Aus der Not eine Tugend machen

„Eine schöne grüne Oase sah um sich und erblickte nichts als elende Wüste rings umher. Vergebens suchte sie nach ihresgleichen. Da brach sie in heftiges Klagen aus: Ich unglückliche, einsame Oase. Allein muss ich bleiben. Nirgends meinesgleichen. Nirgends auch nur ein Auge, das mich sähe und Freude hätte an meinen grünen Wiesen, rauschenden Quellen, fruchtbaren Palmbäumen und bunten Sträuchern. Nichts als traurige, sandige, felsige, leblose Wüste umgibt mich. Was helfen mir alle meine Vorzüge, Schönheiten und Reichtümer in dieser elenden Verlassenheit?
Da sprach die alte graue Mutter Wüste: Mein Kind, wenn das anders wäre, wenn ich nicht die traurige, dürre Wüste wäre, sondern blühend, grün und belebt, dann wärst du keine Oase, kein besonderer Fleck, von dem noch in der Ferne der Wanderer rühmend erzählt, sondern du wärst nur ein winziger Teil von mir und als solcher verschwindend und unbemerkt. Darum also ertrage in Geduld, was die Voraussetzung für deine Besonderheit und deinen Ruhm ist!“ (Arthur Schopenhauer)

Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.
Psalm 126,5f

Gott und die Welt

Die Welt ist gnadenlos bedingt!
Wenn man was leistet, kommt man voran.
Wenn man ungesund lebt, wird man krank.
Wenn man lieb ist, wird man geliebt.
Wenn man Gesetze übertritt, wird man bestraft.
Wenn man die Luft verpestet, muss man die Gifte einatmen.
Wenn man Hass sät, wird man Gewalt ernten.
Die Natur, der Staat, die Gesellschaft können nicht gnädig sein.
Alles rächt sich konsequent!
Gott ist bedingungslos gnädig!
Seine Vorliebe gilt uns ohne Vorleistung.
Seine Vergebung löscht alle unsere Schuld aus.
Seine Barmherzigkeit heilt die tiefsten Wunden.
Seine Gnade krönt auch ein verdammtes Leben.
Seine Treue gilt unbedingt, wenn Menschen uns verlassen und das eigene Herz uns verklagt.
Gottes Liebe ist bedingungslos, maßlos, restlos, grenzenlos, vorbehaltlos, parteilos, zweifellos, aber nicht grundlos und nicht folgenlos.
Die Gnade Gottes hat im Ganzopfer Jesu ihren Grund, in unserer Nachfolge die beste Konsequenz.
Die Welt wird uns dingen, Jesus will uns freien. Lassen wir es geschehen, unbedingt!

Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte. Er wird nicht für immer hadern noch ewig zornig bleiben. Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsere Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.
Psalm 103,8-13

Nur ein Scherflein

Eine sehr reiche Frau wurde bei einer Sammlung zur Renovierung der Kirche um eine Spende gebeten. „Gerne beteilige ich mich an der Aktion“, sagte sie, „aber leider kann ich nur das berühmte Scherflein der Witwe beitragen!“ Der Pfarrer antwortete: „Gute Frau, das wäre zu viel, das können wir nicht erwarten.“ – „Sie haben mich missverstanden“, lachte die Frau, „ich meinte mit dem Scherflein nur eine kleine Gabe!“
„Ja“, sagte der Pfarrer, „das wäre dann doch zu viel, denn die Witwe hat mit ihrem Scherflein damals alles, was sie ihr Eigen nannte, in den Gotteskasten gelegt.“ Die Frau errötete und gab eine beachtliche Summe.

Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das macht zusammen einen Pfennig. Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.
Markus 12,41-44

Eine Summe Freude

„Wie mit den Lebenszeiten, so ist es auch mit den Tagen,
keiner ist uns gut genug, keiner ist ganz schön,
und jeder hat, wo nicht seine Plage, doch seine Unvollkommenheiten.
Aber rechne sie zusammen, so kommt eine Summe Freude und Leben heraus!“
(Friedrich Hölderlin)

