Was uns trägt

aus dem Trostbuch von Stephan Volke – © 2004 by Verlag der St.-Johannis-Druckerei, Lahr/Schwarzwald

Worte des Trostes – einfühlsam und ehrlich

Nichts ist mehr wie es war. Von einem auf den anderen Augenblick bekommt unser Leben einen tiefen Riss. Die Wunde schmerzt sofort. Es gibt keine Möglichkeit, der Tatsache zu entrinnen. Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben. Da hilft es nicht, die Augen zu verschließen, da können wir nicht mehr verdrängen und nicht mehr so tun, als würde es immer nur um andere gehen. Es wird zuviel gestorben. Und plötzlich sind wir selbst betroffen.

Mit jedem Menschen, der geht, geht uns etwas verloren. Der Vater, die Mutter, der Sohn, die Tochter, der Bruder, die Schwester, der Ehepartner, der Freund, die Freundin – und jedes Mal möchten wir schreien und weinen. Unausweichlich wird eine Lebenslinie unterbrochen. Wir stehen da und wissen, dass wir viel versäumt haben: Ein gutes Wort mehr, eine versöhnliche Geste, eine stärkere Zuwendung und viel mehr Zeit für den anderen. Und so sind wir gleich doppelt einsam.

Wer viel von der Liebe spricht, kommt in Situationen, wo sie sich beweisen muss. Was bleibt, wenn wir jemanden verloren haben? Viele Erinnerungen an schöne Momente? Schuldgefühle? Angst, weil wir nicht wissen, wie es weitergehen soll? Hoffnungslosigkeit?
Wenn uns Leid widerfährt, wird unsere Liebe auf die Probe gestellt. Vielleicht merken wir, wie brüchig unser eigenes Leben ist und wie hilflos wir uns fühlen. Doch gegen unsere Resignation vor dem unausweichlichen Tod setzt Gott seine Liebe. Es bleiben aber Glaube, Liebe und Hoffnung – und die Liebe ist das Größte.

Wenn nicht alles nach Plan verläuft, wird uns etwas mitgeteilt. Wir müssen erkennen, dass wir die wenigsten Dinge im Leben in der Hand haben. Da hilft es nicht weiter, uns immer wieder zu sagen, wir hätten doch alles im Griff. Nein, das haben wir nicht. Der Tod kann unsere Pläne jederzeit durchkreuzen. Und vielleicht erkennen wir es nie, warum bestimmte Dinge in unserem Leben passiert sind. Dennoch gibt es einen, der uns sieht und von dem wir wissen können, dass er alles in seine Hände nimmt, was aus unseren zu gleiten droht.

Es gibt Situationen, in denen alles über unsere Kräfte geht. Das Leben schont uns nicht und vielleicht fragen wir uns, warum es den anderen so gut geht. Doch erst in den Tiefen unseres Leben können wir erkennen, was uns wirklich trägt, und ob das Seil, dem wir immer zu vertrauen glaubten, wirklich hält, was wir uns von ihm versprochen haben.

Vielleicht hat man es Ihnen auch gesagt: „Du musst jetzt stark sein!“ Aber stark können wir nur sein, wenn wir auch schwach sein dürfen. Wenn uns die Gefühle überwältigen und wir sie nicht mehr stoppen können, dann dürfen wir wissen: Wir müssen nichts perfekt überspielen oder jetzt bloß keinen Fehler machen. Wir dürfen ehrlich sein und weinen, weil es Grund zum Weinen gibt.
Und irgendwann kommt die Zeit, wo wir uns sagen: „Gut, dass ich damals geweint habe!“

Manchmal schweigt Gott. Nicht, weil er nicht mit uns reden will oder uns nichts zu sagen hätte. Nein, er schweigt, weil er wartet, bis wir wieder zuhören können. Manchmal schweigt er solange, bis wir endlich aufhören, uns nur um uns selbst zu drehen.

