Guter Rat ist nicht teuer

1799 schreibt Matthias Claudius an seinen Sohn unter der Überschrift "Gold und Silber habe ich nicht; was ich aber habe, gebe ich dir!" einen bewegenden Brief.
"Lieber Johannes! Es ist nicht alles Gold, lieber Sohn, was glänzt, und ich habe manchen Stern vom Himmel fallen und manchen Stab, auf den man sich verließ, brechen sehen. Es ist nicht groß, was nicht gut ist; und es ist nichts wahr, was nicht besteht. Halte dich zu gut, Böses zu tun. Hänge dein Herz an kein vergänglich Ding. Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, lieber Sohn, sondern wir müssen uns nach ihr richten.
Was du sehen kannst, das siehe, und brauche deine Augen, und über das Unsichtbare und Ewige halte dich an Gottes Wort. Bleibe der Religion deiner Väter getreu und hasse die theologischen Kannengießer.
Lerne gerne von anderen, und wo von Weisheit, Menschenglück, Licht, Freiheit, Tugend geredet wird, da höre fleißig zu. Doch traue nicht flugs und allerdings, denn die Wolken haben nicht alle Wasser … Worte sind nur Worte, und wo sie so gar leicht und behände dahinfahren, da sei auf deiner Hut, denn die Pferde, die den Wagen mit Gütern hinter sich haben, gehen langsameren Schrittes.
Nimm dich der Wahrheit an, wenn du kannst, und lass dich gerne ihretwegen hassen; doch wisse, dass deine Sache nicht die Sache der Wahrheit ist, und hüte, dass sie nicht ineinander fließen, sonst hast du deinen Lohn dahin. Nicht die frömmelnden, aber die frommen Menschen achte und gehe ihnen nach. Ein Mensch, der wahre Gottesfurcht in seinem Herzen hat, ist wie die Sonne, die da scheint und wärmt, wenn sie auch nicht redet. Tue, was des Lohnes wert ist, und begehre keinen!"

Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!
Offenbarung 3,11

Alles hat seine Zeit

Die Hast und Hetze unserer modernen Gesellschaft hat zwei Gründe. Der eine liegt im Verlust der ursprünglich in der Schöpfung Gottes gegebenen Einteilung der Zeit in Arbeit und Ruhe, Werktag und Feiertag, Sommer und Winter, Saat und Ernte. Alles hat seine Zeit, das Schaffen und Ruhen, das Loslassen und Heimkommen, das Tun und Lassen, das Besinnen und Beginnen. Die moderne Gesellschaft entwickelt einen Zwang zur Beschleunigung und Optimierung. Nachtruhe, Wochenende, Feiertage, Winterruhe sind dem Beschleunigungszwang zum Opfer gefallen. Unsere Lebensweise in Arbeit, Freizeit und Ernährung hat sich völlig von den schöpfungsmäßig geordneten Rhythmen gelöst. Alles hat keine Zeit mehr, wenn nicht mehr alles seine Zeit hat!
Der zweite Grund liegt in dem Verlust der ewigkeitlichen Dimension des Lebens. Wenn Menschen nicht mehr die Erfüllung und Vollendung ihres Lebens in einer neuen, ewigen Welt erwarten, wird die Zeit des irdischen Lebens mächtig knapp. Wer nicht mehr an die Auferstehung und die Krönung des Lebens in Ewigkeit glaubt, wird in dieses Leben alles hineinpacken wollen, was geht und doch nicht geht. Und so entsteht in der Angst, etwas zu versäumen, und der Gier, noch alles zu erleben, jene Hast und Ungeduld, Hetze und Aufgeregtheit, die uns bisweilen ganz krank macht. Alles hat keine Zeit mehr, wenn wir die Ewigkeit verlieren!

Alles hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde … Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Prediger 3,1.11

Abgeschrieben oder eingeschrieben?

Manche Menschen träumen davon, einmal im Guinness-Buch der Rekorde eingetragen zu werden. Und wenigen gelingt das auch mit irgendwelchen besonderen Leistungen. Aber sind das nicht oft nebensächliche oder gar lächerliche Dinge, wie besonders lange auf einem Pfahl sitzen, in der Badewanne liegen, unter Wasser bleiben oder Kirschkerne spucken etc.? Was ist daran so wirklich Besonderes? Wir kommen sicher niemals in das Buch der Rekorde. Aber es gibt in der Tat etwas viel Größeres, nämlich im Buch des Lebens persönlich eingetragen zu sein. Die Bibel gebraucht dieses Bild, um uns den Wert und die Würde des Lebens in den Augen Gottes wichtig zu machen. Gott schreibt seine Kinder persönlich in das Buch des Lebens. Wir gehören ihm und niemand kann uns diese Würde nehmen. Vielleicht werden wir von Menschen einmal abgeschrieben, weil wir die Leistung nicht mehr bringen oder versagt und enttäuscht haben. Aber bei Gott sind wir nicht abgeschrieben, sondern eingeschrieben, mit unserem Namen und für alle Ewigkeit.

Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind!
Lukas 10,20

Habe Geduld

Eine orientalische Geschichte erzählt von einem Gläubigen, der sich zum Heiligtum aufmacht, um dort zu beten und zur Ruhe zu kommen. Nach einem weiten Weg kommt er schließlich im Gotteshaus an, betritt es voller Hoffnung und Erwartung. Aber auch nach Stunden gelingt es ihm nicht, sich zu sammeln. Seine Gedanken gehen spazieren, und er hört sich die Gebete wie leere Formeln heruntersagen. Ganz verzweifelt fragt er einen Priester um Rat. "Seit wann sind Sie denn hier?", fragt der Priester. "Ich bin vor einigen Stunden angekommen." – "Dann haben Sie Geduld. Ihre Seele kommt nach, sie braucht noch etwas Zeit, um hier zu sein!"

Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt!
Hebräer 10,36

Neunmalklug oder ein bisschen weise

Dumme Menschen verurteilen, kluge Menschen urteilen, weise Menschen teilen!
Dumme Menschen binden, kluge Menschen verbinden, weise Menschen lassen los!
Dumme Menschen sind überheblich, kluge Menschen sind selbstsicher, weise Menschen sind erlöst!
Dumme Menschen leben vom Schein, kluge Menschen leben vom Streben, weise Menschen leben im Sein!
Dumme Menschen säen Zwietracht, kluge Menschen suchen Eintracht, weise Menschen sind eins!
Dumme Menschen wehren sich mit Waffen, kluge Menschen waffnen sich mit Worten, weise Menschen entwaffnen mit Liebe!
Dumme Menschen lassen sich gehen, kluge Menschen beherrschen sich, weise Menschen lassen sich führen!
Dumme Menschen sind ängstlich und drohen, kluge Menschen dulden und ertragen, weise Menschen verzeihen und vergessen!
Dumme Menschen finden sich klug, kluge Menschen meinen weise zu sein, weise Menschen halten sich für einfältig!
An viele andere Menschen haben wir beim Lesen gedacht. Doch am besten wirken die neun Sätze, wenn wir sie nur für uns bedenken: Der Dumme in mir, der Kluge in mir, der Weise in mir…

Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Klug sind alle, die danach tun. Sein Lob bleibt ewiglich!
Psalm 111,10

Geliebt

In Henrik Ibsens Drama Peer Gynt geht es um einen wilden, stämmigen Burschen, der mit seinen Raufereien und Abenteuern seine Eltern zur Verzweiflung und das ganze Dorf zu Hass und Ablehnung bringt. Nur Solvejg, die Tochter armer Zuzüglerleute, ist ihm gewogen. Aber er verrät ihre Liebe und muss schließlich nach wilden Verfehlungen und wüsten Eskapaden seine Heimat verlassen. Jahre schlägt sich Peer Gynt auf abenteuerliche Weise in Afrika herum.
Als alter Mann mit eisgrauem Haar und Bart kehrt er in seine Heimat zurück. Und endlich ganz am Schluss seines Lebens findet Peer Gynt die Kraft, "mittendurch" und nicht mehr "drum herum" zu gehen.
Er tritt Solvejg gegenüber, die ein ganzes Leben auf ihn gewartet hat, und bekennt ihr alle seine Verfehlungen, Lug und Trug, Mord und Totschlag, List und Gemeinheit, Brutalität und Egoismus. Das schreckliche Übermaß seiner Schuld kann Solvejg nicht schrecken. Sie ist glücklich, dass Peer Gynt endlich zurückgekehrt ist. Und er fragt sie ungläubig: "Weißt du, wo ich all die Jahre wirklich war?" Sie aber antwortet: "Auch als du ferne weiltest, warst du immer in meiner Liebe!"
Wer immer den Mut hat, nicht mehr drumherum sondern mittendurch zu Gott zu gehen mit all seiner Schuld und Last, dem wird Gott sagen: "Du warst immer in meiner Liebe!"

Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.
Jeremia 31,3

Aber die Liebe ist die größte

Pflicht ohne Liebe macht verdrießlich,
Verantwortung ohne Liebe macht rücksichtslos,
Gerechtigkeit ohne Liebe macht hart,
Freundlichkeit ohne Liebe macht heuchlerisch,
Klugheit ohne Liebe macht grausam,
Ordnung ohne Liebe macht kleinlich,
Ehre ohne Liebe macht hochmütig,
Besitz ohne Liebe macht geizig,
Glaube ohne Liebe macht fanatisch.
Ein Leben ohne Liebe ist sinnlos.
Doch ein Leben in Liebe ist Glück und Freude.
(Inschrift in einer Einsiedelei)

Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle … Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
1.Korinther 13,1.13