Ein Trost des Alters besteht darin, dass wir uns auf die Summe Freude unseres Lebens besinnen: auf die vielen erfüllten Tage, Begegnungen, Erfahrungen, das bewusst Genossene und das tapfer Erlittene, was gelungen ist und wir geschafft haben, wo wir aus Fehlern gelernt und am Scheitern gereift sind. Nichts, was ein Leben wirklich ausmacht, hat gefehlt, Lachen und Weinen, Erfüllung und Enttäuschung, Gewinnen und Verlieren, Freude und Leid, Hoffen und Bangen, Sich-Finden und Sich-Trennen, Stärke und Schwäche, Jugend und Alter, Gesundheit und Krankheit, Gemeinsamkeit und Einsamkeit. All das hat es in meinem Leben gegeben und gehört nun zu meiner Geschichte. Und in allem war Gottes Gegenwart zu erfahren, zu glauben, zu bewahren.
Zu dem Trost des richtig gelebten Lebens kommt dann noch die Hoffnung auf eine letzte Erfüllung des Lebens in Ewigkeit. So hat das Alter einen doppelten Trost: richtig leben vor dem Tod und ewig leben nach dem Tod. Und beides aus Gottes großer Güte.
Denn das Bitterste am Sterben wäre, nicht richtig gelebt zu haben und nicht ewig leben zu können!

Gott, du hast mich von Jugend auf gelehrt, und noch jetzt verkündige ich deine Wunder. Auch im Alter, Gott, verlass mich nicht, und wenn ich grau werde.
Psalm 71,17f

Wer überlebt?

Ein kleines Kurierflugzeug gerät in große Schwierigkeiten. Plötzlich setzen die beiden Triebwerke aus. An Bord befinden sich neben dem Piloten ein bedeutender Wissenschaftler, ein kleiner Pfadfinder und ein würdiger alter Bischof. Der Pilot ruft den Dreien zu: „Wir müssen mit dem Fallschirm abspringen, um unser Leben zu retten. Das Dilemma ist nur, es gibt gerade drei Fallschirme. Einen brauche ich, und ihr drei müsst unter euch ausmachen, welche zwei sich retten können!“
Der Wissenschaftler betont, wie wichtig er für die Welt mit seinen Forschungen ist, und beansprucht mit Vehemenz einen Fallschirm, greift einfach zu und springt ab. Der Bischof schaut den kleinen Pfadfinder an und sagt liebevoll: „Du bist jung und hast das Leben noch vor dir, ich bin alt und habe mein Leben gelebt, nimm du den zweiten Fallschirm und rette dich, bevor es zu spät ist!“ „Ist nicht nötig“, sagt der Junge, „wir haben beide noch einen Fallschirm. Der Wissenschaftler, der oberkluge, hat sich meinen Rucksack gegriffen und ist abgesprungen!“

Weh denen, die weise sind in ihren eigenen Augen und halten sich selbst für klug!
Jesaja 5,21

Der kleine Weg zum Himmel

Theresia von Lisieux, auch die „Kleine Theresia“ genannt, wurde nur 24 Jahre alt. Und ihr kurzer Lebensweg war frei von allem Krampf und angestrengter Verbissenheit. Schon als kleines Kind wollte sie ganz für Gott da sein. Immer wieder findet sich in ihren Schriften das Wort von dem kleinen Weg: „Ich darf trotz meiner Kleinheit nach der Heiligkeit streben. Mich größer machen ist unmöglich. Ich muss mich ertragen, wie ich bin, mit all meinen Unvollkommenheiten. Aber ich will das Mittel suchen, in den Himmel zu kommen, auf einem kleinen Weg, einem recht geraden, recht kurzen, einem ganz neuen kleinen Weg. Ich möchte einen Aufzug finden, der mich zu Jesus emporhebt. Denn ich bin zu klein, um die beschwerliche Treppe der Vollkommenheit hinaufzusteigen. Der Fahrstuhl, der mich zum Himmel emporheben soll, deine Arme sind es, o Jesus! Dazu brauche ich nicht zu wachsen; ich muss klein bleiben, ja mehr und mehr es werden!“ (Theresia von Lisieux 1873-1897)

Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.
Offenbarung 3,8

Nächstenliebe oder Eigenliebe

Ein Polizist kommt gerade dazu, als sich ein Mann von einer hohen Brücke in den Fluss stürzen und seinem Leben ein Ende machen will. „Machen Sie das bitte nicht!“, schreit der Polizist, „warum sollte sich ein junger Mann wie Sie das Leben nehmen?“ – „Ich kann nicht mehr leben, ich sehe keinen Sinn und habe keine Hoffnung mehr!“, antwortet der Lebensmüde.
Der Polizist redet eindringlich auf den jungen Mann ein: „Sehen Sie doch, wenn Sie jetzt in den Fluss springen, muss ich Ihnen nachspringen, das Wasser ist eisig kalt, und ich habe mich gerade erst von einer schweren Grippe erholt, ich werde also ernstlich krank, vielleicht werde ich daran sterben. Ich habe eine Frau und drei kleine Kinder. Möchten Sie das verantworten und auf Ihr Gewissen laden? Nein, sicher nicht. Das werden Sie mir nicht antun. Bitte seien Sie vernünftig. Gehen Sie nach Hause, beten Sie zu Gott, er wird Ihnen helfen. Gehen Sie heim. Zu Hause sind Sie allein und ungestört, da können Sie sich meinetwegen …
Wie oft war, was wir Nächstenliebe nannten, Eigenliebe und diente mehr dem eigenen Nutzen und unserer Befriedigung? Geht es uns wirklich um den anderen, wenn wir uns für ihn einsetzen?