Derselbe Gott, der seinen Kinder gesagt hat: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und meine Wege sind nicht eure Wege“, derselbe Gott hat auch gesagt: „Ich der Herr, habe Gedanken des Friedens über euch und nicht des Leides. Ich gebe euch wieder Zukunft und Hoffnung.“

Wer niemals verzweifelt und am Ende war.
Wer niemals zornig und aufgewühlt war.
Wer niemals den Mut verloren hat.
Wer niemals den Boden unter den Füßen verloren hat,
der kann auch nicht wissen, was es heißt,
wenn Gott sagt:
„Lass dir an meiner Gnade genügen,
denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!“

Es gibt einen Trost, den kein Mensch uns geben kann.
Es gibt Worte, die uns niemand sagen kann.
Es gibt einen Frieden, den wir uns selbst nicht geben können.
Es gibt eine Hand, die von oben kommt.

Und sanft und leise sagt eine Stimme:
„Nimm meine Hand, ich helfe dir aufstehen,
und dann gehen wir den Weg gemeinsam.“

In einem Lied aus England heißt es: „Jeder möchte gerne in den Himmel, aber niemand möchte sterben!“
Wir haben uns den Himmel nehmen lassen von den Werbeexperten, die uns mit ihren Produkten in den „siebten Himmel“ bringen möchten. Wenn ein Ruhekissen uns „einfach himmlisch“ schlafen lässt oder uns ein Film „Fünf Minuten Himmel“ verspricht. Doch der Himmel hält für jeden von uns einen Platz bereit. Gott bietet uns einen Ort, in dem weder Tränen noch Leid, noch Krankheit und Not einen Raum haben. Statt karger Hütte gibt es dort den reinen Überfluss. Und ein liebender Vater nimmt seine Kinder in Empfang, weil sie an ihrem eigentlichen Bestimmungsort angekommen sind.

Gott hat seine Signatur in unsere Herzen eingraviert, deshalb bleibt immer das Gefühl in uns, als würde uns auf dieser Erde etwas fehlen. Eigentlich stehen wir auf der falschen Seite der Tür, aber wir dürfen schon heute den Morgenduft und die Frische der neuen Welt in unserem Leben spüren.

Sehnsucht nach Leben, Sehnsucht nach Freude, Sehnsucht nach Frieden und Sehnsucht nach Vollkommenheit. Können unsere Sehnsüchte überhaupt auf dieser Erde gestillt werden? Der Himmel kann schon jetzt einen Platz in unserem Leben haben. Die Ewigkeit schickt uns im Alltag viele kleine Boten, die uns sagen: „Es gibt mehr als Du denkst. Ich halte viel mehr für dich bereit.“

„Im Reich der Hoffnung gibt es keinen Winter!“, sagen die Russen. Warum frieren wir dann in unserem Leben so oft? Wenn die Hoffnung uns verlässt, brauchen wir andere Menschen, die uns ein Feuer anzünden und uns zu verstehen geben: „Setz dich zu uns. Du brauchst nicht viel zu sagen. Wir verstehen deine Situation. Setz dich zu uns und wir rücken ein wenig enger zusammen, damit es wieder wärmer wird in deinem Leben.“ Gott schickt uns Menschen, damit wir merken, dass wir nicht alleine sind.

Menschen, die es wissen müssen, weil sie ihn gut kannten. Menschen, die es wissen müssen, weil sie ihn hautnah erlebt haben. Menschen, die es wissen müssen, weil sie durch Tiefen gegangen sind. Menschen, die es wissen müssen, weil sie spürten, was der Tod bedeutet. Diese Menschen haben geschrieben:
„Unser Gott schenkt uns in seiner Barmherzigkeit einen Trost und eine Hoffnung, die niemals aufhören und auch den Tod überdauern.“ (2. Thessalonischer 2, 16b).

Gott begleite dich durch diese Zeit,
er sei bei dir, wenn dunkle Gedanken dich
gefangen nehmen,
er helfe dir, das Schwere zu tragen
und fange dich auf, wenn du zu fallen drohst.

Gott begleite dich an jedem Tag
und gebe dir genau die Kraft, die du brauchst,
um nicht unterzugehen.
Er trage dich, wenn du nicht mehr gehen kannst.
Er lindere die Schmerzen und heile die Wunden
und lege dir an jedem neuen Tag
seinen Mantel der Geborgenheit um.