Einsichten

"Wem das Wasser bis zum Hals steht, der sollte seinen Kopf nicht hängen lassen!" Das Sprichwort ist witzig und einsichtig, aber der Appell ist negativ begründet.
"Die Menschen werden vergehen vor Furcht, denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken geraten. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!", sagte Jesus einst zu seinen Jüngern. Seine Aufforderung ist positiv begründet, nicht mit dem Untergang, sondern mit der Erlösung.
Wir können die Schöpfung bewahren, weil wir ansonsten die Folgen zu spüren bekommen. Wir können sie aber auch bewahren aus Liebe zu Gott.
Wir können mit Armen und Notleidenden teilen, weil sie uns eines Tages mit in das Verderben hineinziehen könnten. Wir können aber auch helfen aus Liebe und um der anderen willen.
Wir können mit falschen Lebensweisheiten aufhören, weil wir sonst daran zugrunde gehen. Wir können auch auf Gott "aufhören" und seinem Maß und seiner Weisung folgen.
Wir können in die Gemeinde gehen, um der Einsamkeit zu entfliehen. Wir können aber auch, um den Leib Christi zu stärken und in der Welt sichtbar zu machen, uns in die Gemeinde einbinden lassen.
Lassen wir uns die Einsichten aus der Not und Bedrohung geben?
Oder gewinnen wir die Einsichten aus der Liebe und dem guten Rat Gottes zu einem besseren Leben? Lassen wir uns nur durch massive Bedrohungen verändern? Oder wird uns die starke Liebe Jesu ziehen und erneuern?

Und weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten. Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden!
Matthäus 24,12f

Die Fußmatte

Während einer Gemeindewoche in einem kleinen Dorf fiel mir allabendlich ein großer Mann auf, der deutlich behindert, aber besonders aufmerksam war. Nach einem Vortrag über den Wert des Menschen kam er mit Tränen in den Augen zu mir. Ich hatte an dem Abend über die Augen der Liebe gesprochen, mit denen Gott sonders die schwachen, kleinen, verwundeten und geschundenen Menschen ansieht. In den Augen Gottes sind alle Menschen – unabhängig von Leisten, Können und Wissen – kostbare Schätze und grenzenlos geliebt. So kostbar und geliebt, dass Gott seinen einzigen Sohn für sie dahingibt. Das hatte den Mann, der im Alltag verachtet, zurückgesetzt und ausgeschlossen war, so beglückt und erfreut, aufgerichtet und ermutigt. Mit ungelenken Gebärden und schweren Worten machte der Mann mir verständlich, dass er zu gerne die Kassette mit dem Vortrag haben möchte, aber kein Geld habe. Ich nahm ihn in den Arm und schenkte ihm voller Freude die Kassette.
Am Abend darauf kam er mit einer großen Tüte in die Kirche und brachte hinterher unbeholfen und verschämt eine Fußmatte daraus hervor. In der Behinderteneinrichtung hatte er selbst diese Fußmatte hergestellt und schenkte sie mir. Viele Menschen hätten ihn wie eine Fußmatte behandelt und mit Füßen getreten, aber nun sei er ein kostbarer Schatz bei Gott. Nun war ich gerührt und von seinem Geschenk tief bewegt. Welch ein Wechsel von der Fußmatte zur Perle.
Sechzehn Jahre lang hat die unverwüstliche Matte vor unserer Haustür gelegen. Und bei jedem Betreten und Verlassen des Hauses hab ich an den behinderten Mann gedacht und ihm von Herzen wünscht, dass er das nie vergisst, dass er bei Gott ein Juwel ist.

Weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist, habe ich dich herzlich lieb!
Jesaja 43,4

Nur ein Ton

"Ein kurzer, froher Gruß mag mein Letztes sein, was ich euch geben kann. Ich bin meine Straße fröhlich gegangen mitten durch alle Schrecknisse des Krieges hindurch, und ich bin reich geworden in all der Armut des stillen Heimwehs. Mein Letztes an euch kann nichts anderes sein als ein fröhliches Lobsingen, wie ein helles jubilierendes Osterlied: Ich habe seine Herrlichkeit gesehen! Christus ist mir wie ein Fels gewesen, wie ein Bruder, und gerade in den schweren Stunden war er mir so nahe, dass mir keine Welt und kein Tod eine Erschütterung sein konnte.
Wenn ich von euch scheiden muss, wenn ich nicht mehr heimkehren darf, dann weiß ich das Eine so ganz gewiss: Ich darf in die Heimat, ich darf zu meinem Heiland. Mein Leben klingt nur in einem Ton aus, und der heißt: Lobe den Herrn, o meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat." (Werner Hennig, im Alter von 30 Jahren 1943 im Krieg gefallen)
"Dankbarkeit ist die Wachsamkeit der Seele gegen die Kräfte der Zerstörung!" (Gabriel Marcel)

Denn ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: "Fürchte dich nicht, ich helfe dir!"
Jesaja 41,13