Großvaters gelaufen und beklagte sich über seine Spielkameraden: "Keiner sucht mich", sagte er immer wieder unter Tränen. Da weinte auch Rabbi Baruch und sagte zu dem Jungen: "So spricht Gott auch: Ich verberge mich, aber keiner sucht mich!" (Nach Martin Buber)

Suchet den Herrn, solange er zu finden ist; rufet ihn an, solange er nahe ist.
Jesaja 55,6

Ich will zum Verbinden

Jeden Samstag wurde bei uns zu Hause Wasser in einem großen Topf auf dem Küchenherd zum Kochen gebracht, eine Zinkwanne auf zwei Küchenstühle gestellt und mein Bruder und ich einmal in der Woche eingeweicht und abgeschrubbt. Was machen zwei Jungen im Alter von 4 und 6 Jahren, bis das Wasser heiß und die Prozedur fällig ist? Sie vergnügen sich mit einer Handtuchschlacht. Wir tobten durch die Wohnung. Jeder hatte in sein Handtuch einen dicken Knoten gemacht und dann ging die Post ab.
Mein Bruder blieb mit seinem Handtuch so unglücklich im Griff des Topfes hängen, dass er sich das kochend heiße Wasser über den Rücken zog. Er war sofort bewusstlos und wurde in ein Krankenhaus gebracht. Dort lag er – damals, 1946, ohne große ärztliche Möglichkeiten – über ein halbes Jahr und rang mit dem Tod. Als er schließlich nach Hause kam, war der ganze Rücken vom Nacken bis zum Gesäß eine einzige eitrige Wunde, die täglich neu verbunden werden musste. Nachts, wenn die Schmerzen für ihn unerträglich wurden, wimmerte, weinte und schrie er über das ganze Haus: "Ich will zum Verbinden. Ich halt’s nicht mehr aus. Ich will zum Verbinden!"
Nie werde ich diese Schreie vergessen, und es ist mir so, als wenn die ganze Menschheit und alle Kreaturen nach Heilung und Linderung, Behandlung und Genesung schreien. Wir müssen zum Verbinden, zum Arzt und Heiland unseres Lebens!

Ihre Wege habe ich gesehen, aber ich will sie heilen und sie leiten und ihnen wieder Trost geben; und denen, die da Leid tragen, will ich Frucht der Lippen schaffen. Friede, Friede denen in der Ferne und denen in der Nähe, spricht der Herr; ich will sie heilen!
Jesaja 57,18f

Können Perlen traurig machen?

Ein Beduine verirrte sich in der Wüste. Tagelang irrte er umher, erlitt die glühende Hitze und nachts die klirrende Kälte. Völlig entkräftet drohte er zu verhungern, und die Todesangst packte den verzweifelten Mann. Da entdeckte er eine verlassene Lagerstätte, an der Kaufleute mit ihren Kamelen gerastet haben mussten. Mit letzter Kraft untersuchte er den Ort und fand ein kleines Ledersäckchen. Mit großer Hoffnung betastete und öffnete er den kleinen Beutel aus feinem Leder und hoffte, darin etwas Essbares, vielleicht Mandeln oder Nüsse zu finden. Doch dann erschrak er, denn er fand nur Perlen und war unendlich traurig.
(Nach einem arabischen Märchen)

Es gibt viele kostbare Perlen, die das Leben bereichern: Kultur und Bildung, gute Bücher und schöne Musik, Reichtum und Ehre, Erfolg und Ansehen, Reisen und Abenteuer, Haus und Garten, Natur und Technik. Aber an den Grenzen des Lebens, wenn wir am Verhungern und Verdursten sind an Leib und Seele, machen sie oft nur traurig. Dann brauchen wir Brot und Wasser des Lebens.

Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
Johannes 6,35

Schwach und stark

Eine Eiche wächst an einem Fluss in vielen Jahren zu einem starken Baum heran. Wie viele Widrigkeiten und Gefahren, Erschütterungen und Belastungen hat sie schon überstanden! Aber eines Tages tobt ein so heftiger Sturm und reißt mit solcher Wucht an Stamm, Ästen und Zweigen, dass alle Gegenwehr der Eiche vergeblich ist. Alle Kräfte hat sie mobilisiert, um gegen den Sturm zu bestehen, aber schließlich wird sie entwurzelt und stürzt in ihrer ganzen Größe in den Fluss.
Als sich die Eiche vom Sturz erholt und ein wenig umgeschaut hat, sieht sie erstaunt die zarten Schilfrohre unversehrt am Ufer stehen. Und voller Verwunderung fragt sie die dünnen Halme, wie sie einen solchen Sturm haben überleben können. Die Schilfrohre sagen dem Baum: "Wir sind schwach. Wir können gegen einen solchen Sturm nicht kämpfen. Vielleicht hast du dich zu sehr angestrengt, hast verbissen gekämpft und dich völlig verkrampft. Wir lassen uns vom Sturm biegen, aber nicht knicken. Wir kämpfen nicht, wir fügen und wiegen uns. Und irgendwann hört der Sturm auf. Und so überleben wir."

Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein!
2.Mose 14,14