Die Liebe sei ohne Falsch!
Römer 12,9

Die Liebe sucht nicht das Ihre!
1.Korinther 13,5

Schätze

Es ist das Wesen der Schätze, dass sie zunächst verborgen sind. Die wirklichen Reichtümer und Werte des Lebens liegen nie auf der Straße oder sind in den Schaufenstern offen ausgestellt. Sie sind verborgen und erschließen sich langsam und ganz anders als erwartet. Wir brauchen eine Sehnsucht, eine Vision, einen Traum und eine Erwartung. Wir machen uns auf die Suche, öffnen unsere Sinne, gehen los, erfahren das Leben, erleben den Weg und fassen ein Ziel ins Auge. Widrigkeiten können uns nicht abhalten, Gefahren nicht erschrecken, Umwege nicht irritieren, Fehlschläge nicht enttäuschen, Schwächen nicht mutlos machen und Zweifel nicht lähmen.
Wir folgen den Weisungen dessen, der das Leben ist, und hören auf den Ruf des Einen, in dem alle Schätze verborgen sind.
Und es bleibt nicht beim Sehnen und Suchen, Träumen und Hoffen. Es gibt ein Finden und Empfangen, ein Erfüllt- und Vollendet-werden.

Denn in ihm wohnt die Fülle der Gottheit leibhaftig, und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.
Kolosser 2,9f

Hoch hinauf

Der Löwe ließ sich von den Bären auf den Schultern tragen, als sie ihn zum König gewählt hatten.

Das genoss er.

Nun gebot er, die Biber sollten ihm ein Lager auf zwei Bäumen bauen, damit er alles besser übersehen könne. So geschah es, und die Bären hoben ihn hoch.

Das genoss er.

Bald aber gebot er, die Büffel sollten ihm ein Lager hoch auf dem Hügel bauen, damit er alles noch besser übersehen könne. So geschah es, und die Bären trugen ihn hinauf.

Das genoss er.

Nicht lange, und er gebot, die Adler sollten ihm ein Lager auf dem höchsten Felsen bauen, damit er alles besser übersehen könne. So geschah es, und die Bären schleppten ihn hoch hinauf.

Das genoss er.

Wiederum nicht lange, und der Löwe gebot, die Engel sollten ihm ein Lager in den Wolken bauen, damit er alles besser übersehen könne.

Das aber geschah nicht, und die Bären feixten. Der Löwe aber jammerte in der dünnen Luft seiner Höhe.

Siehst du, sagte der eine Bär zum andern: Je mehr Übersicht desto weniger Überblick.

Da tanzten die Mäuse unten im Tal.

Ganz wie früher.

(Peter Spangenberg)
Quelle: Peter Spangenberg: Hoch hinauf/ Erinnerung aus: Peter Spangenberg, Da tanzten die Mäuse. Fabelhafte Wahrheiten. Copyright: Agentur des Rauhen Hauses Hamburg 1998

Wer zugrunde gehen soll, wird vorher stolz; und Hochmut kommt vor dem Fall!“

(Sprüche 16,18)

Ausblick

Wenn das Jahr beginnt
Ist man in Gedanken
Gehört am Ende man
Zu den Gesunden oder Kranken

Vieles wird passieren
Freude und auch Leid
Jeder muss addieren
Hoffentlich Zufriedenheit

Das Jahr ist jung und übertreibt
Infolgedessen sehr
Was von uns allen übrig bleibt
Das weiß bald keiner mehr

Drum hebe doch das alte Haupt
Und bleib bei deinen Dingen
Auch wenn es kein Mensch glaubt
Am Ende werd ich singen.

(Hanns Dieter Hüsch)
Quelle: Hanns Dieter Hüsch: Ausblick aus: Hanns Dieter Hüsch/Norbert Schinner, Kalender: Unser Niederrhein 1998. Copyright: 1997 by Brendow Verlag, D-47443 Moers

„Der Herr behüte dich,- der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand, dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts. Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!“

(Psalm 121,5-8)